Dem Breitband dicht auf den Fersen

Interkommunales Projekt von Murrhardt, Althütte, Großerlach und Sulzbach an der Murr für Versorgung ländlicher Gebiete kommt voran

Beim gemeinsamen Projekt der Stadt Murrhardt und der Gemeinden Althütte, Großerlach und Sulzbach an der Murr, bei dem die ländlichen Gebiete eine Breitbandversorgung erhalten und den Anschluss an die digitale Welt nicht verlieren sollen, war ein langer Atem gefragt. Seit 2017 sind die Partner am Ausbau für die sogenannten weißen Flecken dran. Nun steht der Realisierung zumindest nichts mehr im Weg – wenn alle Beteiligten zustimmen.

Dem Breitband dicht auf den Fersen

Mit Blick auf die aktuelle Lage kommt der Ausbau zu spät, noch sind die Teilorte nicht an ein Glasfasernetz angeschlossen, doch zeigt sie umso mehr die Wichtigkeit einer guten Versorgung. Foto: Imago/Christian Ohde

Von Christine Schick

MURRHARDT. Natürlich ist in der aktuellen Lage noch offen, wie schnell die Umsetzung nun erfolgen kann, gleichzeitig unterstreicht sie die Notwendigkeit einer digitalen Anbindung – jetzt wo Homeoffice oder die Verlegung von Unterrichtsaufgaben für Schüler nach Hause allgegenwärtige Themen sind.

Nach etlichen Zwischenschritten und einer Neuausrichtung aufgrund veränderter Förderrichtlinien von Bund und Land liegt nun ein Angebot der Telekom Deutschland GmbH vor, um die bisher unterversorgten Gebiete von Murrhardt, Althütte, Großerlach und Sulzbach an der Murr in Sachen Breitband auszubauen. Die Summe ist gewaltig: Inklusive eines Nachtrags, bei dem noch weitere Adressen hinzukamen, beläuft sich die Investition auf rund 24,56 Millionen Euro für alle vier Partner. Der Ausbau umfasst laut Bürgermeister Armin Mößner insgesamt rund 123 Kilometer.

Der bisherige Weg war nicht ganz einfach. Bei der ersten Ausschreibung für das interkommunale Projekt, das sich am Wirtschaftlichkeitslückenmodell orientiert (Lücke, die für einen privaten Anbieter bleibt, also absehbare Verluste, wird über eigene Mittel oder Fördergelder geschlossen), blieb der Briefkasten der Stadtverwaltung Murrhardt leer. Bei ihr laufen die Fäden von organisatorischer Seite fürs Projekt zusammen. „Da sind wir erst mal auf dem Bauch gelandet“, erinnert sich Bürgermeister Armin Mößner. Allerdings hatte die Telekom sich gemeldet und in Aussicht gestellt, am Thema dranzubleiben und bei Möglichkeit ein Angebot nachzuliefern. Dies lag dann vor knapp einem Jahr vor. Nach einer Prüfung baten Althütte und Großerlach, noch eine Reihe fehlender Adressen mitaufzunehmen, in Murrhardt (1) und Sulzbach an der Murr (2) gab es noch drei Nachträge.

Mittlerweile liegt auch der Förderbescheid durch Bund und Land vor, der mit rund 22,5 Millionen Euro den Ausbau kräftig unterstützt. Haben alle Partner dem Vertrag zugestimmt, muss die Unterstützung noch mal final angefordert werden, was aber eher als Formalie gilt, solang in der Vereinbarung keine Fehler zu bemängeln sind. „Das Angebot der Telekom wurde auch von zwei Büros geprüft und als marktgerecht und angemessen beurteilt“, sagt Mößner. Insofern sieht es für die Umsetzung nun nicht mehr allzu schlecht aus. „Althütte hat wohl auch schon einstimmig den Beitritt beschlossen.“

Der Ausbau ist insofern auch etwas Besonderes, da sich durch die Änderung der Förderrichtlinien für die ländlichen Gebiete, die nun versorgt werden sollen, eine deutliche Verbesserung ergibt: Ursprünglich wurde der Ausbau mit der sogenannten FTTC-Technik (Glasfaser bis zum Verteilerkasten) gefördert, dies wird nun von FTTH (Glasfaser bis ins Haus) abgelöst. Das bedeutet, dass die Teilorte und Wohnplätze, für die nun das Paket geschnürt wird, nach dem Ausbau teils sogar besser versorgt sind als die zentraler gelegenen Gebiete. Armin Mößner hat durchaus auch kritische Stimmen vernommen, die sich schwer damit tun, der Telekom nun auch noch öffentliche Gelder für den Ausbau zur Verfügung zu stellen. Allerdings sieht er die Breitbandversorgung ähnlich wie früher die Elektrifizierung als wichtige Infrastrukturmaßnahme. Auch damals waren die Teilorte und weiter draußen gelegenen Gehöfte noch nicht berücksichtigt, und jetzt gehe es um ihre Anbindung.

Die genaue Geschwindigkeit hängt auch vom konkreten Nutzungsvertrag des Kunden ab

Um den finalen Schritt ging es für Murrhardt dann in der Gemeinderatssitzung. Er hatte über die Annahme des Telekom-Angebots zu beschließen. Die Fraktionen waren sich über die Wichtigkeit des Projekts einig. Im Gespräch wurden dabei auch noch ein paar Fragen und Details geklärt. „Homeoffice ist in den Teilorten nicht möglich“, unterstrich Andreas Winkle die Dringlichkeit des Ausbaus. Für ihn schien die in der Vorlage genannte Mindestgrenze von 50 Mbit pro Sekunde für Privathaushalte (Download) und 100 Mbit pro Sekunde für Unternehmen, Gewerbetreibende und Schulstandorte (Down- und Upload) etwas niedrig, seien bei Glasfaser doch eher Downloadwerte bis zu 1000 Mbit pro Sekunde üblich. „Ist da denn noch Kupferkabel dazwischen?“, erkundigte er sich. Thomas Zeeb vom Amt für Wirtschaft, Kultur und Tourismus, der mit dem Projekt befasst ist, geht davon aus, dass die Leistung schlichtweg vom konkreten Nutzungsvertrag abhängig ist, sprich höher sein kann, wenn der Kunde bereit ist, eine entsprechend höhere Gebühr zu zahlen.

Zudem tauchte die Hypothese auf, dass im Ausbaubündel doch noch Straßen fehlten. Dazu erläuterte Zeeb, dass es eine klare Absprache gibt. Alle Haushalte, die bisher nur mit unter 30 Mbit pro Sekunde versorgt werden konnten, sind in der Förderung mit drin und sollen den Ausbau erhalten. Dies sei auch untersucht worden. Allerdings gibt es auch Adressen, die über 30 Mbit pro Sekunde liegen, nicht mit im Boot sind und den regionsweiten Ausbau bis 2030 abwarten müssen. Das Projekt konzentriert sich auf die bisher unterversorgten Gebiete. Insofern gibt es auch für das geplante Neubaugebiet Siegelsberg-Ost keine Ausnahme, für das im Teilort der FTTC-Standard realisiert ist und zu dem sich Ralf Nentwich erkundigte. Der MDAL/ Die Grünen-Stadtrat bat, die Schulen gut – mit möglichst 500 Mbit pro Sekunde – auszustatten. Mößner sagte dazu, dass man abwägen müsse, was wie finanzierbar sei.

Die Fraktionen waren sich einig über die Wichtigkeit des Ausbaus. „Wenn Bund und Land das nicht in dem Maße fördern würden, hätten wir uns gar nicht an das Thema herangewagt“, sagte Edgar Schäf (SPD). Andreas Winkle (CDU/FWV) bat, zu gegebenem Zeitpunkt dann auch noch mal mit Informationen auf die Bürger zuzugehen, was die konkreten Nutzungs- und Gebührenfragen anbelangt, damit die Telekom den entsprechenden Input liefert. Hartmut Widmaier (MDAL/Die Grünen) konnte sich nicht erinnern, jemals in seiner Zeit als Stadtrat über solch einen hohen Betrag entschieden zu haben. Er hofft, nun dazu beizutragen, dass Deutschland kein weißer Fleck in der europäischen digitalen Landkarte bleibt. Der Beschluss, das Angebot der Telekom anzunehmen, war einstimmig.

Info

Aufgrund der berechneten Tiefbaumeter und der Glasfaserhausanschlüsse liegen die Kosten für die vier Kommunen (gerundet) wie folgt: Murrhardt – 10,38 Millionen Euro, Sulzbach an der Murr – 5,94 Millionen Euro, Großerlach – 5,66 Millionen Euro, und Althütte – 2,58 Millionen Euro. Die Gesamtsumme beträgt 24,56 Millionen Euro.

Murrhardt muss 1,06 Millionen Euro Eigenanteil aufbringen, insgesamt, also für alle vier Kommunen gemeinsam, liegt die Eigenbeteiligung bei 2,5 Millionen Euro.

Es handelt sich insgesamt um 3112 Adressen, bei denen Glasfaser ins Haus kommt, zu diesen gehören auch sämtliche Unternehmens- und Schulstandorte: Althütte erhält 301 Anschlüsse, Großerlach 586, Murrhardt 1289 und Sulzbach an der Murr 936.

Bevor sich die Situation durch die Coronakrise weiter zugespitzt hat, hatte die Telekom einen Realisierungszeitraum von 48 Monaten veranschlagt.