Konflikt um Halbleiter

Brüssels Fehlstart beim Wettlauf um die Chip-Produktion

Der Konflikt mit Nexperia zeigt die EU-Abhängigkeit von Halbleitern aus China. Brüssel will das ändern, aber die Umsetzung des EU-Chips-Acts läuft nicht rund.

Brüssels Fehlstart beim Wettlauf um die Chip-Produktion

Die Produktion von Halbleitern ist ein komplexer Ablauf. Hier gehen Mitarbeiter von Nexperia durch sogenannte Reinräume.

Von Knut Krohn

Die frohe Botschaft von Maros Sefcovic klingt eher wie ein ängstliches Pfeifen im Walde. Im Streit über ausbleibende Chiplieferungen des für die Autoindustrie wichtigen Zulieferers Nexperia gebe es ermutigende Fortschritte, betont der EU-Handelskommissar. Das chinesische Handelsministerium wolle das Ausfuhrverfahren für Nexperia-Chips weiter vereinfachen. Doch auch mit dieser Ankündigung ist die Gefahr von Produktionsengpässen bei den Fahrzeugherstellern nicht gebannt.

Hintergrund des Streits ist in diesem Fall die Entscheidung der niederländischen Regierung vom 30. September, Nexperia wegen Bedenken gegenüber der chinesischen Muttergesellschaft Wingtech unter staatliche Kontrolle zu stellen. Kurz darauf hatte Peking Exportbeschränkungen für bestimmte Nexperia-Chips verhängt, die auch europäische Autohersteller treffen.

Fatale Abhängigkeit von China

Aber auch wenn der Streit bald beigelegt werden sollte, bleibt die beunruhigende Erkenntnis einer fatale Abhängigkeit Europas von China in diesem sensiblen Bereich. Gezeigt hat sich zudem, dass die hochtrabenden Pläne der EU, in den kommenden Jahren bei der Produktion von Halbleitern zu einem Global Player aufzusteigen, schon im Ansatz steckengeblieben sind.

Im September 2023 hatte die Europäische Kommission zu diesem Zweck den EU-Chip-Act ins Leben gerufen. Auslöser waren damals die Erfahrungen aus der Corona-Krise, als ganze Lieferketten zusammenbrachen. Die Erwartungen an das Projekt waren nicht nur in Brüssel überaus hoch. Erklärtes Ziel war es, den europäischen Marktanteil an der Chipproduktion auf der Welt bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln. Hochtrabend war von einer „digitalen Dekade“ die Rede. Damit sollten die Versorgungssicherheit, Resilienz und technologische Souveränität der EU im Bereich der Halbleiteranwendungen und damit zusammenhängender Technologien gewährleistet werden.

Doch schnell zeigte sich, dass es nicht reicht, kühne Pläne zu schmieden und dafür viele Milliarden Euro in die Hand zu nehmen. Ein sichtbarer und für Deutschland schmerzhafter Rückschlag war etwa der Rückzug des US-Konzerns Intel in Magdeburg – trotz der massiven Förderungszusagen aus Berlin. Das Unternehmen wollte dort 30 Milliarden Euro in den Bau einer neuen Chipfabrik investieren.

Kühne Pläne allein genügen nicht

Wie weit die Pläne der EU hinter der Realität hinterherhinken, offenbart sich in einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes. Darin stellen die Prüfer lapidar fest: „Die EU wird wohl kaum wie geplant bis 2030 einen Anteil von 20 Prozent am Weltmarkt für Mikrochips erreichen.“ Es seien „akzeptable Fortschritte“ erzielt worden, heißt es in dem Bericht aus Luxemburg, aber offensichtlich sei die rasante Entwicklung in diesem Zukunftsbereich von den Planern in der EU-Kommission sträflich unterschätzt worden.

Die EU investiert zu wenig Geld in dem Bereich

Ein Grund für das Schneckentempo ist die finanzielle Ausstattung des Chips-Acts. Mit 4,5 Milliarden Euro finanziert die EU-Kommission bis 2030 mögliche Projekte. Das hört sich beeindruckend an, erscheint angesichts der Relationen aber eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn den Löwenanteil der in dem Programm vorgesehenen Mittel von rund 86 Milliarden Euro muss nach Angaben des Rechnungshofes von den EU-Staaten und der Industrie bestritten werden. Diese Summe ist allerdings eher dem Wunschdenken der EU-Kommission entsprungen, denn Brüssel hat auf diese Investitionen keinen Einfluss. Das Missverhältnis wird noch deutlicher, wenn zum Vergleich die Investitionen der weltweit führenden Chip-Hersteller herangezogen werden. Die haben nach Angaben der Luxemburger Behörde allein in den Jahren 2020 bis 2023 deutlich über 400 Milliarden Euro investiert, was die finanzielle Schlagkraft des Chip-Gesetzes minimal erscheinen lasse.

In den Augen des Rechnungshofes waren die Annahmen der EU-Kommission auch bei der Einschätzung der Entwicklung anderer Schlüsselfaktoren zu optimistisch. So wirkten sich die Abhängigkeit Europas von Rohstoff-Importen, die hohen Energiekosten, Umweltbelange, geopolitische Spannungen und Ausfuhrkontrollen sowie der Fachkräftemangel negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Außerdem bestehe die Mikrochip-Industrie in der Europäischen Union aus wenigen großen Unternehmen, sodass der Misserfolg einzelner Projekte erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis habe. Was das konkret heißt, zeigt sich an dem abgeblasenen Projekt in Magdeburg.