Desinformationskampagne

Hybride Angriffe: Russischer Botschafter einbestellt

Falschnachrichten, Fake-Videos und eine Hacker-Attacke: Die Bundesregierung ordnet Russland hybride Angriffe unter anderem auf den Bundestagswahlkampf zu - und fasst Konsequenzen ins Auge.

Hybride Angriffe: Russischer Botschafter einbestellt

Nach Überzeugung der Bundesregierung gehen die Attacken auf das Konto des russischen Militärgeheimdienstes GRU.

Von Von Anne-Beatrice Clasmann, Sascha Meyer und Jörg Blank, dpa

Berlin - Annalena Baerbock und der Gigolo, Friedrich Merz und das Eisbärenbaby, Stimmzettel und die AfD: Die Bundesregierung wirft Russland Falschinformationen im Bundestagswahlkampf und eine massive Cyberattacke vor. Die "gezielte Informationsmanipulation" reihe sich in eine Serie von Aktivitäten ein, die das Ziel hätten, das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse in Deutschland zu untergraben, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit. Der russische Botschafter sei daher ins Ministerium einbestellt worden.

Nach Überzeugung der Bundesregierung gehen die hybriden Angriffe auf das Konto des russischen Militärgeheimdienstes GRU. So könne ein Cyberangriff gegen die Deutsche Flugsicherung (DFS) im August 2024 klar der russischen Hackergruppe "Fancy Bear" zugeordnet werden, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts: "Unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse belegen, dass der russische Militärgeheimdienst GRU die Verantwortung für diesen Angriff trägt."

Die DFS hatte nach dem Angriff auf Nachfrage mitgeteilt: "Unsere Bürokommunikation wurde gehackt, wir befinden uns derzeit in den Abwehrmaßnahmen." Man versuche, die Auswirkungen auf ein Minimum zu begrenzen. Der Flugverkehr sei nicht betroffen und laufe normal weiter.

Aufwendig gemachte Desinformation

Zum anderen könne man nun verbindlich sagen, dass Russland mit der Kampagne "Storm 1516" versucht habe, "sowohl die letzte Bundestagswahl als auch fortlaufend die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen und zu destabilisieren", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts. Er verwies auf belastbare Informationen deutscher Sicherheitsbehörden, dass dahinter Organisationen stünden, die vom GRU unterstützt würden.

Verleumderische Kampagnen gegen Habeck und Merz

Die Kampagne "Storm 1516" läuft seit 2024. Sie zielt vor allem auf die Beeinflussung von Wahlen in westlichen Ländern ab. In einer Gemeinschaftsaktion hatten der deutsche Auslandsgeheimdienst Bundesnachrichtendienst (BND) und das für Spionageabwehr im Innern zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz zwischen Juli 2024 und Juli 2025 zehn Veröffentlichungen in Sozialen Medien wie X oder Telegram untersucht. 

Im Fokus standen vor der Bundestagswahl unter anderem der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck und der damalige Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU). Um sie in Misskredit zu bringen, wurden unter anderem falsche Zeugenaussagen produziert und ins Netz gestellt sowie Websites mit erfundenen Inhalten aufgesetzt. 

Zwei Tage vor der vorgezogenen Wahl vom 23. Februar 2025 hatte die Bundesregierung mitgeteilt, die deutschen Sicherheitsbehörden hätten Hinweise, dass Fake-Videos über angebliche Manipulationen bei Stimmzetteln Teil einer russischen Desinformationskampagne seien.

Die Vorgänge im Einzelnen: 

BND-Präsident Martin Jäger erklärte, Moskau wolle europäische Demokratien destabilisieren und Gesellschaften spalten und einschüchtern. "Wir müssen unsere Gegner konfrontieren, wo immer dies nötig ist", fügte er hinzu. BfV-Präsident Sinan Selen sagte, die Kampagne "Storm 1516" zeige sehr konkret, wie die demokratische Ordnung angegriffen werde. Das "Desinformations-Ökosystem" umfasse prorussische Influencer mit hoher Reichweite, Verschwörungsideologen und rechtsextremistische Milieus, die über ihre Kanäle russische Falschinformationen verbreiteten. 

Hybride Angriffe haben zugenommen

Die Bundesregierung beobachtet nach eigenen Angaben seit geraumer Zeit eine Zunahme hybrider Bedrohungen durch Russland. Unter hybrider Kriegsführung wird eine Kombination aus militärischen, wirtschaftlichen, geheimdienstlichen und propagandistischen Mitteln verstanden, mit der auch die öffentliche Meinung beeinflusst werden kann, auch staatlich gelenkte Cyberattacken zählen dazu.

Das Auswärtige Amt teilte mit, die Bundesregierung werde in enger Abstimmung mit europäischen Partnern eine Reihe von Gegenmaßnahmen ergreifen, um Russland "einen Preis für sein hybrides Agieren aufzuzeigen". Auf europäischer Ebene unterstütze man zudem neue Sanktionen gegen einzelne Akteure. Dazu zählten etwa Einreisesperren für bestimmte Personen und das Einfrieren von Vermögenswerten. 

Es sei gut, dass die Sicherheitsbehörden nun die Spuren nach Russland glasklar aufgedeckt hätten, sagte die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner. Es reiche aber nicht aus, den Botschafter einzubestellen. Die Bundesregierung müsse in Zukunft "viel konsequenter gegen Kampagnen vorgehen, die im Auftrag Russlands Lügen verbreiten, um unsere Gesellschaft zu spalten". Ein weiterer notwendiger Schritt wäre es, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte für die Ukraine nutzbar zu machen, damit diese ihre Verteidigungsfähigkeit stärken könne.