In den Niederlanden wird am Mittwoch das Parlament gewählt. Umfragen rechnen mit dem Sieg des Rechtspopulisten Wilders, doch keiner will mit ihm koalieren.
In den Niederlanden stehen 27 Parteien zur Wahl. Umfragen sehen den Rechtspopulisten Geert Wilders in der Wählergunst vorne.
Von Knut Krohn
In den Niederlanden wird ein neues Parlament gewählt und zwei Dinge gelten bereits als gesetzt: die radikal-rechte Partei für die Freiheit PVV wird stärkste Kraft, doch deren Vorsitzender Geert Wilders wird nicht Premierminister. Das bedeutet: die Partei, die am Mittwoch auf dem zweiten Platz landet, wird wahrscheinlich den Regierungschef stellen.
Dass es zu dieser interessanten Ausgangslage kommen könnte, hat Wilders sich selbst zuzuschreiben. Seine PVV hatte die Parlamentswahl Ende 2023 deutlich gewonnen und bildete danach mit drei anderen, moderat-rechten Parteien eine Koalition. Doch schon nach knapp einem Jahr zog Wilders im heftigen Streit um strengere Asyl-Gesetze seine Minister aus der Regierung zurück. Eine Rolle spielte in diesem Fall wohl auch der ständige Groll des sendungsbewussten Politikers auf seine Koalitionspartner. Denn die hatten sich bei den Gesprächen zur Regierungsbildung standhaft geweigert, Wilderst trotz seines deutlichen Sieges als Ministerpräsidenten zu akzeptieren. Stattdessen hatten sie sich auf den unverdächtigen, parteilosen früheren Beamten Dick Schoof als Regierungschef geeinigt.
Zum Problem wird Wilders seine Unzuverlässigkeit
Deutlich wurde in der Endphase des Wahlkampfes, dass die rechten Parteien eine mögliche Koalition mit Wilders nicht wegen dessen extremen Positionen in Sachen Zuwanderung oder seiner Haltung zum Islam ausschließen. Zum Problem wird für ihn offensichtlich seine von einer gewissen Selbstherrlichkeit getriebenen politische Unzuverlässigkeit.
Aus diesem Grund richtet sich nun das Augenmerk auf zwei Politiker: den Konservativen Henri Bontenbal und den Sozialdemokraten Frans Timmermans, die sich in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den zweiten Platz liefern. Wobei auch diese beiden Politiker ihre Besonderheiten zu bieten haben. Der ehemalige EU-Kommissar und den Niederländern seit Jahrzehnten bekannte Timmermans führt eine gemeinsame Liste von Grünen und Sozialdemokraten an, die schon jetzt in der Opposition eng zusammenarbeiten und im kommenden Jahr miteinander verschmelzen wollen. Der 64-Jährige versucht den klassischen linken Themen wie Umverteilung und soziale Gerechtigkeit zu punkten. Angesichts der Wohnungsnot hat die Partei den Bau neuer Wohnungen zu einem ihrer zentralen Wahlthemen gemacht ebenso wie das Gesundheitswesen.
Ein neues Gesicht in den Niederlanden
Dennoch kommt der als arrogant und besserwisserisch verschriene Timmermans im direkten Vergleich nicht an die Beliebtheitswerte von Bontenbal heran – der damit auch deutlich vor Geert Wilders liegt. Der 42-jährige studierte Physiker hat den konservativen Christdemokraten (CDA) zu einem sensationellen politischen Comeback verholfen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2023 war die einst mächtige Partei mit blamablen 3,3 Prozent der Stimmen in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht.
Henri Bontenbal überzeugt die Menschen durch seine ruhige, besonnene, manchmal etwas unbeholfen wirkende Art. In einer von Polarisierung geprägten politischen Landschaft betont er den sozialen Zusammenhalt und Gemeinsinn. In den Augen der Wähler verkörpert Bontenbal offensichtlich auch den Wunsch nach Normalität und einer stabilen Regierungsarbeit. Seine politischen Hauptthemen sind Ordnung und Sicherheit, eine starke Wirtschaft der Zukunft sowie eine engagierte und solidarische Gesellschaft.
Bontenbal profitiert vom Rückzug eines Konkurrenten
Allerdings profitiert Bontenbal auch vom überraschenden Rückzug des Konservativen Pieter Omtzigt. Der hatte im Streit die Christdemokraten verlassen, vor zwei Jahren die Partei NSC gegründet und war auf Anhieb zu einer tragenden Kraft in der Regierung aufgestiegen. Dann warf Omtzigt aber wegen gesundheitlicher Probleme das Handtuch und die Partei fiel regelrecht in sich zusammen. Viele seiner Anhänger unterstützen nun Henri Bontenbal.
Trotzdem die grundsätzlichen politischen Strömungen klar zu sein scheinen, halten sich die Meinungsforscher mit allzu genauen Prognosen zurück. Bei allen Umfragen wird betont, dass sich die meisten potenziellen Wähler auch wenige Tage vor der Abstimmung noch nicht auf eine Partei festgelegt haben. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, keine oder nur eine schwache Präferenz zu haben. Deutlich wird nur, dass viele Niederländer von den zurückliegenden Chaosjahren die Nase voll haben und sich nach einer ruhigen Hand sehnen, die ihr Land durch die aktuellen Krisen führt.