Zuflucht für NS-Verbrecher

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Viele hochrangige Nationalsozialisten flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor Strafverfolgung – vor allem nach Südamerika. In Argentinien sind Dokumente zu den NS-Tätern nun digital zugänglich.

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Gewährte NS-Kriegsverbrechern Zuflucht: Der argentinische Präsident Juan Domingo Peron (Mi.) im Jahr 1950 in Buenos Aires.

Von Markus Brauer/dpa

Argentiniens Regierung hat im Internet Dokumente über Aktivitäten von Nazis veröffentlicht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in das südamerikanische Land geflohen sind. Zu den Akten gehören Unterlagen über NS-Verbrecher wie Josef Mengele und Adolf Eichmann, wie auf der Website des Nationalarchivs zu sehen ist.

Mehr als 1850 Dokumente, die seit 1992 nur im argentinischen Bundesarchiv auf Papier einsehbar waren, sind nun dank „umfangreicher Restaurierungs- und Digitalisierungsarbeiten“ online verfügbar, wie die stellvertretende Kabinettsleitung des Innenministeriums mitteilte.

Gesichter des Bösen: Eichmann und Mengele

Der SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann hatte während der NS-Zeit Millionen Juden in Vernichtungslager deportieren lassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtete er nach Argentinien, ehe ihn israelische Agenten im Mai 1960 entführten und nach Israel brachten, wo er angeklagt und zum Tode verurteilt wurde. Josef Mengele war als KZ-Arzt für grausamste medizinische Experimente verantwortlich.

Gab es eine Organisation Odessa?

Mit der Bezeichnung O.de.SS.A (Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen) assoziiert man straff organisierte, schlagkräftige und bestens vernetzte Dachorganisation unter der Führung von Otto Skorzeny (1908-1975), einem österreichischen Offizier der Waffen-SS, der ehemalige hochrangige SS-Angehörige, darunter Adolf Eichmann, Josef Mengele sowie andere Vertreter und Sympathisanten des NS-Regimes, kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges zusammengeschlossen hätte.

Durch die Flucht nach Südamerika, vor allem nach Argentinien, hätten sich die NS-Anhänger vor der Strafverfolgung retten wollen. Stichhaltige historische Beweise für die Existenz einer solchen konspirativen Fluchtorganisation wurden aber nie gefunden.

Was es tatsächlich gab, waren Formen der Zusammenarbeit ehemaliger SS-Angehöriger und ihrer Sympathisanten in Politik, Gesellschaft und Kirchen sowie Fluchtrouten – sogenannte Rattenlinien – ins Ausland. US-Geheimdienstler und Militärs gebrauchten den Begriff „ratlines“ als Bezeichnung für Fluchtrouten führender Vertreter des NS-Regimes, Angehöriger der SS und der Ustascha – einer faschistischen Bewegung in Jugoslawien – nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Anders als von Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern kürzlich kolportiert findet sich in den nun frei gegebenen Akten übrigens keinerlei Hinweis auf ein angebliches Überleben von Adolf Hitler in Argentinien nach dem 2. Weltkrieg. Auch der vorbestrafte Ex-Tennisstar Boris Becker war auf solche Gerüchte hereingefallen und hatte sich unbedacht zum Teilen eines entsprechenden Links auf Social Media hinreißen lassen. Nach heftiger Kritik von Usern - also einem Shitstorm - löschte Becker das Posting dann wieder.