Damit es nicht doch am Geld scheitert

Vorstand und Team der Volkshochschule Murrhardt haben sich gefragt, warum Hauptschüler das Prüfungsvorbereitungsangebot bisher nicht angenommen haben. Stadträtin Elisabeth Zenker entschließt sich zu einem ungewöhnlichen Schritt und sponsert es.

Von Christine Schick

MURRHARDT. Bei der Volkshochschule Murrhardt gehören sie dazu: Die Kurse für Schüler, mit denen sie sich noch mal gezielt auf die Abschlussprüfungen vorbereiten können. Allerdings war es bis zu diesem Semester so, dass diese nur von Gymnasiasten und Realschülern angenommen wurden, die Kurse für Hauptschüler kamen bisher nicht zustande. „Wir haben es mehrmals versucht, aber es hat nicht geklappt“, erzählt Volkshochschulleiterin Birgit Wolf.

Dies war auch im Vereinsvorstand Thema. Der diskutierte, woran es denn liegen und was sich vielleicht als Hilfe erweisen könnte. Eine Überlegung war, dass vielleicht die Gebühr, sprich die Kosten eine Rolle spielen. Elisabeth Zenker, die als Stadträtin für die SPD-Fraktion im Vorstand der Volkshochschule sitzt, wurde hellhörig und sagte zu, sich nach Sponsoren für den Prüfungsvorbereitungskurs in Mathematik umzutun. „Die Idee war, das auszuprobieren, um zu wissen, ob es wirklich an den Kosten liegt“, erläutert Birgit Wolf. Zwar lief alles dann doch etwas anders, aber durchaus mit Erfolg. Weil Elisabeth Zenker das Thema eine Herzensangelegenheit ist und eine ursprüngliche Idee scheiterte, entschloss sie sich, das Seminar für die Hauptschüler selbst über eine Spende von rund 670 Euro zu finanzieren.

Martina Mayer, Rektorin der Walterichschule, wurde mit ins Boot geholt, sodass die Neuntklässler informiert und motiviert werden konnten. Es waren sieben Jugendliche aus Murrhardt und zwei aus Sulzbach an der Murr, die sich dann in den Pfingstferien zum Kurs mit acht Terminen anmeldeten. Da dies in einer Zeit lag, in der die Coronainfektionszahlen hoch waren und es Einschränkungen gab, konnten auch nur neun Schüler teilnehmen, obwohl noch ein Mädchen und ein Junge dazustoßen wollten. Raumgröße und Abstände waren hier die entscheidenden Kriterien. Der Dozent ist selbst ein erfahrener Lehrer an der Gemeinschaftsschule in Winnenden, und nach der Wahrnehmung von Birgit Wolf war der Kurs von einem intensiven, gemeinsamen Arbeiten geprägt – dank der überschaubaren Gruppe.

Die Gruppengröße ist auch für Martina Mayer ein wichtiger Punkt. „Ich fand die Initiative und das Angebot super“, sagt sie. Als klar gewesen sei, dass der Kurs kostenlos angeboten werden konnte, seien die Klassenlehrer gezielt auf diejenigen Schüler zugegangen, für die sie solch eine Unterstützung als wichtig erachtet haben. Die Rektorin kann sich vorstellen, dass für Familien der finanzielle Aspekt durchaus eine Rolle spielt. Normalerweise ist sie nicht unbedingt Anhängerin von kostenlosen Angeboten, denn letztlich sollte sich deren Wert ebenfalls in einer Gegenleistung widerspiegeln. Aber, um die Jugendlichen zu unterstützen, mache das einfach Sinn, und man habe so auch leichter auf die Eltern zugehen können. Die Bedingungen durch Lockdowns und Fernunterricht waren nicht die einfachsten. Der Präsenzunterricht, das direkte Feedback und das gemeinsame Üben seien für die Jugendlichen wichtig, und all das ist bekanntlich wegen Corona zu kurz gekommen. Abgesehen davon, dass es ermüdend sei, den Unterricht auf dem Handy zu verfolgen und im schlechtesten Fall außerhalb des Hauses nach Empfang zu suchen und Schulunterlagen an öffentlichen WLAN-Zugängen herunterzuladen, weil das Datenvolumen erschöpft ist. Einen Fernunterricht für fünf Kinder zu stemmen, sei extrem schwer, erläutert Martina Mayer zu den problematischen Bedingungen für manche Familien.

Klar ist, dass da ein Prüfungsvorbereitungskurs von rund einer Woche nicht alles nachholen kann, aber für die Rektorin ist er ein wichtiges Angebot, besonders auch mit Blick auf das Fach Mathematik. In Englisch und Deutsch ließen sich die Inhalte etwas besser auf den aktuellen Stoff eingrenzen, bei Mathematik bauten die Inhalte stärker aufeinander auf und das Üben spiele eine wichtige Rolle. Wenn sie sich etwas wünschen könnte, wäre das ein künftiges Angebot, „das so günstig wie möglich ist und mit so kleinen Gruppen wie möglich“ arbeitet. Hat der Kurs den Schülern bei der diesjährigen Abschlussprüfung in Bezug auf die Noten etwas gebracht? Das ist für Martina Mayer kaum abschätzbar. Nicht nur, weil sie keinen Vergleich hat, wie es für die Einzelnen ohne Kurs gelaufen wäre, sondern auch, weil die Prüfungsaufgaben unerwartet textlastig und insofern nicht leicht für die Schüler waren.

Elisabeth Zenker ist froh über ihren Entschluss, den Kurs durch ihre Spende ermöglicht zu haben und hofft, wie Birgit Wolf, dass es im nächsten Jahr weitergehen kann. „Mein Mann hat oft gesagt, Hauptschüler werden ein Stück weit vergessen“, erzählt sie. Was aus ihrer Sicht die Prüfungssituation für die Jugendlichen zusätzlich schwer macht, ist, dass sie noch jünger sind. Sie kann es den 15- oder 16-Jährigen nicht verdenken, wenn sie beispielsweise Fragen zu Beziehung und Make-up umtreiben und Mathematik da eher in den Hintergrund rückt.

Elisabeth Zenker ist außerdem durch ihre Biografie fürs Thema sensibilisiert. Als Mädchen mit fünf Geschwistern und Eltern, die im Alltag nicht groß die Möglichkeit hatten, sie zu fördern, ging sie zunächst in die Hauptschule. „Meine Eltern haben mich nicht gebremst, aber manches war schon mühsam“, erinnert sie sich. Allein Ruhe zum Lernen zu finden. Aber immer wieder gab es engagierte Lehrer, die sie unterstützten, und so konnte sie nach Wirtschaftsschule und dem Wechsel aufs Wirtschaftsgymnasium in Backnang ihr Abitur ablegen. Nach der eigenen Familiengründung mit drei Kindern war es schlichtweg die Voraussetzung, um zu studieren. Nur Hausfrau zu sein, „war nicht der Heuler“ und trotz der Schwierigkeit, die Kinderbetreuung gestemmt zu bekommen, hat Elisabeth Zenker ein Studium der Psychologie an der Universität Tübingen aufgenommen. Nach dem Abschluss, den sie nach rund zehn Jahren in der Tasche hatte, trat sie ihre erste Stelle 1997 in einem Fachkrankenhaus im sächsischen Großschweidnitz an. In den neuen Bundesländern waren Frauen im Berufsleben im Vergleich präsenter. „Im Osten hatten sie kein Problem mit meinem Lebenslauf“, erzählt sie. Während ihrer Berufstätigkeit in Klinik und Maßregelvollzug hat sie nicht nur viel Erfahrung gesammelt, sondern ihr Blick hat sich auch dafür geschärft, dass die Umgebung, in der Menschen groß werden, wichtige Weichen stellt. Klare Strukturen innerhalb der Familie sieht sie dabei genauso als Hilfe wie Bildung, wenn es um Prävention in puncto Aggression und Gewalt geht.

Natürlich brauche es viele Bausteine, ein Prüfungsvorbereitungskurs sei nur einer. Für wertvoll hält sie es, Institutionen wie eine eigene Volkshochschule und engagierte und offene Ansprechpartnerinnen wie Birgit Wolf und Martina Mayer zu haben. Hinzu kommen gut ausgebildete Pädagogen und eine personell gut aufgestellte Schulsozialarbeit. Weil sie nicht immer ganz einfache Voraussetzungen hatte, fragt sie sich auch heute noch, was man verbessern kann, um jungen Menschen zu helfen, in einer sich ständig verändernden Welt zurechtzukommen und herauszufinden, was sie aus ihrem Leben machen wollen. „Diese guten Bedingungen zu schaffen, liegt in unser aller Verantwortung“, sagt sie und wünscht sich, dass der Mathematikkurs zur Prüfungsvorbereitung auch im nächsten Jahr gesponsort werden kann.

Damit es nicht doch am Geld scheitert

„Diese guten Bedingungen zu schaffen, liegt in unser aller Verantwortung.“

Elisabeth Zenker,

Stadträtin und Psychologin