Sechs Unterarten der psychischen Erkrankung

Depression - eine verhängnisvolle Krankheit

Es gibt nicht die eine Depression, genauso wenig wie es das eine Medikament und die eine Therapie gibt. Forscher haben jetzt sechs verschiedene Unterarten dr psychischen Erkrankung ausgemacht, die sich mithilfe von Hirnscans erkennen lassen. Dies könnte es künftig erleichtern, die wirksamsten Behandlungsmethoden anzuwenden.

Depression - eine verhängnisvolle Krankheit

Bei der Behandlung von Depression läuft vieles nach dem Try-and-Error (Versuch und Irrtum)-Prinzip. Der Erkrankte nimmt so lange Medikamente, bis irgendwann eines hilft. Das kann jedoch Monate oder Jahre dauern oder auch gar nichts bringen.

Von Markus Brauer

Depressionen sind weltweit die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass bis zu vier Millionen Deutsche davon betroffen sind und fast zehn Millionen Menschen in Deutschland bis zum 65. Lebensjahr mindestens einmal eine Depression durchleiden.

Depression ist nicht gleich Depression

Wie US-Forscher jetzt herausgefunden haben, gibt es bei Depressionen offenbar sechs verschiedene Unterarten, sogenannte Biotypen. Dafür untersuchte das Team um Leanne Williams und Leonardo Tozzi von der Stanford University (US-Bundesstaat Kalifornien) die biologischen Vorgänge bei dieser psychischen Erkrankung genauer. Die sechs Biotypen lassen sich anhand von Hirnscans erkennen. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Nature Medicine“ erschienen.

“Personalized brain circuit scores identify clinically distinct biotypes in depression and anxiety” by Leanne Williams et al. Nature Medicinehttps://t.co/jofGWyZjJ5 3/3 — Neuroscience News (@NeuroscienceNew) June 17, 2024

Blick ins Gehirn von psychisch Kranken

Die Wissenschaftler beobachteten mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) die Gehirnaktivität von 801 Personen, die an Depressionen oder einer Angststörung litten, sowie von 137 gesunden Menschen.

Die Hirnscans offenbarten bei den Patienten sechs unterschiedliche Aktivitätsmuster in den untersuchten Hirnregionen:

Sechs Biotypen von Depression

Tozzi und seine Kollegen schließen aus diesen Ergebnissen, dass sich Depressionen in sechs Biotypen unterscheiden lassen. Die verschiedenen Subtypen sind mit unterschiedlich starken und teilweise verschiedenen Symptomen verknüpft:

Gesprächstherapie hilft nicht allen

Neue Therapieansätze durch Gehirnscans

„Dies ist das erste Mal, dass wir zeigen konnten, dass Depressionen durch verschiedene Funktionsstörungen des Gehirns erklärt werden können“, erläutert Williams. Je nach Depressionsform und Biotyp ergeben sich aus den Gehirnscans nun unterschiedliche Therapieansätze.

Damit eröffnet die Studie erstmals eine personalisierte Medizin für die psychische Gesundheit, so das Team. Künftig könnten demnach Gehirnscans dazu beitragen, schneller hilfreiche und insgesamt wirksamere Therapien zu entwickeln. Auch neuartige Medikamente dabei erforscht werden. Das soll eine noch passgenauere Zuordnung und eine bestmögliche Therapie gewährleisten.

Info: Depression – Ursachen, Therapien, Medikamente

Ursachen Biochemisch resultiert die Depression aus einem Wirrwarr jener Botenstoffe – sogenannte Neurotransmitter –, die im Gehirn für die Übertragung zwischen den Nervenzellen sorgen. Solange ihre Speicher gefüllt sind, läuft der „Motor“ des Gefühlslebens normal. Bei einer Störung des empfindlichen Nervenstoffwechsels aber kann wie aus heiterem Himmel eine Depression auftreten. Warum gerade bei Depressiven Produktion und Verteilung der Botenstoffe aus dem Ruder läuft, ist bis heute nicht genau geklärt. Neben erblicher Veranlagung sind es etwa schwere Schicksalsschläge wie der Tod eines geliebten Menschen oder die Trennung von einem Partner, welche zu einer Depression führen können.

Therapien Psychische Erkrankungen sind oft schwer zu diagnostizieren - und noch schwerer zu therapieren. Bei etwa 30 Prozent der Betroffenen sind weder Antidepressiva noch Psychotherapie hilfreich. Es gebe viele Arzneien, die „wirksam sind, aber nicht allen helfen“, erklärt der Psychiater Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim. So spreche beispielsweise nur ein Teil der Patienten auf Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) an. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Antidepressiva, die bei diesem Krankheitsbild zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten gehören.

Try-and-Error „Zurzeit läuft vieles nach dem Try-and-Error (Versuch und Irrtum)-Prinzip“, erläutert der Molekularbiologe Sven Cichon, Leiter der Medizinischen Genetik des Universitätsspitals Basel. Der Patient nehme so lange Medikamente, bis irgendwann eines hilft. Das kann jedoch Monate oder Jahre dauern oder auch gar nichts bringen. Während dieser Zeit des Wartens verschlimmert sich oftmals die Depression. Die Medikamente wirkten sehr unspezifisch und hätten daher oft starke Nebenwirkungen hätten, so Cichon.