80 Jahre Kriegsende

Aufgenommen in Ruinen – Fotos von der Stunde null

Die Erinnerung an 80 Jahre Kriegsende schließt einen Blick auf die zerstörten deutschen Innenstädte mit ein. In München gibt es dazu eine große Fotoausstellung.

Aufgenommen in Ruinen – Fotos von der Stunde null

Gipsabgüsse in der zerstörten Akademie München, Winter 1945/46

Von Jan Sellner

Stadtbilder vor 80 Jahren – das waren Trümmerlandschaften, wie sie in der Stuttgarter Kriegsfilmchronik zu sehen sind, jener dokumentarisch wertvollen Filmreihe, die im Stuttgarter Stadtarchiv lagert, und die unsere Zeitung aus Anlass des 80. Jahrestags des Kriegsendes in diesem Jahr gemeinsam mit dem Stadtarchiv veröffentlicht hat. Aktuell ist in München, in der dortigen Rathausgalerie, die Foto-Ausstellung „Stadt in Trümmern“ zu sehen, die sich ihrerseits mit dem Thema Ruinenlandschaften befasst. Sie stammt aus der Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums und zeigt eine Auswahl von Schwarz-Weiß-Fotografien des namhaften Magnum-Fotografen Herbert List (1903-1975). Es handelt sich um Bilder, die List, der bereits von 1941 bis 1944 in München gelebt hatte, in der unmittelbaren Nachkriegszeit beim Gang durch die Stadt machte. Fotos, aufgenommen in Ruinen.

Herbert List fotografierte die Ruinen teils im Stile antiker Tempel

Sie zeigen vorwiegend bekannte und durch alliierte Bombenangriffe stark zerstörte Münchner Bauten, wie die Glyptothek, die Akademie, den Hofgarten, die Frauenkirche, den Marstall, das Wittelsbacher Palais oder auch das sogenannte Braune Haus, Sitz der NSDAP. Lists kontraststarke Aufnahmen bezeugen allerdings nicht explizit die Schrecken des Krieges, sondern erscheinen wie Aufnahmen antiker Reste. Im Begleittext zur Ausstellung heißt es dazu: „Aus dem Exil in Griechenland kommend, war der Fotograf weniger an einer sachlichen Dokumentation der Zerstörung interessiert. Vielmehr widmete er sich überzeitlichen künstlerischen Kompositionen, die auf seine früheren dramatischen und oftmals surrealen Inszenierungen antiker Ruinen aus Griechenland verweisen.“ So wirken manche der oft winterlichen Aufnahmen auf beklemmende Weise ästhetisch. Oder auch komisch: Etwa, wenn am Promenadeplatz inmitten von Trümmern Kurfürst Max Emanuel Schild und Schwert in die Höhe reckt, als wäre nichts passiert. Passiert ist viel: Große Teile der Münchner Innenstadt waren zerstört; die Not groß. Auf jenen Fotos, die nicht nur Trümmer, sondern auch Menschen zeigen, ist davon etwas zu erahnen. Besonders markant: ein Kind, das zwischen den Ruinen Brennholz trägt.

Sehr viel unmittelbarer wird der Krieg in den Ruinenbildern anderer Fotografen und Amateure, die Lists Arbeiten als dem Kern der Ausstellung ergänzen: etwa eine Sammlung von Dias des städtischen Turmbeobachters Clemens Bergmann, der von den Türmen der Frauenkirche die brennende Stadt fotografierte. Oder Fotos des Kaufmanns Johann Danböck, der die Zerstörung der Stadt als Fotoamateur dokumentierte sowie frühe Farbfotos von Dorothea Brockmann. Dazu kommen Postkarten von der Ruinenstadt München, die damals kommerziell vertrieben wurden. Im Gesamtpaket äußerst sehenswert – noch bis 17. Dezember bei freiem Eintritt.