Mit „Avatar: Fire and Ash“ beschenkt James Cameron die Fans seiner Sci-Fi-Reihe rechtzeitig zum Fest mit einem dritten Teil. Ist das neue Fantasy-Epos einen Kinobesuch wert?
Hübsche Luftsegler: „Avatar: Fire and Ash“
Von Martin Schwickert
„Weniger ist mehr“ ist ein Satz, der James Cameron nie über die Lippen kommen würde. Der „Titanic“-Regisseur ist einer der letzten Gigantomanen des Kinos – einer Spezies von Filmemachern, der man noch lange hinterher trauern wird. Der mittlerweile 71-jährige Enthusiast denkt nicht nur groß. Er hat auch die finanzielle Verantwortungsbereitschaft und die künstlerische Erfahrung, um seine Mega-Visionen umzusetzen.
Und das funktioniert: auf der Leinwand als visuelles Spektakel und an den Kinokassen mit Milliardenumsätzen. Sein „Avatar“ (2009) ist mit einem Einspielergebnis von mehr als 2,9 Milliarden Dollar als finanziell erfolgreichster Film aller Zeiten unangefochten. Das Nachfolgewerk „The Way of Water“ konnte vor drei Jahren mit einem Kassenumsatz von mehr als 2,3 Milliarden Dollar auf Platz 3 einchecken.
Pittoreske Handelsflotte am Himmel in „Avatar: Fire and Ash“
Nun kommt mit „Fire and Ash“ zum Weihnachtsfest der dritte Teil in die Kinos. Die Starttermine von zwei weiteren Fortsetzungen wurden aufgrund des Autorenstreiks in Hollywood auf die Jahre 2029 und 2031 verlegt. Die Handlung beginnt in jener weitläufigen Insel- und Rifflandschaft, die Cameron im letzten Teil mit feinster 3-D-Technik zu einem magischen, maritimen Lebensraum ausgebaut hat. Hier haben Sully (Sam Worthington), seine Frau Neytiri (Zoe Saldaña) und die vier Kinder Zuflucht gefunden, nachdem sie ihre heimatlichen Wälder auf der Flucht vor den menschlichen Invasoren verlassen mussten. Zur Patchworkfamilie gehört auch der Menschensohn Spider (Jack Champion), der zum Objekt der Begierde für die Eindringlinge wird, weil er als erster Erdling dank der naturspirituellen Anstrengungen seiner Freundin Kiri (Sigourney Weaver) in der Atmosphäre des Planeten Pandora ohne Sauerstoffmaske atmen kann.
Um Spider in Sicherheit zu bringen, begibt sich die Familie an Bord eines Luftsegelschiffes der sogenannten „Flügelhändler“. Der Auftritt der pittoresken Handelsflotte am Himmel über Pandora ist ein erster visueller Höhepunkt in dem dreistündigen Kinoepos. Die Flugballons der Händler sind umgeben von libellenartigem Flügelwerk. Hier zeigt sich erneut die Kraft der Inspiration, die Cameron und seine Visual Artists aus dem Studium irdischer Fauna und Flora entnehmen, um sie prachtvoll ins Fantastische zu potenzieren.
Dieser visuelle Ansatz steht im Einklang mit der Botschaft des Films, der die Naturverbundenheit der Einheimischen dem zerstörerischen Verhalten der menschlichen Eindringlinge entgegenstellt. Mit dem Betreten der Schiffe schwingt sich „Fire and Ash“ aus dem Wasser in luftige Höhen, in denen sich fortan der Großteil der Actionszenen abspielt.
Dabei bedient sich Cameron abermals kreativ im Genrebaukasten, um Vertrautes im Fantasyformat zu überhöhen. Denn wo Segelschiffe über den Himmel gleiten, sind Piraten nicht weit. Grandios wird der Angriff des sogenannten Mangkwan-Clans orchestriert, dessen Angehörige auf geflügelten Tieren aus dem Himmel schießen und die fragilen Luftschiffe mit Lanzen und Feuerpfeilen traktieren. Die Anführerin der Luftpiraten Varang (Oona Chaplin) ist eine furiose Schurkin. Mit loderndem Blick, skorpionartiger Körpersprache und einer ausgeprägten destruktiven Intelligenz wird die Figur als wütende Herrin des Feuers eingeführt. Als sich Colonel Quaritch (Stephen Lang) aus machtpolitischem Kalkül und sexueller Anziehung heraus mit der Furie verbündet, entsteht eine Doppelspitze des Bösen, die den Film kraftvoll in Atem hält.
Derweil arbeiten Sully und seine Familie an einer weiteren Verbrüderung der verschiedenen Stämme und Tierwelten, um den menschlichen Invasoren zu trotzen. Dabei vertieft Cameron das Thema der spirituellen Naturverbundenheit noch einmal deutlich, was einen notwendigen Gegenpol zu den actionlastigen Schlachtengemälden bildet. „Fire and Ash“ verschärft den Kontrast zwischen dem ganzheitlichen religiösen Naturverständnis der Na‘vis und dem auf Bereicherung ausgerichteten Vorgehen der „Himmelsmenschen“, die sich mit einer riesigen Hi-Tech-Armada an die Ausbeutung des Planeten machen, noch einmal in kraftvollen Farben.
Wie schon die Vorgängerwerke ist auch dieser Film als gigantische Metapher für die Kolonisierung des amerikanischen Kontinents zu lesen, die gerade in den USA bis heute keine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung erfahren hat. Im fantastischen Raum eröffnet Cameron einen inhaltlichen Gegenentwurf zum uramerikanischen Western-Genre, in dem über Jahrzehnte hinweg ein verfälschender Gründungsmythos kultiviert wurde. Darüber hinaus weist der Film in Zeiten des Klimawandels und des rechtspopulistischen Rollbacks aktuelle politische Bezüge auf, was die philosophischen Grundqualitäten des Konzepts erneut bestätigt. Dass der intellektuelle, ästhetische und epische Atem noch für zwei weitere Mammutfolgen ausreicht, ist schwer vorstellbar. Aber einen erfahrenen Visionär wie James Cameron sollte man nie unterschätzen.
Avatar: Fire and Ash: USA 2025. Regie: James Cameron. Mit Sam Worthington, Zoe Saldaña, Jack Champion. 195 Minuten. Ab zwölf Jahren.