Das Landesmedienzentrum besteht seit hundert Jahren, doch dessen Aufgaben haben sich zuletzt radikal gewandelt. Heute will die Einrichtung Schülern helfen, die Risiken und Chancen der digitalen Welt zu erkennen.
Schon Grundschüler können sich an Medienzentren spielerisch mit Robotik vertraut machen, etwa durch Legobaukästen.
Von Thomas Faltin
Stuttgart - Sehr viele Menschen könnten nicht im Ansatz sagen, was das Landesmedienzentrum eigentlich so treibt – dabei ist es für viele Eltern, Jugendliche, Senioren und nebenbei auch für Historiker oft die Rettung. Wie junge Menschen sich vor Cybermobbing schützen können, weiß das Landesmedienzentrum (LMZ) sehr gut. Wenn man sich als älterer Mensch noch in die Tiefen des Internets stürzen will, wäre man dort an der richtigen Adresse. Und wer als Historiker sein neuestes Buch mit alten Fotos von der Schwäbischen Alb bebildern möchte, wäre dort auch gut aufgehoben.
Diese zunächst fast verwirrende Vielfalt liegt im Ursprung des LMZ begründet. Schon 1920 nahm die sogenannte Stadtbildstelle in Stuttgart ihre Arbeit auf, kurz darauf wurde die Württembergische Bildstelle gegründet. Vor genau 100 Jahren fusionierten die beiden Einrichtungen – der Vorläufer des LMZ war geboren. Dessen Aufgabe war es über viele Jahrzehnte hinweg, die Schulen mit Fotos, Filmen und Leihgeräten zu versorgen. „So sollte der Unterricht anschaulicher werden“, sagt LMZ-Direktor Michael Zieher.
Medienbildung als Kernkompetenz
Es gab bis 2014 sogar eigene Fotografen, die umherreisten und Land und Leute dokumentierten. Die daraus entstandene Mediathek mit zwei Millionen oft einzigartigen Bildern ist von historisch unschätzbarem Wert und kann von jedem genutzt werden.
Heute braucht niemand mehr eine Filmrolle, ein VHS-Abspielgerät oder einen Overheadprojektor, und auch einzelne Fotos werden eher selten noch in den Unterricht integriert. Das Ziel, Lehrer und Schüler in ihren Bedürfnissen zu unterstützen, ist deshalb zwar gleich geblieben, die Art und Weise aber hat sich radikal gewandelt: Medienbildung, darin liegt heute in den 38 Medienzentren in Baden-Württemberg, von denen Stuttgart das größte ist, die Kernkompetenz des LMZ. 300 Mitarbeitende helfen dabei, sich in einer digitalen Welt zurechtzufinden.
Die Palette an Angeboten ist riesengroß. Ganz grundlegend ist die Sensibilisierung für die Risiken im Netz: Was passiert mit meinen Daten, was darf ich mit Bildern machen, wie setze ich Social Media richtig ein? Jeden Freitag von 14 bis 17 Uhr kann man im Stuttgarter LMZ in der Rotenbergstraße in die etwas andere Computerspielschule kommen, wo man pädagogisch geeignete, aber auch populäre Games ausprobieren kann. Oder derzeit läuft die Kampagne „Bitte was?!“, bei der junge Menschen lernen können, wie sie mit Hass und Fakenews im Netz umgehen.
Das Landesmedienzentrum hat sich damit zu einer hellen Seite der Medienmacht entwickelt. Und die positiven Facetten der modernen Technik spielen eine immer größere Rolle. Im Stuttgarter Medienzentrum ist etwa ein Tonstudio eingerichtet, in dem Schüler zu einem Gedicht von Heinrich Heine, den sie gerade im Deutschunterricht behandeln, einen Rapsong dichten können. Auch Podcasts werden dort aufgenommen. Ganz neu ist ein eigenes hochmodernes Fernsehstudio, in dem das Medienzentrum zum Beispiel Tutorials für Schüler produzieren kann.
Aber damit ist die Bandbreite noch lange nicht zu Ende. Ganz wichtig ist dem LMZ auch, das technische Interesse der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Im Keller in Stuttgart wurde deshalb ein „Maker space“ eingerichtet, in dem man mit verschiedenen Maschinen wie 3D-Druckern oder Lasergeräten T-Shirts gestalten oder Weihnachtskarten basteln kann. Lastwagen mit entsprechender Ausrüstung sind mobil an Schulen unterwegs. Grundschüler können sich mit Legokästen ins Reich der Robotik wagen, für ältere Schüler steht die gute alte Fischertechnik zur Verfügung.
Weiter gibt es Lernportale für die Schüler, die im Unterricht nicht alles sofort verstanden haben oder sich auf eine Prüfung vorbereiten wollen. Der Zugang geht aber nur über die Schule. Und nicht zuletzt entwickelt das Landesmedienzentrum auch Ideen für den Unterrichtsraum der Zukunft, in dem es vielleicht verschiedene Sitzecken und sogar eine kleine Küche geben wird. Gerade wird ein solcher Raum in Stuttgart beispielhaft eingerichtet. „In solchen Räumen ist es ruhiger und es fällt leichter, sich wohl zu fühlen“, sagt Michael Zieher. Er ist stolz auf die Vielfalt der Medienzentren: „In diesem Umfang und in dieser Bandbreite sind wir einzigartig.“
Eigens Lehrkräfte für Digitalisierung
Allein im Stadtmedienzentrum Stuttgart finden jährlich 200 Veranstaltungen mit zusammen 7500 Teilnehmern statt, berichtet dessen Leiter Hans-Jürgen Rotter. Es könnten noch deutlich mehr sein, aber dazu sind die personellen Ressourcen zu begrenzt. Man setze deshalb verstärkt darauf, Mentoren auszubilden, die das Wissen weitertragen, so Rotter.
Künftig sollen die Themen Künstliche Intelligenz und allgemein die Digitalisierung noch stärker in den Fokus rücken. Man müsse die Digitalisierung viel konsequenter anpacken, sagt Zieher, sonst sei Baden-Württemberg bald nicht mehr das Land der Dichter und Denker. In Estland beispielsweise gebe es an jeder Schule eine Lehrkraft ausschließlich für IT, Medienkompetenz und Digitalisierung. „Das Landesmedienzentrum tut ähnliches, aber in schwächerer Form“, so Michael Zieher. Man kann heraus hören, dass er sich in diesem Bereich deutlich mehr Engagement von Landes und Bund wünscht.
Das Landesmedienzentrum
Geschichte Die Stadtbildstelle Stuttgart ist bereits 1920 gegründet worden und lieferte Fotos und Filme für Schulen. Die späteren Landesbildstellen Baden und Württemberg fusionierten 2001 zum heutigen Landesmedienzentrum.
Museum Am Standort Karlsruhe in der Moltkestraße 64 wird gerade ein Landesmedienmuseum aufgebaut, in dem alte Diaprojektoren und Filmgeräte zu sehen sein werden. Vor allem aber können dort Schüler die heutigen Technologien ausprobieren. Die Eröffnung ist für das Frühjahr 2026 geplant.