Die Grünen treffen sich zum Bundesparteitag. Doch die wichtigen Fragen werden dort ausgespart.
Von Eidos Import
Sie wollen jetzt mal klar Schiff machen. So vielleicht kann man das Programm verstehen, das sich die Grünen für ihren Bundesparteitag am Wochenende in Hannover vorgenommen haben. Es geht um viele Fragen, denen sich die Partei lange nicht mehr gestellt hatte – um ihre eigene Struktur, um den Nahost-Konflikt, die Zukunft der Energiewende, ihre Kommunalpolitik. Das sind wichtige Themen. Aber zugleich fragt man sich, ob den Grünen eigentlich klar ist, in welcher Lage sie stecken. Das Programm für diesen Parteitag wirkt, als hätte sich die Partei in Hannover verabredet, um endlich mal ihren Keller aufzuräumen – während es gerade durchs Dach regnet.
Seit 2023 haben die Grünen eine Landtagswahl nach der anderen verloren. Sie sind nicht nur aus Regierungen, sondern auch aus Parlamenten geflogen. Die Bundestagswahl endete für sie mit einer Enttäuschung. Und nächstes Jahr werden Landesparlamente in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gewählt.
Wenn die Grünen nicht noch tiefer in die Krise geraten wollen, muss ihnen im Dauerwahljahr 2026 irgendeine Form von Aufwärtssignal gelingen. Doch in allen Umfragen sieht es bisher so aus, als würde das schwierig bis unmöglich werden. Zumal die Landesverbände von den Ultra-Realos in Baden-Württemberg bis zu den Super-Linken in Berlin so verschieden ticken, dass es für die Bundespartei kaum möglich ist, dabei eine klare Linie vorzugeben.
Die Grünen kämpfen dabei auch gegen das, was sie einst in den Umfragen nach ganz oben gebracht hat: den Zeitgeist. Für ein paar Jahre war der Klimawandel die beherrschende Frage – und die Grünen waren die einzige Partei, der die Wähler zutrauten, damit umzugehen. Doch seitdem hat sich die Stimmung gedreht. Und in anderen Bereichen, etwa Wirtschafts- oder Sozialpolitik, trauen ihnen die Wähler nur wenig zu. Um das zu ändern, haben die Grünen zuletzt viel Zeit und Energie in neue Konzepte gesteckt. Sie schrieben seitenweise Analysen, widmeten sich Reformen und Prozessen, riefen Kommissionen ins Leben, veranstalteten einen Ostkongress. Nichts davon hat gezündet.
Das hat im Wesentlichen drei Gründe: Erstens hat bis heute niemand die Lücke gefüllt, die Annalena Baerbock und Robert Habeck nach ihrem Rückzug aus der deutschen Politik an der Spitze der Partei hinterlassen haben. Weder den aktuellen Bundesvorsitzenden noch den Fraktionschefinnen ist das gelungen. Aber Politik lebt eben auch von prominenten Gesichtern. Zweitens hat die Marke der Grünen während ihrer Regierungszeit stark gelitten. Vielen Wählern ging ihre Klimapolitik zu weit, anderen nicht weit genug. Die Grünen haben einen Spagat versucht, der ihnen auf allen Seiten geschadet hat – und noch viel mehr, da sie inzwischen einem unverhältnismäßigen Hass ausgesetzt sind. Daraus folgt nun, drittens, eine ständige Angst vor Verhetzung in der Partei. Man versucht, bloß keine Fehler zu machen. Doch wer nie aneckt, dringt auch nur selten durch.
Und so wirkt auch das Programm in Hannover: bitte nichts, was wehtut. Gegen die Vorschläge zur Energiewende kann man nichts sagen, bei der Nahost-Debatte drohen keine bösen Überraschungen, und die Idee, Kommunen zu stärken, finden alle gut.
Die großen Fragen spart dieser Parteitag aber aus. Von Hannover wird wohl kein großer Impuls für die Grünen ausgehen. Wenn die Delegierten am Sonntag wieder abreisen, werden sie einen gut sortierten Keller hinterlassen. Die Frage ist, ob das reicht, um im Dauerwahljahr zu bestehen – und natürlich, wann sich mal jemand um das Dach kümmern will.