„Dachte immer, das sind faire Sportsleute“

Den Backnanger Luis Oliveira ärgert, dass der FSV Waiblingen seinem Sohn und fünf anderen B-Jugend-Fußballern die Freigabe für einen Wechsel nach Großaspach und Freiberg verweigert. Die Spieler sind bis zum 1. November gesperrt und damit bald ein Jahr ohne ein Punktspiel.

„Dachte immer, das sind faire Sportsleute“

Für sechs 14- und 15-Jährige, die vergangene Saison in der C-Jugend des FSV Waiblingen kickten, ruht der Ball zwangsweise bis 1. November. Der Klub aus dem Remstal hat die Jungs gesperrt, weil sie in die U16 nach Großaspach sowie Freiberg wechseln. Foto: T. Sellmaier

Von Uwe Flegel

Sehnsüchtig blickten die 14- und 15-Jährigen auf das Geschehen auf dem Platz. Zu gern wären die Jungs dabei gewesen, als sich die U-16-Fußballer der SG Sonnenhof Großaspach und des SGV Freiberg in der Landesstaffel Nord gegenüberstanden. Durften die sechs aber nicht. Ihr Pech ist, dass sie bis zu diesem Sommer für den FSV Waiblingen am Ball waren und der ihnen die Freigabe für einen Vereinswechsel verweigert. Damit sind sie bis zum 1. November auf Eis gelegt. Nach der langen Pause wegen Corona sind sie damit demnächst nun ein komplettes Jahr ohne Punktspiel.

„Ich habe immer gedacht, das wären faire Sportsleute, aber da muss ich meine Meinung wohl ändern“, urteilt Luis Oliveira, Vater eines betroffenen Jugendlichen, darüber, dass sein Sohn Tiago und die anderen fünf wohl noch weitere vier Wochenenden zur Zuschauerrolle verdammt sind. Der Waiblinger Jugendleiter Sandro Palmeri kann die Vorwürfe des ehemaligen Landesliga-Spielers der TSG und des FC Viktoria Backnang nicht unbedingt verstehen und sagt dazu, dass die Verbandsbestimmungen bei einem Vereinswechsel dem abgebenden Klub eben die Möglichkeit geben, dem Spieler die Freigabe für den neuen Verein zu erteilen – oder auch nicht. Und: „Wir haben eben nicht zugestimmt.“ Was nun dafür sorgt, dass die Nachwuchskicker in den ersten sechs Punktspielen außen vor bleiben. Sowohl die drei, die von Waiblingen nach Freiberg gegangen sind, wie die drei, die sich Großaspach angeschlossen haben.

Palmeri: „Sie wussten, auf was sie sich einlassen, wenn sie zu uns wechseln“

Palmeri sagt, dass die Nichtfreigabe der Jungs, die vergangene Saison für den FSV in der C-Jugend-Regionalliga am Ball waren, nicht das normale Vorgehen seines Vereins sei. „Es geht rein um die U 16“, sagt der 46-Jährige, der bei den Remstalern stellvertretender Abteilungsleiter der Fußballer und als Jugendabteilungsleiter auch Kopf der dortigen Fußballakademie ist. Allen anderen Spielern, die sich neue Ziele gesucht haben, sei die Freigabe erteilt worden. Warum Unterschiede gemacht werden, erklärt der Waiblinger damit, dass sein Verein festgelegt habe, dass Jungs, die zu Teams wechseln, die in derselben Klasse spielen wie die Waiblinger B-Jugend, also in der Landesstaffel, bis 1. November gesperrt werden. Wobei dieses Datum nicht die Klubs festlegen, sondern vom WFV vorgegeben ist.

Den Ärger der Eltern und Kids, von denen zwei aus der Region Backnang stammen, kontert Palmeri mit dem Hinweis: „Sie wussten, auf was sie sich einlassen, wenn sie zu uns wechseln.“ Die Wechselmodalitäten seien vor der vergangenen Saison angesprochen worden, so der FSV-Verantwortliche. Eine Behauptung, die Oliveira etwas überrascht. Er hat das Gespräch vor nicht ganz eineinhalb Jahren so nicht in Erinnerung. Deshalb hat der Backnanger erwartet, dass sein Sohn ähnlich problemlos wie er im Sommer 2020 vom Juniorteam Sulzbach/Oppenweiler gekommen ist, nun von Waiblingen auch wieder gehen kann. Jetzt entpuppt sich das, was auf dem Hinweg eine gerade und glatte Straße war, aber als Strecke mit fallenähnlichen Schlaglöchern. Jetzt lernt ein ehemaliger Offensivkönner, der viele Jahre in der damals fünfthöchsten Spielklasse hierzulande sehr viele schwierige Situationen auf dem Platz problemlos umdribbelt hat, dass auch ein alter Hase wie er mit seinen 46 Jahren im heutigen Fußballgeschäft noch nicht alles kennt.

Wobei der einstige Offensivmann, der sich nach seiner Aktivenzeit jahrelang erst beim FCV und dann bei Oppenweiler/Sulzbach als Jugendtrainer engagierte, auf diese Erfahrung gerne verzichtet hätte. Zumal er vorrechnet: „Mein Sohn hat effektiv nur etwas mehr als vier Monate mit der Mannschaft trainiert.“ Mehr machte erst Corona und dann eine Handverletzung nicht möglich. Zudem hätten insgesamt nur sieben Regionalliga-Spiele stattgefunden, in denen der 14-jährige Backnanger wenig Einsatzzeit hatte. Für Oliveira ist es auch deshalb ein Unding, dass der FSV nach zwei Coronajahren überhaupt auf die Idee kommt, die Jungs noch länger am Kicken zu hindern: „Die mussten doch schon genug leiden.“ Auch deshalb hat er sich an unsere Zeitung gewandt und war als Einziger der betroffenen Eltern und Jugendlichen einverstanden, dass sein Name genannt werden darf. Zumal „ich Sandro Palmeri, den ich schon seit sechs, sieben Jahren kenne und mit dem ich gut klargekommen bin, ins Gesicht gesagt habe, dass ich seinen Verein hier im Raum Backnang niemandem empfehlen kann“.

Kein billiges Vergnügen und dafür nun auch noch Ärger

Kosten Eltern, die wollen, dass ihre Söhne oder Töchter beim FSV Waiblingen kicken, müssen eine für Fußballverhältnisse vergleichsweise stolze Summe berappen. 32 Euro pro Monat, also knapp 400 Euro im Jahr, verlangt der Verein als Beitrag von jedem Spieler. Dabei wird zwischen einem sechsjährigen Bambinikicker und einem ausgewachsenen A-Jugendlichen nicht unterschieden. Insgesamt hat der Klub von der A- bis zur E-Jugend elf Teams für die neue Saison gemeldet. Dazu kommen noch Teams im Altersbereich der F-Jugend sowie der sogenannten Bambinis.

Niveau Bis zur C-Jugend gelten die Waiblinger als einer der besseren Vereine im Ländle. In der C-Jugend spielt der FSV sogar in der höchsten deutschen Liga, der Regionalliga Süd. Entsprechend fleißig schaut sich der FSV frühzeitig bei anderen Vereinen im und außerhalb des Rems-Murr-Kreises nach Talenten um. Ab der B-Jugend haben die Remstaler allerdings schon seit Jahren Probleme, dieses Niveau zu halten. Die U 17 spielt in der Landesstaffel, in dieser Altersgruppe nur die vierthöchste Liga. Die A-Jugend ist sogar nur in der Bezirksstaffel beheimatet. Das sorgt fast jedes Jahr dafür, dass viele Spieler beim Wechsel von der C- in die B-Jugend weiterziehen. Eventuell auch, weil in der sogenannten U 15 kaum ein Spieler dabei ist, der beim FSV mit dem Fußball begonnen hat. Vom Regionalliga-Team der Vorsaison sollen nur 2 von 18 Spielern geblieben sein. 6 der Abgänge erhielten keine Freigabe.

Kritik Es ist nicht das erste Mal, dass der Verein aus der Kreishauptstadt, dessen erste Aktivenmannschaft in der Bezirksliga beheimatet ist, sich Vorwürfe aus der Elternschaft gefallen lassen muss. Das letzte Mal wurde Mitte März dieses Jahres in der Waiblinger Kreiszeitung öffentlich Kritik laut. Eltern warfen dem Klub vor, „weggeschaut zu haben, als vor allem ein Trainer seine Stellung ausgenutzt habe, um Spieler über Gebühr unter Druck zu setzen und durch sein Vereinsengagement finanziell auch noch darüber hinaus zu profitieren“. Dabei ging es um den E-Jugend-Bereich. Der Verein bezeichnete die Vorwürfe als „Unterstellungen“. Die Kritiker damals waren der Zeitung namentlich bekannt, baten aber „um Anonymität in der Berichterstattung“.

Kontrahenten Unsere Zeitung hat auch die SG Sonnenhof Großaspach zu den drei Zugängen ohne Freigabe befragt. Der Verein aus dem Fautenhau wollte dazu aber keine Stellung beziehen. Ähnliches gilt für den Vater des zweiten betroffenen Ex-Waiblingers aus dem Murrtal, der in die U 16 der SG wechselte. Er äußerte sich wie Luis Oliveira, wollte aber nicht, dass sein Name genannt wird oder seine Aussagen zitiert werden.