Afrikas Wälder galten lange als mächtige CO₂-Speicher. Jetzt zeigen neue Daten, dass der Kontinent inzwischen mehr Emissionen verursacht als bindet.
Dzanga Sangha Special Dense Forest Reserve in der Demokratischen Republik Kongo.
Von Markus Brauer/dpa
Die Wälder und Savannen Afrikas haben lange Zeit mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre gezogen als abgegeben. Für den Zeitraum 2010 bis 2017 habe sich das umgedreht, schreibt ein internationales Team im Fachjournal „Scientific Reports“.
Jüngere Daten hat es nicht zur Verfügung. Bäume nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und speichern den darin enthaltenen Kohlenstoff als Holz und andere Biomasse.
Zerstörung tropischer Regenwälder steigert CO2-Emissionen
.In den Jahren 2007 bis 2010 habe Afrika im Schnitt noch einen Zuwachs an oberirdischer Biomasse von 439 Millionen Tonnen (Mt) pro Jahr gehabt, berichtet die Gruppe um Heiko Balzter von der britischen University of Leicester.
Von 2011 bis 2017 habe es hingegen einen Verlust von 106 Mt pro Jahr gegeben. Die Emissionen entstehen laut Studie vor allem durch die Zerstörung tropischer Regenwälder.
Bisherige Studien lieferten nach Angaben des Forschungsteams widersprüchliche Erkenntnisse darüber, ob Afrikas Ökosysteme eine Netto-Kohlenstoffsenke oder -quelle darstellen. Die aktuelle Analyse biete die erste kontinentweite, hochauflösende Bewertung der Veränderungen der oberirdischen Holzbiomasse in Afrika über ein Jahrzehnt.
Grundlage seien Felddaten und satellitengestützten Karten dieser Biomasse von bislang unerreicht hoher räumlicher Auflösung. Dabei nutzte das Team Satelliten beispielsweise, um die Kronenhöhe der Bäume abzuschätzen.
Es gebe zwar einen hohen Unsicherheitsbereich in den Daten, schränken die Forschenden ein. Der registrierte Wechsel von der Kohlenstoffsenke zur -quelle sei jedoch eindeutig.
Besonders betroffene Länder
Besonders hohe Wald-Verlustraten haben laut Studie die Demokratische Republik Kongo, Madagaskar und einige westafrikanische Länder. Dort seien die Verlustraten signifikant gestiegen.
Zur Entwicklung der Wälder in Afrika ab 2018 habe das Team noch keine Daten zum gesamten Kontinent, die veröffentlicht werden könnten, erklärt Balzter. Man könne jedoch die Demokratische Republik Kongo (DRK) als Beispiel wählen, da sie den größten zusammenhängenden tropischen Regenwald in Afrika besitzt. Nach Daten von Global Forest Watch scheine die Entwaldung dort zuzunehmen.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, politische Maßnahmen zur Beendigung der globalen Entwaldung umzusetzen, wie sie in der Glasgow-Erklärung der Staats- und Regierungschefs gefordert werden“, resümieren die Forscher. Auf dem Klimagipfel in Glasgow 2021 verpflichteten sich mehr als 140 Länder, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen und massiv aufzuforsten.
Hohe Verluste insbesondere von Tropenwäldern weltweit
Dennoch ist im vergangenen Jahr weltweit Wald auf einer Fläche von gut 8 Millionen Hektar dauerhaft verloren gegangen, wie der Waldzustandsbericht Forest Declaration Assessment zeigt.
2022 waren es demnach 6,6 Millionen Hektar. Besonders alarmierend sei der Zustand der Tropenwälder. In Lateinamerika, Asien, Afrika und Ozeanien östlich von Australien hätten verheerende Brände vergangenes Jahr 6,7 Millionen Hektar verwüstet. Vielfach seien die Brände absichtlich gelegt worden.
Auch der südliche Amazonas-Regenwald stößt durch Waldschädigungen mittlerweile deutlich mehr Kohlendioxid (CO2) aus, als er aufnimmt. Das ergibt sich aus der Auswertung von detaillierten Luftaufnahmen in den brasilianischen Bundesstaaten Rondônia, Mato Grosso und Pará in den Jahren 2016 bis 2018.
Hinter der Waldzerstörung steckt der Mensch
Wie die Studie unter Leitung von Ovidiu Csillik vom California Institute of Technology in Pasadena zeigt, haben die Waldschäden dabei ganz unterschiedliche Ursachen, wobei der Mensch oft eine Rolle spielt. Der Regenwald des Amazonasgebiets in Südamerika beherbergt mehr als zehn Prozent aller auf der Welt lebenden terrestrischen Arten, so eine kürzlich im Fachblatt „Nature“ veröffentlichte Studie.
Wie diese ausführt, trage das Gebiet über den Nettokühlungseffekt durch die Verdunstung von Wasser zur Stabilisierung des Erdklimas bei. Außerdem speichere der Regenwald eine Menge Kohlenstoff, die dem weltweiten CO2-Ausstoß von 15 bis 20 Jahren entspricht.
Doch Abholzung und andere Waldschädigungen bedrohen diese Rolle, die der Amazonas-Regenwald als grüne Lunge der Erde für das Weltklima spielt. Maßnahmen der aktuellen brasilianischen Regierung haben die Waldzerstörung indes zuletzt deutlich verringert.
Grüne Lunge der Erde kollabiert
Der Amazonas-Regenwald ist der größte seiner Art. Er ist als grüne Lunge der Erde für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung. Unter dem ultrarechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte die Vernichtung dieses unschätzbaren Naturjuwels jedoch dramatisch zugenommen.
Die Folgen des Klimawandels treffen das ohnehin gestresste Biotop mit voller Wucht. Normalerweise kann der tropische Regenwald ausbleibende Niederschläge und Dürren relativ gut kompensieren. Doch es gibt in einigen Regionen des Amazonas Probleme, die sehr beunruhigend sind.
Vernichtung der Waldfläche nimmt zu statt ab
Bei der kritischen Verlangsamung handelt es sich demnach um ein Phänomen, bei dem Natur-Systeme eine verlangsamte Erholung von kleinen Störungen zeigen, wenn sie sich einem Kipppunkt nähern.
Unter Kipppunkten versteht man in der Klimaforschung, wenn durch kleine Veränderungen ein Domino-Effekt ausgelöst wird, dessen Folgen unter Umständen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das Konzept der Kipppunkte und damit verbundene Unsicherheiten werden unter Wissenschaftlern weltweit intensiv und zum Teil konträr diskutiert. Im Amazonasgebiet droht der Regenwald dann unaufhaltsam zu Savanne zu werden, wie Wissenschaftler befürchten.