Entwicklungsdienstleister will von Autobranche unabhängiger werden. Das Ausland wird wichtiger.
Bertrandt sieht sich auf einem guten Weg.
Von Ulrich Schreyer
Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt AG in Ehningen bei Böblingen will von der Autobranche unabhängiger werden. Dies erklärte Finanzvorstand Markus Ruf. In deren Umfeld herrsche immer noch eine große Unsicherheit, was sich auch auf Bertrandt auswirke.
Die Zollpolitik der USA und kurzfristige Sparprogramme der Autohersteller hätten zu Verzögerungen bei der Vergabe von Aufträgen geführt. In das Geschäftsjahr 2024/2025, das am 30. September 2025 endete, sei man mit Zuversicht gestartet. Die erwartete „Normalisierung“ bei der Vergabe von Projekten sei jedoch ausgeblieben. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben einiger Kunden seien bis September prozentual zweistellig gesunken. Dies sei jedoch eher ein temporärer Aspekt.
Hoffnung auf Volvo-Aufträge
Der Trend zur Verlagerung von Entwicklungsaufgaben ins Ausland dürfte bei den Autoherstellern dagegen anhalten. Seit dem vergangenen Geschäftsjahr kann sich das Unternehmen Hoffnung auf Aufträge von Volvo Cars machen. Mit den Autobauern macht das Ehninger Unternehmen fast 90 Prozent seines Umsatzes. Bis zum Jahr 2027 solle deren Anteil auf 75 Prozent sinken. Man komme bereits jetzt schrittweise voran, sagte Ruf.
Als wachsende Geschäftsfelder sieht der Vertriebsvorstand Michael Lucke etwa Luft- und Raumfahrt, Verteidigung und Medizintechnik. In der Luft- und Raumfahrt sowie im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich rechnet das Unternehmen mit zweistelligen Wachstumsraten. Hoffnung wird auch auf Aufträge bei der Entwicklung neuer Passagierflugzeuge gesetzt. Von Zeiss erhielt das Unternehmen die Einstufung als „strategischer Partner“ bei der Weiterentwicklung von Halbleitertechnologien.
Nach einem erheblichen Abbau von Stellen gibt es nach den Angaben von Ruf keine großen Programme zum Abbau von Arbeitsplätzen mehr. Etwa 500 Beschäftigte seien aber immer noch in Kurzarbeit. Die Kapazitäten seien zu 88 Prozent ausgelastet. Dies sei kein ausreichendes Niveau, sagt Ruf.
Im vergangenen Geschäftsjahr wurde die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 14 028 auf 12 185 Ende September, also um mehr als 1800 reduziert. Umfangreiche Streichungen hatte es in Tappenbeck bei Wolfsburg gegeben, wo für Volkswagen gearbeitet wurde.
Geschlossen wurde das Prüf- und Testzentrum in Nufringen bei Böblingen. Dagegen hatte es heftige Proteste gegeben. Etwa 8000 Beschäftigte sind im Inland für Bertrandt tätig, 4000 arbeiten im Ausland. Dort hat das Unternehmen unter anderem Standorte in Rumänien, Spanien, China und Marokko.
Zahl der Beschäftigten könnte wachsen – im Ausland
Nach früheren Aussagen von des Finanzvorstands könnte die Zahl der Beschäftigten im Ausland in drei bis fünf Jahren auf 6000 bis 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigen. Zum Umsatz trägt das Ausland etwa 24 Prozent bei. Dieser Anteil könnte nach den Worten von Ruf in den nächsten Jahren auf 40 Prozent wachsen. Damit folgt Bertrandt wie schon bisher der Autoindustrie. Diese legt Wert auf Entwicklungskapazitäten an ihren ausländischen Standorten.
Die Gesamtleistung des Entwicklungsdienstleisters sank im vergangenen Geschäftsjahr um 18 Prozent auf 978 Millionen Euro. Durch Kosteneinsparungen wurde das Ergebnis vor Steuern und Zinsen deutlich verbessert, blieb aber im roten Bereich. Das Ebit lag bei Minus 38 Millionen Euro nach Minus 98 Millionen Euro im Jahr zuvor.
Damit schrieb Bertrandt das zweite Jahr in Folge rote Zahlen. Die Eigenkapitalquote von 42 Prozent der Bilanzsumme und wird als solide beurteilt. Eine Dividende wird nicht bezahlt.
Für das Geschäftsjahr 2025/2026 gibt sich Bertrandt verhaltend optimistisch und rechnet mit einer Verbesserung der Vergabe von Projekten durch seine Kunden. Erwartet wird auch ein positives Ergebnis vor Zinsen und Steuern, also schwarze Zahlen. Dies werde sich auch auf die künftige Dividendenpolitik auswirken.
Es sei, „das klare Ziel des Konzerns, in einem normalisierten Marktumfeld mittelfristig eine Ebit-Marge von sechs bis neun Prozent zu erzielen“, erklärte Ruf.