Julianna Becker und Jaqueline Konrad (von links) haben bei der Vorstellung ihrer Bücher wunderbar in die Geschichten eingeführt, indem sie sehr lebendig gelesen und so richtig Lust auf die beiden Romane gemacht haben. Foto: C. Schick
Von Christine Schick
Murrhardt. Es ist ein kleiner Kreis, der zum Vorlesewettbewerb des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums in der Murrhardter Stadtbücherei zusammenkommt. Die Jury mit Jutta Brasch, Silke Peter und Auszubildender Jessica Glauch von der Bücherei, Konrektorin Annette Zickler-Maier und den Lehrerinnen Theresa Bilharz sowie Angela Westhäußer-Kowalski und Buchhändler Christian Lätzig vom BücherABC nimmt im Lesecafé in einem Halbkreis Platz. Für die zwei Wettbewerberinnen und Klassensiegerinnen ist ein Bistrotisch vorbereitet.
Julianna Becker aus der 6a macht den Anfang. Sie hat den Roman „Wunder“ von Raquel J. Palacio mitgebracht. Er erzählt die Geschichte vom zehnjährigen Auggie, eigentlich August. Er lebt mit seiner Familie in New York und hat kein kleines Päckchen zu tragen. Ein Gendefekt hat sein Gesicht entstellt. „Er hat schon viele Operationen hinter sich“, erzählt Julianna Becker. Und nun soll er zur Schule gehen wie ein ganz normaler Junge. Die Stelle, die sie ausgesucht hat, lässt einen erahnen, wie schwer die Ausgangslage für Auggie ist. Er beschreibt, wie konzentriert die anderen wegsehen, als wäre sein Gesicht ansteckend, und es wird klar, dass ziemlich viel Mut und Witz in dem kleinen Kerl steckt. Julianna Becker, die sonst auch mal gern zu Fantasieliteratur greift, hat mit der kurzen, lebendig gelesenen Szene Lust auf den Helden und sein Abenteuer gemacht. Es gibt bereits einen Film zum Buch und die Schülerin hat ihn sich angesehen. „Und wie fandest du ihn?“, lautet die Frage aus der Jury. „Nicht ganz so gut, das Problem ist, dass man sich es beim Lesen besser vorstellen kann“, stellt Julianna Becker fest. Sprich der eigene Film war besser.
Jaqueline Konrad, die in die 6b geht, stellt „Aventurine – Das Mädchen mit dem Drachenherz“ von Stephanie Burgis vor. Zur Geschichte lässt sie wissen, dass die Heldin ursprünglich ein Drachenmädchen war, sich aber aus der Höhle der Eltern geschlichen hat und von einem Zauberer in ein Menschenkind verwandelt wurde. „Das macht sie ziemlich schwach und schutzlos, aber sie findet eine Freundin“, sagt Jaqueline Konrad. Ihre Familie sucht sie schon, allerdings steht eine Auseinandersetzung zwischen ihren Leuten und einer Königsfamilie bevor, und Aventurine muss aufpassen, nicht zwischen die Fronten zu geraten. Die Szene führt die Jury genau an diese Konfliktlinie heran. Jaqueline Konrad lässt sie plastisch werden. Aventurine versucht erst, nicht groß aufzufallen, aber als die Königlichen über ihre Spezies herziehen, outet sie sich schließlich, selbst ein Drache gewesen zu sein. Mutig, aber auch gefährlich. „Und wie geht es aus?“, will Silke Peter wissen. Die Heldin hat noch einiges zu überstehen, aber lernt später, sich sowohl in ein Drachen- als auch Menschenmädchen zu verwandeln, und die Kontrahenten verabreden einen Deal, berichtet Jaqueline Konrad, die neben Büchern mit magischen Themen auch sehr gerne Tiergeschichten liest.
Im zweiten Teil des Wettbewerbs geht es für die beiden darum, einen ihnen fremden Text vorzulesen. Silke Peter hat dafür einen kurzen Auszug aus Arno Strobels Jugendkrimi „Spy. Highspeed London“ ausgesucht. Sie verrät so viel: Dominik geht davon aus, in einem Liverollenspiel zu sein, das sein Vater für ihn organisiert hat, wird dann aber damit konfrontiert, dass der so nur versucht hat, ihn aus seinem gefährlichen Arbeitsalltag herauszuhalten. Die zwei Wettbewerberinnen müssen in eine Szene einsteigen und sie präsentieren, in der Dominik erfährt, wie anders die Vorzeichen stehen, dass sein Vater nicht nur Agent, sondern auch verschwunden ist.
Der fremde Text ist anspruchsvoll, entfaltet sich über die Dialoge
Der Abschnitt ist anspruchsvoll, die Erzählung entfaltet sich vor allem dialogisch, sodass beim Lesen sehr schnell zu erfassen ist, wer da spricht, charakterisiert wird und die Handlung weitertreibt. Mit dieser Herausforderung kommt Jaqueline Konrad besser zurecht, liest den Auszug flüssig und souverän. Das ist auch der Eindruck der Jury. „Beim Fremdtext hat Jaqueline die Nase vorn gehabt“, sagt Jutta Brasch. Konrektorin Annette Zickler-Maier gibt den beiden Schülerinnen zum Schluss noch mal Feedback und begründet die Entscheidung der Jury, Jaqueline Konrad zur Siegerin zu küren. „Die Szenen aus den ausgewählten Büchern habt ihr sehr gut gelesen. Das war gleichwertig“, sagt sie. Man sei gut in die Geschichte reingekommen und habe Lust bekommen, weiterzulesen. Julianna Becker habe sich beim Vorlesen des unbekannten Romanausschnitts zu Beginn leider etwas verhaspelt und die aufkommende Nervosität habe ihr dann einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jaqueline Konrad macht das Rennen. Sie tritt am 23. Februar zum Kreisentscheid an. Für die Walterichschule ist Lea Marie Körner mit von der Partie. Aufgrund der Coronalage findet der Vorlesewettbewerb des Kreises nicht als Präsenzveranstaltung statt. Das heißt, die Wettbewerberinnen und Wettbewerber sind aufgerufen, ihre Präsentation als Video aufzunehmen und einzusenden.