Abstiegskampf für die TSG Backnang am Ort des Aufstiegscoups

Die TSG Backnang spielt am Samstag um 14.30 Uhr beim Freiburger FC. Dort also, wo die Roten 2017 mit einem 4:1 im Relegationsrückspiel den Sprung in die Fußball-Oberliga schafften. Dieses Mal geht es für den Drittletzten beim Letzten im Breisgau um wichtige Punkte fürs Drinbleiben.

Abstiegskampf für die TSG Backnang am Ort des Aufstiegscoups

Julian Geldner (Mitte) war Backnangs Bester, als die TSG am 18. Juni 2017 mit dem 4:1 beim Freiburger FC den Oberliga-Aufstieg schaffte. Wenn es morgen wieder in den Breisgau geht, kehrt der Kapitän nach längerer Verletzungspause in den Kader zurück. Foto: Alexander Hornauer

Von Steffen Grün

Was ist am Sonntag, 18. Juni 2017, passiert? Marc Erdmann muss über diese Frage einen kurzen Moment nachdenken, bevor der Groschen fällt. „Ich kombiniere mal“, sagt der Sportliche Leiter der TSG Backnang: „Wenn ich mit diesem Datum ausgerechnet vor der anstehenden Partie in Freiburg konfrontiert werde, sind wir damals dort in die Oberliga aufgestiegen.“ So ist es. Es ist ein Tag, der sich tief ins Gedächtnis aller Fußballer, Fans und Funktionäre eingebrannt hat, die vor sechs Jahren im Breisgau live dabei waren.

„Niemand hätte ein besseres Drehbuch schreiben können“, erinnert sich Marc Erdmann an die Relegation, die für die Roten mit einer Enttäuschung begann. Zu Hause gab es eine 2:3-Pleite, weshalb die Trümpfe vor dem zweiten Spiel eher in den Händen des Freiburger FC lagen. „Es ist alles noch sehr präsent“, sagt der 51-Jährige über das, was sich dann abspielte und was er als „einzigartiges Erlebnis“ beschreibt. Die TSG, die sich zur Abwechslung eine Hotelübernachtung gegönnt hatte, um beim Anpfiff keine lange Busfahrt in den Beinen zu haben, geriet vor über 2 000 Zuschauern sogar noch mit 0:1 ins Hintertreffen. Der Aufstieg war für das Team des damaligen Trainers Markus Lang bei sengender Hitze in weite Ferne gerückt, doch Sebastian Gleißner, Stephan Fichter, Oguzhan Biyik und Julian Geldner wendeten das Blatt mit ihren Treffern noch und sorgten für unbeschreiblichen Jubel.

Seitdem ist viel passiert. Backnang stieg nach zwei Runden im baden-württembergischen Oberhaus wieder in die Verbandsliga ab, feierte 2020 als Meister nach dem coronabedingten Saisonabbruch aber den sofortigen Wiederaufstieg und begeisterte vor allem in der vergangenen Spielzeit mit dem starken dritten Platz. Für Erfolgscoach Markus Lang war das Kapitel in den Etzwiesen direkt nach dem Aufstiegscoup im Südbadischen beendet, mit Mario Klotz sitzt seit der Winterpause bereits der siebte Nachfolger auf der Bank des Traditionsvereins. Von den Spielern, die beim 4:1 in Freiburg auf dem Rasen mitmischten, zählen mittlerweile nur noch Julian Geldner, Sebastian Gleißner und Athanasios Coutroumpas zum Kader. Der damalige Kapitän Oguzhan Biyik spielt als Funktionär nun eine andere wichtige Rolle.

Der Deutsche Meister von 1907 kämpft um seine vielleicht schon letzte Chance

Freiburg scheiterte nach der bitteren Pille gegen die TSG noch ein weiteres Mal in der Relegation, ehe sich die Beharrlichkeit in den Duellen mit Heddesheim im dritten Anlauf endlich auszahlte. Derzeit absolviert der Deutsche Meister von 1907 seine vierte Saison in Serie in der Oberliga, doch dabei scheint es auch zu bleiben. Die Mannschaft, die ebenfalls ein völlig anderes Gesicht als vor sechs Jahren hat, ist im Besitz der roten Laterne. Mit 13 Zählern beträgt der Abstand auf den Vorletzten aus Offenburg schon sieben Punkte, acht sind es auf den Drittletzten aus Backnang. Das bedeutet für das Duell am Samstag, das um 14.30 Uhr im Stadion im Dietenbach-Sportpark beginnt, dass die Hausherren vielleicht bereits um ihre allerletzte Möglichkeit kämpfen, den Kontakt zu den Nichtabstiegsplätzen doch noch einmal herzustellen. Eine weitere Heimniederlage wäre bei dann nur noch zwölf ausstehenden Begegnungen ein Schlag, von dem sich der FFC kaum noch erholen dürfte.

Auch für die Gäste ist es „ein sehr wichtiges Spiel gegen einen direkten Konkurrenten“, bläut Marc Erdmann den TSG-Fußballern die Bedeutung der bevorstehenden 90 Minuten ein und ergänzt: „Wir sollten die Partien gegen die Rivalen im Tabellenkeller grundsätzlich gewinnen.“ Erst recht, weil im Moment noch keiner mit Gewissheit sagen kann, wie viele Absteiger es am Saisonende gibt. Es könnten nur zwei sein, wenn aus der Regionalliga Südwest kein einziger Klub aus Baden-Württemberg absteigt und zugleich der Oberliga-Zweite in den Relegationsspielen gegen die Vizemeister der Hessenliga und der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar den Sprung in die Regionalliga schafft.

Ein Szenario, das keineswegs ausgeschlossen und sogar weitaus wahrscheinlicher als die Maximalzahl von sechs Absteigern ist. Für die Worst-Case-Variante dürfte der Zweitplatzierte nicht aufsteigen, zugleich müssten alle drei Absteiger aus der Regionalliga Südwest im Ländle beheimatet sein. Letzteres ist sehr abwegig, weil es derzeit nur Aalen als Drittletzten erwischen würde und vor sowie hinter dem VfR jeweils zwei Vereine aus Rheinland-Pfalz oder Hessen rangieren. Es ist eine Gemengelage, die Marc Erdmann auch im Blick hat und deshalb verkündet: „Ich gehe von drei oder vier Absteigern aus.“ Stimmt das, müsste seine TSG mindestens einen Rang oder zwei Plätze klettern, weshalb im Abstiegskrimi am Schauplatz des einstigen Aufstiegscoups am morgigen Samstag ein Sieg beinahe Pflicht ist.

TSG-Kapitän Julian Geldner steht vor seinem Comeback

Rückblick Die Gefahr, dass das Duell mit Stuttgart die Stimmung bei der TSG nach der guten Vorbereitung trüben könnte, war bereits vorab einkalkuliert. Mehr Widerstand, als ihn die Roten beim 0:4 leisteten, war ihnen aber auch gegen den Spitzenreiter zugetraut worden. „Die Kickers haben ein hohes Tempo vorgelegt und enormen Druck ausgeübt“, verweist Trainer Mario Klotz auf die Qualität der Gäste, gibt aber auch zu, dass ihn die individuellen Fehler des eigenen Teams geärgert haben.

Lehren Anders als gegen den Ligaprimus gelte es künftig, rechtzeitig den Rückwärtsgang einzulegen und die Bälle rascher aus der Gefahrenzone zu befördern. Ein Mannschaftsabend, bei dem der neue Coach mit Pizzas und Getränken seinen Einstand gab und Champions League geguckt wurde, sollte das Teamgefüge weiter stärken.

Ausblick Nach dem Duell mit dem Ersten geht es nun zum Letzten, doch Klotz betrachtet das als „trügerisch“. Seine Einschätzung, dass Freiburg stärker ist, als es 13 Punkte erahnen lassen, beruht auch auf der knappen 2:3-Niederlage in Bissingen. „Wir müssen über die Arbeit ins Spiel finden und den Kampf annehmen“, fordert der Coach: „Es geht um Punkte, die wir dringend benötigen.“ Mit einem Dreier wäre das hintere Mittelfeld in Reichweite.

Personal Kapitän Julian Geldner ist nach seinem Mitte November erlittenen Syndesmoseriss gestern wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen und wird zum Kader gehören. „Er hat in der Reha sehr konsequent gearbeitet“, lobt Klotz den 26-Jährigen. Vincent Sadler ist nach seiner verbüßten Gelb-Rot-Sperre auch wieder eine Option. „Es sind Veränderungen zu erwarten“, sagt Klotz.