Die Welt braucht Helden

Batman-Effekt: Wie ein Superheld Menschen hilfsbereiter macht

Brauchen wir Superhelden, um unseren Mitmenschen öfters zu helfen? Ein U-Bahn-Experiment legt das nahe. Forscher zeigen darin, wie Menschen ihren Platz eher einer Schwangeren anbieten, wenn ein als Batman Verkleideter plötzlich auftaucht.

Batman-Effekt: Wie ein Superheld Menschen hilfsbereiter macht

Wie jeder Comic-Fan weiß, ist Batmann eine fiktive Figur, die auch Kinogeschichte geschrieben hat. Doch was wäre, wenn der Dunkle Ritter real wäre? (Szene aus dem US-Film „Batmans Begin“, 2005).

Von Markus Brauer

Batman (von englisch bat = Fledermaus) erschien erstmals am 30. März 1939 in einem DC-Comic-Heft (DC steht für Detective Comics, einer der ersten, sehr erfolgreichen Comicserien des US-Verlags). Der Cartoon-Zeichner Bob Kane (1915-1998) hatte den Fledermaus-Mann gemeinsam mit dem Autor Bill Finger geschaffen.

Kane siedelte Batman in der düsteren Metropole Gotham City an. Hinter der schwarzen Maske verbirgt sich der Multimillionär Bruce Wayne, der sein Leben der Bekämpfung des Verbrechens widmet.

Wie jeder Comic-Fan weiß, ist Batmann eine fiktive Figur, die auch Kinogeschichte geschrieben hat. Doch was wäre, wenn der Dunkle Ritter real wäre?

Durchbrechen der Routine

Forscher um Francesco Pagnini von der Katholischen Universität vom Heiligen Herzen in Mailand haben jetzt untersucht, inwieweit ein unerwartetes Ereignis im Alltag, die Hilfsbereitschaft fördert. Ihre Studie ist im Fachjournal „Mental Health Research“ erschienen.

Die Experten vermuten, dass der irritierende Augenblick des Sich-Ereigens die Routinen unterbricht und die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf den gegenwärtigen Moment fokusiert. Das Ergebnis: Sie handeln altruistischer.

Wenn Batman in der U-Bahn mitfährt

Um ihre Theorie zu verfizieren, führten die Psychologen ein Experiment in der Mailänder U-Bahn durch und beobachteten die Fahrgäste auf 138 Fahrten im Untergrund der italienischen Metropole.

Da bestieg zum Beispiel eine scheinbar schwangere Frau die Bahn. Ein ebenfalls zugestiegener, unbeteiligter Beobachter bewertete dabei, ob die anderen Fahrgäste der vermeintlich Schwangeren ihren Sitzplatz anboten. Im zweiten Test betrat zusätzlich eine als Batman verkleidete Person den Waggon durch eine etwa drei Meter entfernte Tür, ohne auf die Schwangere zu reagieren.

Helden und Hilfsbereitschaft

In Batmans Gegenwart boten 67 Prozent der Fahrgäste ihren Platz der Schwangeren an, in der Kontrollgruppe ohne Superheld-Imitator waren es nur 38 Prozent. Nach der plötzlichen Begegnung mit dem Fledermaus-Helden reagierten die Fahrgäste folglich deutlich häufiger hilfsbereit. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass unerwartete Ereignisse tatsächlich prosoziales Verhalten fördern können.

Im Anschluss fragten die Forscher die Fahrgäste, warum sie ihren Platz freigemacht hatten. Die meisten gaben an, der Schwangeren helfen zu wollen. Niemand brachte Batman als Motiv ins Spiel.

44 Prozent der Fahrgäste erklärten, sie hätten den Helden gar nicht wahrgenommen. Das legt nahe, dass Überraschungen selbst dann die Hilfsbereitschaft fördern, wenn sich die Beteiligten der Unterbrechung nicht bewusst sind.

Batman fördert Achtsamkeit und Hilfsbereitschaft

Wie kommt es zu dieser Reaktion? Die Forscher gehen von einer Art Kettenreaktion aus. Einige Fahrgäste bemerkten Batman, wodurch sie aufmerksamer wurden, daraufhin die Schwangere bemerkten und auf sie reagierten.

Instinktiv hat sich dadurch auch die Aufmerksamkeit der anderen Fahrgäste auf die Schwangere fokusiert, weil ihre Routine durch das Verhalten ihrer Mitmenschen gestört und ihre Blickrichtung abgelenkt wurde.

„Aufmerksamkeitsmuster können sozial übertragen werden und sich über ihren ursprünglichen Auslöser hinaus ausbreiten“, beschreiben die Forscher dieses Phänomen. Demnach reicht schon passives Dabeisein, um infolge von Störungen achtsamer und freundlicher zu werden. „Unsere Ergebnisse ähneln denen früherer Studien, die einen Zusammenhang zwischen Achtsamkeit im gegenwärtigen Moment und verstärktem prosozialem Verhalten herstellen.“

Wie Menschen ihre Mitmenschen besser wahrnehmen

Wer die Freundlichkeit im öffentlichen Raum fördern will, sollte demnach ein Umfeld schaffen, in dem Menschen die Signale ihrer Mitmenschen besser wahrnehmen.

„Dies kann von künstlerischen oder theatralischen Interventionen im öffentlichen Raum bis hin zu strategischen Kommunikationskampagnen reichen, die darauf abzielen, den Alltag kurzzeitig zu unterbrechen und die Menschen stärker mit ihrer Umwelt und Gemeinschaft in Kontakt zu bringen“, resümieren die Psychologen.

Superhelden erinnern uns an ritterliche Tugenden

Aus älteren Studien weiß man, dass Helden und Superhelden einen „Priming“-Effekt haben. Das bedeutet: Der Anblick der Figuren hebt bereits vorhandene kulturelle Werte, Geschlechterrollen und Normen ritterlicher Hilfe hervor. „Die Figur von Batman könnte auch eine prosoziale Priming-Funktion ausüben“, konstatiert Pagnini.

Die Sehnsucht nach Helden dem Menschen immanent. Helden zu haben, ist dem Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz zufolge ein Privileg der Jugend. „Man ist genau so lange jung, wie man Helden hat, die man verehrt.“ Wer keinen Helden hat, lebe ein Leben, „das nicht lebenswert ist“.

Es ist Zeit für Helden

Die Zeit der Helden ist gekommen, wenn Unruhe, Unsicherheit und Umwälzungen herrschen. Reale Helden wie fiktive Superhelden müssen sich bewähren, wenn Gefahr im Verzug ist, Kampf, Krieg und Unheil drohen.

Dass der „Krieg der Vater aller Dinge und der König aller“ ist, hat schon der griechische Philosoph Heraklit gewusst. „Die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien.“ Und Superhelden? Sie lässt er erst hier zu ihrer wahren Bestimmung finden.

Auch wenn die deutsche Gegenwartsgesellschaft dem Politologen Herfried Münkler zufolge „postheroisch“ ist, bedeutet dies nicht, dass die Sehnsucht nach Helden ein für allemal erledigt ist. Im Gegenteil: Sie weicht aus ins Fiktionale. Fiktion und Fantasie werden durch die Wunderwelt des Kinos zur Spielweise, auf der sich Helden und Superhelden nach Lust und Laune austoben und die Welt vor Scharen von Bösewichten, Feinden und Invasoren retten können.

Helden geht es um Herz, Hingabe, Leidenschaft und Mut

In der Realität sind „Heldentaten“ und „Heldentode“ allzu oft als sinnlos entlarvt worden. In der fiktiven Welt der Mythen, Legenden und des Kinos dagegen gibt es eine „ganz andere Dialektik“, wie Bolz betont.

„Der Held ist der Outlaw, der sich als großer Mann durchsetzen kann.“ Wie Achill, der Archetyp des antiken Heros, sei er „ganz und gar in seinen Taten“. Dem Helden gehe es „um Stolz, Herz, Hingabe, Leidenschaft“. Er wäge nicht Risiko und Nebenwirkungen ab. Gefahr sei für ihn ein Abenteuer, das er sucht und in dem er seine Mission findet.