Bei der Heimkehr zählt nur das Ergebnis

Joel Gerezgiher gastiert mit Großaspachs Regionalliga-Elf beim Tabellenzweiten FSV Frankfurt, für den er als Jugendlicher und Aktiver schon am Ball war. Ein Wiedersehen mit der Familie und den Freunden hält er in Zeiten von Corona nicht für angebracht.

Bei der Heimkehr zählt nur das Ergebnis

In Frankfurt geboren, in der alten Heimat aber für Aspach am Ball: Joel Gerezgiher. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

Joel Gerezgiher macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Selbstverständlich wäre es schöner, wenn meine Familie und meine Freunde ins Stadion kommen und mir beim Spiel zuschauen könnten.“ Doch das ist derzeit eben nicht möglich. Zumal der Besuch der Bekannten und Verwandten für den Mittelfeldmann der SG Sonnenhof morgen ohnehin nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Viel wichtiger ist, dass er mit der SG Sonnenhof beim Regionalliga-Zweiten FSV Frankfurt (14 Uhr, PSD-Arena) möglichst drei Zähler holt. Schließlich hat das Kellerkind aus dem Fautenhau nichts zu verschenken, soll es nicht bis zum Schluss gegen den Abstieg gehen.

Gäb’s kein Corona und hätte die SG ein paar Punkte mehr, dann wäre Joel Gerezgiher morgen sicher mit großer Vorfreude in die Bankenmetropole gefahren. Schließlich ist er dort geboren, hat beim SV Niederursel als Steppke mit der Kickerei begonnen, ehe er nach der D-Jugend zum FSV Frankfurt wechselte. Was Wunder, wenn er vor der Rückkehr an den Bornheimer Hang sagt: „Ich freue mich, mal wieder Frankfurter Luft genießen zu können.“ Den Auftritt in der alten Heimat will er aber nicht dafür nutzen, sich kurz mit der Familie und den Freunden zu treffen. Es sei zwar bedauerlich, sagt Gerezgiher, „aber derzeit halte ich so etwas nicht für angebracht“.

Nicht nur auf dem Rasen überzeugt der feine Techniker als Denker und Lenker. Auch abseits des Spielfelds erscheint der 1,78 Meter große Mittelfeldmann als durchaus reflektierende Persönlichkeit. Eine, deren bisherige Karriere als Sportler von vielen Verletzungen begleitet war. Als Jugendlicher erst beim FSV und danach beim großen Nachbarn Eintracht Frankfurt als riesiges Talent gehandelt, warfen ihn ein Anriss der Syndesmose sowie zwei Muskelfaserrisse im ersten Profijahr zurück. Dennoch feierte er bei der Eintracht als 19-Jähriger im August 2015 sein Debüt in der Ersten Bundesliga. Viel mehr wurde es danach nicht. Auch die Ausleihe zum Ex-Verein und damaligen Zweitligisten FSV Frankfurt im Januar 2016 brachte wenig. Im Abstiegskampf hatte Coach Tomas Oral keinen Platz für den Techniker. Ähnlich erging es Joel Gerezgiher nach seiner Rückkehr zur Eintracht sowie dem Wechsel im Januar 2017 zu Holstein Kiel.

Erst beim Drittligisten Großaspach, dem sich der Mittelfeldspieler im Sommer 2018 anschloss, schien es für ihn einen Weg aus der sportlichen Sackgasse zu geben. Dort zählte er sofort zur Anfangsformation. Doch auch dort dauerte sein Glück nicht lange. Erst waren es Adduktorenbeschwerden, die den Spezialisten für Standards aus dem Tritt brachten, dann kam am 20. April 2019 in Münster kurz vor Schluss ein folgenschweres Foul. Dabei war er bei seinem Comeback nach einer viereinhalbmonatigen Verletzungspause gerade mal eine Minute auf dem Platz gewesen. Über ein Jahr kämpfte Joel Gerezgiher nach dem komplizierten Beinbruch darum, wieder Fußball spielen zu können.

Es war eine Zeit, in der es manchen Zweifel gab. Ein Loch, aus dem er aber wieder herauskrabbelte. Mittlerweile blickt er mit etwas Stolz darauf zurück und erzählt: „Für mich war es einfach wichtig, mir zu zeigen, dass ich nach einer solchen Verletzung zurückkommen kann.“ Und das nicht irgendwo, sondern bei dem Verein, der in schwieriger Zeit zu ihm gehalten hatte. „Da denke ich nicht an die Höhe der Liga. Hauptsache ist, dass ich in einer Klasse mit einem ordentlichen Niveau spielen kann“, sagt der gebürtige Hesse dazu, dass er trotz Abstieg als einer der wenigen bei der SG geblieben ist. Wobei er in den zweieinhalb Jahren im Schwabenland durchaus heimisch geworden ist. „Ich habe in der Region Freunde gefunden, fühle mich wohl, genieße die Ruhe und dass ich von meiner Wohnung in Beilstein aus richtig schön spazieren gehen kann.“

Noch wichtiger ist für ihn allerdings, dass es auf dem Fußballplatz langsam, aber sicher besser läuft. In den vergangenen zehn Partien gab es immerhin 16 Zähler. Es gab jedoch auch zwei Niederlagen. Das 0:3 kurz vor Weihnachten gegen den VfB Stuttgart II und das 0:4 in Elversberg seien Ausrutscher gewesen, ist sich Gerezgiher sicher. Bei den beiden Siegen dazwischen (2:0 in Kassel und 3:0 bei Schott Mainz) habe die Leistung gepasst. „Gegenüber dem Saisonbeginn sind wir defensiv viel stabiler und die Abstimmung passt besser“, sieht er eine positive Entwicklung des vor der Saison neu zusammengestellten SG-Kaders mit 16 zum großen Teil jungen Zugängen.

Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass er und Routinier Nico Jüllich das Team mittlerweile immer öfter im zentralen Mittelfeld in der richtigen Balance zwischen Offensive und Defensive halten. „Jetzt habe ich die richtige Fitness“, sagt Joel Gerezgiher dazu und berichtet: „Am Anfang der Runde war ich noch nicht bei 100 Prozent.“ Das wiederum ist angesichts der vorhergehenden Verletzungsgeschichte kein Wunder. Eher erstaunt, dass sich der einst eher offensiv ausgerichtete Mittelfeldmann mit seiner nun deutlich defensiveren Rolle von Woche zu Woche besser zurechtfindet – oder? „Es macht mir Spaß“, antwortet der Gelobte und sagt: „Es bringt mich zudem persönlich weiter, muss ich in der Rolle doch mehr Verantwortung übernehmen.“ Etwas schmunzelnd fügt er an: „Mittlerweile habe ich Gefallen daran gefunden, dafür zu sorgen, dass wir hinten zu null spielen. Als Zehner war es mir lieber, wenn wir 4:3 siegen. Nun tut es mir ein 1:0.“ Gerne übrigens auch heute, wenn es für den gebürtigen Frankfurter in die alte Heimat geht, ohne dass die Familie und Freunde zu Besuch kommen können.

Drei Ex-Frankfurter bei Großaspach, drei Pflichtspiele gegeneinander und zwei SG-Siege

Joel Gerezgiher ist morgen neben Trainer Hans-Jürgen Boysen und Innenverteidiger Özgür Özdemir einer von drei Aspachern, die eine Vergangenheit beim FSV Frankfurt haben. Mit Özgür Özdemir, der wie Gerezgiher in Frankfurt geboren wurde und am Bornheimer Hang als Kind sogar mit dem Fußball begonnen hat, spielte Gerezgiher in der C-Jugend sogar ein Jahr gemeinsam für den FSV. Danach wechselte zuerst Özdemir und drei Jahre später auch Gerezgiher zum großen Nachbarn Eintracht Frankfurt. Bei dem ehemaligen Deutschen Meister vom Riederwald waren beide in der A-Jugend noch einmal zwei Jahre zusammen am Ball, ehe sich ihre Wege trennte. Vor einem halben Jahr fanden die beiden nun in Großaspach wieder zusammen. Ein Einsatz von Özdemir in Frankfurt ist aber fraglich. Die Patellasehne des 26-jährigen Abwehrspielers ist gereizt.

Als Hans-Jürgen Boysen Trainer des FSV Frankfurt war, ging es für den morgigen SG-Gegner noch in der Zweiten Bundesliga um Punkte. Zwischen Oktober 2009 und Dezember 2011 hatte der ehemalige Bundesliga-Verteidiger (KSC und 1. FC Saarbrücken) als Nachfolger von Tomas Oral in Frankfurt das Sagen. Zweimal gelang dem Fußballlehrer mit den Frankfurtern der Klassenverbleib, ehe er seinen Platz für Benno Möhlmann räumen musste. Zur Partie mit seinem Ex-Klub sagt Großaspachs Trainer: „Wir haben am Samstag die hoch spannende Aufgabe, beim Tabellenzweiten antreten zu dürfen. Es geht in einem tollen Stadion gegen einen Verein, den ich in der Vergangenheit bereits selbst coachen durfte. Das alles sind natürlich hochmotivierende Punkte.“

Bislang trafen die SG Sonnenhof Großaspach und der FSV Frankfurt dreimal in Pflichtspielen aufeinander. Die beiden Drittliga-Vergleiche in der Saison 2016/2017 gingen jeweils mit 3:1 an die Mannschaft aus dem Fautenhau. Im DFB-Pokal war es dagegen die SG Sonnenhof, die das Duell verlor. Am 17. August 2012 unterlag das Team um Trainer Rüdiger Rehm in der ersten Runde im eigenen Stadion gegen den damaligen Zweitligisten trotz 1:0-Führung am Ende mit 1:2.