„Das hat nichts mit Holzernte zu tun“

Am Linderst musste die ForstBW hart eingreifen und etliche Rotbuchen fällen. Die Bäume waren so geschädigt, dass sie für die Waldbesucher und Anwohner eine Gefahr darstellten, sagt Martin Röhrs, Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald.

„Das hat nichts mit Holzernte zu tun“

Die Fällung der schwer angeschlagenen Buchen ist für die Arbeiter gefährlich. Am Linderst mussten sie die Bäume teils mit Seilen sichern, damit sie nicht unkontrolliert fielen. Hinzu kommt, dass ein Wohngebiet angrenzt. Es hieß, eine Telefonleitung abzuhängen und eine Stromleitung im Blick zu behalten.

Von Christine Schick

MURRHARDT. Für Martin Röhrs ist es natürlich kein neues Thema, aber die Tatsache, dass mittlerweile neben Fichte und Tanne auch die Buche durch Trockenheit und Hitze massiv geschädigt ist, macht ihm zu schaffen. „Die Rotbuche kommt wie die Tanne seit der Eiszeit im Schwäbischen Wald vor, ist eine der Hauptbaumarten. Es ist schon erschreckend, zu sehen, wie sie an Südhängen teils flächig abstirbt“, sagt er. „Es ist fünf nach zwölf.“ Aktuelles Beispiel in dieser Hinsicht, mit dem er und Hans-Joachim Bek vom Forstrevier Reichenberg konfrontiert sind, ist das Waldgebiet am Murrhardter Linderst und Alleensee in der Nähe des Spielplatzes und angrenzenden Wohngebiets. Beim jüngsten Kontrollgang, der halbjährlich auf dem Plan steht und bei dem Sicherheitsaspekte geprüft werden, mussten die beiden feststellen, dass viele Rotbuchen bereits dürre Kronen hatten. Sie waren sich einig: An einem so frequentierten Waldweg wie dem Linderstweg bestand dringender Handlungsbedarf. Es ist zu gefährlich, Bäume mit dürren Ästen und Baumkronen stehen zu lassen. Die ForstBW, zuständig für den Staatswald des Landes, muss sichergehen, dass keiner durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste verletzt wird. Martin Röhrs unterstreicht diese Pflicht auch vor dem rechtlichen Hintergrund. Wer solch eine Gefahr (von Fachleuten als sogenannte Megagefahr eingeordnet) als Zuständiger erkennt und nicht reagiert, müsse sich gegebenenfalls strafrechtlich verantworten. Neben etlichen Rotbuchen sind es auch drei Eichen, die gefällt wurden. Die richtige Entscheidung für Martin Röhrs, habe man doch im Nachhinein festgestellt, dass diese durch Pilzbefall schon extrem geschädigt waren.

Durch das langsame Verdursten sterben Äste ab, können brechen.

Das Hauptproblem ist bekanntlich ein anderes: Die vergangenen drei Sommer waren entschieden zu trocken. Mit den zu geringen Niederschlägen kämpfen genauso die Landwirte. So manchem Förster wird es mulmig, wenn diese mittlerweile Bewässerungskonzepte diskutieren. Die Trockenheit bedeutet, dass auch die Waldbäume unterversorgt sind und einfach verdursten beziehungsweise vertrocknen. „Das Phänomen, dass sich die Fichte als Flachwurzler im Sommer nicht mehr ausreichend gegen massiv auftretende Borkenkäfer wie dem Buchdrucker oder dem Kupferstecher mit Harzfluss wehren kann, ist ja schon über viele Jahrzehnte bekannt. Die absterbende Rotbuche stellt die Forstmannschaft aber vor ganz neue Herausforderungen“, erläutert Martina Gause, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald mit Sitz in Welzheim. Das Trockenjahr 2018 mit den folgenden zwei trocken-heißen Sommern hat die Rotbuche so geschwächt, dass sie in manchen Regionen vor allem an exponierten Südhängen teils flächig abstirbt. Ein Phänomen, das sich in Bezug auf die Tanne insbesondere im Oberen Murrtal bereits gezeigt hat und von dem Privatwaldbesitzer stark betroffen waren.

Der Unterschied bei der Rotbuche: Sie reagiert auf die Trockenheit, indem sie die Krone salopp gesagt aufgibt und nur noch die unteren Bereiche des Blattwerks versorgt. Daher sterben die oberen Äste zuerst ab. Im Gegensatz zu toten Nadelbäumen, die noch jahrelang als dürre Skelette im Wald stehen bleiben und bei Stürmen dann umkippen, zersetzt sich das Buchenholz durch Pilze sehr schnell. Die Äste brechen anschließend ohne große Windeinwirkung einfach ab. Martin Röhrs erläutert, dass aufgrund des Trockenstresses Borkenkäfer bei den angeschlagenen Bäumen zudem leichteres Spiel haben und als sekundäre Schädlinge eine Rolle spielen können.

Im Linderst in der Nähe des Wohngebiets sind besonders alte und starke Rotbuchen betroffen. „Dass sie gefällt werden müssen, hat nichts mit naturnaher Waldbewirtschaftung zu tun, wie wir sie eigentlich betreiben wollen. Aber die extremen Witterungsbedingungen der letzten drei Jahre lassen uns im Interesse der Waldbesuchenden keine Wahl“, so Martin Röhrs.

Vor dem Hintergrund der starken Vorschädigung der Bäume ist das Fällen für die Mitarbeiter und Partnerunternehmen gefährlich und extrem aufwendig. Denn die fehlende oder kleinere Baumkrone bedeutet ein geringeres Gewicht des Baumes und eine gewisse Unberechenbarkeit der Fallrichtung. Das wiederum heißt, dass mit zwei Techniken gearbeitet wird, wie Röhrs erklärt. Beim Einsatz eines Hubsteigers wird der Baum Stück für Stück von oben nach unten abgesägt. Die zweite Variante: Ein Baumkletterer bringt möglichst weit oben ein Seil an und verbindet es mit einem Schlepper am Hang, sodass der Baum beim Fällen nicht unkontrolliert umstürzen und nach oben weggezogen werden kann. Für diese gefährliche Arbeit gibt es seit 2018 spezielle Schulungen. Mehr Sicherheit soll auch eine abgestimmte Technik bringen beispielsweise durch den Einsatz ferngesteuerter Keile.

Diese schwierigen Bedingungen führt Martin Röhrs auch an, als sich Ulrich Eisenbraun zu den Maßnahmen in der Redaktion und bei der ForstBW meldet. Der Wald- und Naturliebhaber lebt zwar in Schorndorf, hat die Arbeiten aber verfolgt, da Sohn und Enkel in unmittelbarer Nähe wohnen. Auch wenn ihn das Ausmaß bestürzt: Dass die Forstleute umsturzgefährdete Bäume fällen müssen, steht für ihn außer Frage. Gleichsam bedauert er, dass die Arbeiter zumindest die Jungbäume nicht stehen gelassen haben. Martin Röhrs beschreibt die Situation so, dass allerdings auch diese beim Fällen in Mitleidenschaft gezogen und in der Regel umgeknickt worden seien. „Wir haben sie und das Unterholz deshalb auch abgenommen, die Fläche auf den Stock gesetzt, wie die Forstleute sagen. Die Jungbäume treiben im Frühjahr aber wieder aus.“ Der Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald schätzt, dass sie ein bis zwei Meter sprießen. An dem Südhang werden sie künftig der Sonne und aller Voraussicht nach auch Trockenheit ausgesetzt sein.

Röhrs setzt nun vor allem auf Naturverjüngung. Dabei hofft er, dass hitzeresistentere Baumarten wie Feld- und Bergahorn, Robinie oder Elsbeere besser mit den neuen Bedingungen zurechtkommen. Eine Aufforstung komme höchstens in der Nähe des Alleensees infrage, wenn überhaupt. Der Vorteil eines natürlich nachwachsenden Bestands ergibt sich daraus, dass die Samen an den Standorten aufgehen, die auch passen. Die Anpflanzung neuer Jungbäume, also Aufforstung, kämpft auch mit dem Problem, dass in der Regel zumindest ein Teil der Wurzeln durch das Umsetzen beschädigt wird, erläutert Martin Röhrs den Hintergrund. Natürlich müsse einem trotz allem bewusst sein, dass dieses Nachwachsen lange Zeit benötigt. „Wenn es um eine Ernte geht, sprechen wir von rund 30 Jahren, letztlich heißt es hier, in Generationen zu denken.“ Insofern empfindet es Röhrs auch als drastisch, dass manche Bestände, die sich über rund 150 Jahre entwickelt haben, der Hitze und Trockenheit der vergangenen drei Jahre zum Opfer gefallen sind.

Der Forstbezirksleiter geht davon aus, dass die Arbeiten bis Ende der Woche abgeschlossen sind. Bis dahin sei es (lebens-)wichtig, die Absperrungen zu beachten.

„Das hat nichts mit Holzernte zu tun“

Röhrs schätzt, dass zwischen 300 und 400 Festmeter Holz eingeschlagen wurden. Fotos: J. Fiedler