Die flächengrößte Kreiskommune entsteht

Die flächengrößte Kreiskommune entsteht

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Die Bilanz der Gemeindereform mit Eingliederung von Fornsbach und Kirchenkirnberg am 1. Juli 1971 fällt überwiegend positiv aus. Beide Stadtbezirke haben sich dank des Ausbaus der Infrastruktur und der Ausweisung von Neubau- und Gewerbegebieten positiv weiterentwickelt. Allerdings gelang es nicht, weitere kleine Ortsteile rings um Murrhardt einzugliedern, weil deren Einwohner bei separaten Abstimmungen sich für den Verbleib bei den bisherigen Kommunen entschieden.

Innerörtliche Konflikte, ausgelöst durch starke wirtschaftliche und persönliche Interessen einiger Einwohner, gab es in Fautspach, das vor der Gemeindereform Teilort von Sechselberg war und seit 1. Juli 1971 von Althütte. In einer Gemeinderatssitzung Ende November berichtete Bürgermeister Helmut Götz, dass die Einwohner Fautspachs sich bei einer Bürgerversammlung und Bürgeranhörung im Herbst desselben Jahres mehrheitlich für den Anschluss nach Murrhardt ausgesprochen hatten. „Die Bürger von Fautspach haben bei der Gemeinde Althütte mit großer Mehrheit die Umgliederung nach Murrhardt beantragt. Das offizielle Abstimmungsergebnis erbrachte eine absolute Mehrheit für die Eingliederung nach Murrhardt. Die Abstimmung wurde vom Landratsamt geprüft und die Rechtmäßigkeit bestätigt. Leider sind in der Zwischenzeit unter den Bürgern von Fautspach verschiedene Differenzen aufgetreten. Jedoch sollte der Wille der Mehrheit in einer Demokratie respektiert werden.“ Deshalb beauftragte der Gemeinderat die Stadtverwaltung, Verhandlungen zur Umgliederung aufzunehmen.

Bei einer weiteren Gemeinderatssitzung Ende Dezember 1971 gab die Stadtverwaltung bekannt, dass 45 „zukunftsorientierte Bürger von Fautspach“ in einem Aufruf erklärten, sie seien nicht einverstanden mit der Eingliederung nach Murrhardt. Aber: Fautspach gehöre zu Murrhardt, da dessen Bürger den Friedhof in Vorderwestermurr nutzen und die dortige neue Leichenhalle mit Kostenbeteiligung der Nachbargemeinden erbaut wurde, betonte der Bürgermeister. Auch hätten sich Fautspacher Bürger um einen Anschluss bemüht. Und die Vertreter Fautspachs im Gemeinderat Sechselberg ließen in den Eingliederungsvertrag zwischen Sechselberg und Althütte die Bestimmung auf Umgliederung nach Murrhardt aufnehmen.

Die Umgliederung von Fautspach sollte laut Götz jedoch offenbar durch unangemessene Forderungen zur Übernahme von Kosten für eine Brunnenbohrung zum Scheitern gebracht werden. Darum schlug er vor, das Bürgermeisteramt Althütte zu bitten, durch Verhandlungen eine Einigung zu erreichen, was das Stadtparlament befürwortete. In der Aussprache des Gemeinderats vor zahlreichen Fautspacher Bürgern als Zuhörer bedauerten Götz und die Stadträte die Konflikte in Fautspach und das Verhalten der Gemeinde Althütte und stellten klar: Murrhardt habe die Pflicht, sich um diesen Ort zu bemühen. Ein Anschluss an Murrhardt wäre vorteilhafter, die demokratische Entscheidung bindend und die gestellten Bedingungen nicht seriös. Indes scheiterten alle Bemühungen und Verhandlungen, und Fautspach blieb Teilort von Althütte. Über die Hintergründe berichtet Altstadtrat Rolf Schweizer: „Die Einwohner Fautspachs hatten mit Vorderwestermurr seit Langem einen Vertrag über den Schulhausbau mit Kostenbeteiligung und die Benutzung des Friedhofs.“ Die Mehrheit der Einwohner, meist Landwirte, seien für Murrhardt, eine von Handwerkern und Geschäftsleuten beeinflusste Minderheit aber für Althütte gewesen. „Folglich stimmten die Fautspacher bei einer weiteren Abstimmung für Althütte und gegen Murrhardt, und nach der Gemeindereform wurde auch der Schul- und Friedhofsvertrag mit Vorderwestermurr aufgelöst.“

Laut Schweizer waren auch Fichtenberg und Spiegelberg an einer Eingemeindung nach Murrhardt interessiert. Denn „die Zielplanung sah vor, Spiegelberg nach Sulzbach einzugemeinden, aber das wollten die Spiegelberger absolut vermeiden. Darum stellten sie einen schriftlichen Antrag an die Stadt Murrhardt auf Eingemeindung, den die Stadtverwaltung und der Gemeinderat aber ablehnten.“

Der Zeitzeuge zitiert dazu Bürgermeister Helmut Götz: „Wir haben schon so viele arme kleine Gemeinden um uns herum, die nur über den Ausgleichstock finanziert werden können, wir brauchen nicht noch mehr.“ Folglich erhielten Fichtenberg und Spiegelberg klare Absagen. Laut Schweizer überlegte man noch, ob der Oberroter Teilort Wolfenbrück nach Murrhardt eingemeindet werden solle, „aber auch das kam nicht zustande. Die ersten beiden Höfe von Wolfenbrück gehörten früher zu Murrhardt, doch einigte man sich, dass der gesamte Ort zu Oberrot kommt.“

Die Gemeindereform „brachte manche Probleme für die Stadt und die Notwendigkeit zum Ausbau und zur Vereinheitlichung der Infrastruktur mit sich“, unterstreicht Schweizer. So waren erhebliche Investitionen erforderlich, um die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung auszubauen. Zudem gab es verschiedene Elektrizitätsversorger, und Kirchenkirnberg hat bis heute eine andere Telefonvorwahl. „Es dauerte einige Jahre, bis die Lebensverhältnisse in den Stadtbezirken sich auf einem vergleichbaren Niveau wie in der Kernstadt befanden“, resümiert Rolf Schweizer.

Für Zeitzeuge Heinz Goller hat sich die Eingemeindung Fornsbachs nach Murrhardt insgesamt positiv ausgewirkt: Der Ort erlebte einen Aufschwung, dank der Ausweisung mehrerer neuer Wohngebiete stieg die Einwohnerzahl deutlich. Zudem siedelten sich verschiedene Unternehmen und Betriebe in den neuen Gewerbegebieten an. Das Vereinsleben, bereichert durch die Gründung des Musikvereins 1971, bekam mit dem Bau der Gemeindehalle Mitte der 1980er-Jahre ein Zentrum für Treffen, Proben und Veranstaltungen. Die Änderung der Hauptsatzung und Abschaffung der unechten Teilortswahl „hat niemanden aufgeregt“, denn fast immer saßen zwei oder zumindest ein Vertreter des Stadtbezirks im Murrhardter Stadtparlament. Und der Waldsee mit seinen diversen Einrichtungen ist nach wie vor ein über die Region hinaus beliebtes Freizeit- und Erholungsgebiet. Auch Zeitzeuge Rolf Kirschbaum zieht eine überwiegend positive Bilanz der Gemeindereform für Kirchenkirnberg: Der Stadtbezirk erfuhr eine deutliche Aufwertung dank großer Investitionen in die Infrastruktur und öffentlicher (Freizeit-)Einrichtungen, wie dem von der Stadt geförderten evangelischen Kindergarten, dem Bau der Gemeindehalle, der Erschließung neuer Baugebiete und dem Bau von Spielplätzen. Hinzu kommt die Förderung des kulturellen Lebens und der Vereine. Allerdings mussten im Lauf der Zeit sämtliche Gaststätten schließen, ebenso die Läden und die Verwaltungsstelle.

Auch Bürgermeister Armin Mößner sieht die Gemeindereform positiv: „Durch die Zusammenführung von Murrhardt, Fornsbach und Kirchenkirnberg ist die flächengrößte Kommune im Rems-Murr-Kreis entstanden. Zum 1. Juli 1971 kam zusammen, was heute selbstverständlich zusammengehört, und die gute Entwicklung seit der Zusammenführung zeigt, dass es damals ein Schritt in die richtige Richtung war. Zur gedeihlichen Entwicklung der letzten 50 Jahre haben alle Einwohnerinnen und Einwohner in vielfältiger Weise beigetragen.“

Insgesamt gesehen war die Gemeindereform auch für die Stadt Murrhardt ein Erfolg: Zwar hatten die Stadtverwaltung und die Stadtwerke enorme Investitionen zum Ausbau der Infrastruktur in den neuen Stadtbezirken zu stemmen. Doch profitieren die Einwohner nun von den geschaffenen Einrichtungen, genauso wie die Bürger der Stadt von den vielfältigen Verflechtungen untereinander und den stark erweiterten städtischen Dienstleistungen.

Allerdings hat sich die Nahversorgung im Lauf der Zeit ungünstig für die Einwohner der Stadtbezirke und Teilorte entwickelt. Gab es in der ersten Zeit nach der Gemeindereform in Fornsbach und Kirchenkirnberg noch etliche Gaststätten sowie ausreichend Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs, mussten die meisten Dorfläden in den vergangenen Jahren mangels Nachfrage schließen. Dadurch ist vor allem für alleinstehende und in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Einwohner eine schwierige Situation entstanden. Zurzeit reichen die Nahverkehrsverbindungen und das seit Kurzem bestehende Angebot des Bürgerbusses noch nicht aus, um ohne lange Wartezeiten in die Kernstadt und wieder nach Hause zu kommen.

Sternwanderung anlässlich 50 Jahre Gemeindereform inklusive Festakt

Sternwanderung Am 1. Juli jährte sich der Zusammenschluss der Stadt Murrhardt mit den ehemals selbstständigen Gemeinden Fornsbach und Kirchenkirnberg im Zuge der Gemeindegebietsreform das 50. Mal. Aus diesem Anlass lädt die Stadt Murrhardt gemeinsam mit dem Schwäbischen Albverein Murrhardt und Fornsbach sowie der Bürgerschaft Kirchenkirnberg zu einer Sternwanderung am Sonntag, 19. September, ein. Die Strecken starten in Murrhardt, Fornsbach und Kirchenkirnberg und führen zu der Stelle, an der die Gemarkungen der drei Stadtbezirke geografisch zusammentreffen. Dieser Schnittpunkt liegt in der Nähe der Göckelhofkreuzung.

Festakt Um 13 Uhr findet bei der Göckelhofkreuzung ein kurzer Festakt statt, zu dem Landrat Richard Sigel sein Kommen zugesagt hat. Im Rahmen des Festakts soll ein Wegweiser zur Erinnerung an das Jubiläum enthüllt werden. Anschließend treffen sich die Teilnehmer zum Beisammensein auf dem Göckelhof der Familie Rickert.

Anmeldung In Fornsbach ist der Treffpunkt um 12 Uhr an der Gemeindehalle, die Anmeldung bei Werner Dieterich, Telefon 07192/931712, E-Mail woe15-ticker@t-online.de, und Wanderführer Franz Holp; in Kirchenkirnberg trifft man sich um 11 Uhr an der Gemeindehalle, die Anmeldung ist bei Martin Fritz, Telefon 07184/399, E-Mail msfritzle@aol.com, und Wanderführerin ist Ruth Bohn. In Murrhardt wird um 11 Uhr im Klosterhof gestartet, Treffpunkt ist vor dem Kino. Anmeldung ist bei Martin Hörger unter Telefon 0171/2670730 oder E-Mail martin.hoerger@web.de. Er übernimmt auch die Führung der Tour. Rückfahrmöglichkeiten bestehen mit dem Limesbus ab Göckelhofkreuzung um 13.59 Uhr nach Kirchenkirnberg, um 14.56 Uhr nach Murrhardt, um 15.59 Uhr nach Kirchenkirnberg, um 16.56 Uhr nach Murrhardt sowie um 17.59 Uhr nach Kirchenkirnberg.