Die Mehrheit der Kunden hat Verständnis

Notdienstgebühr bei Tierärzten greift seit rund drei Wochen – Harald Pfeiffer berichtet über Hintergründe und Reaktionen

Die Miezekatze ist von einem Auto angefahren worden, der Vierbeiner hat sich beim Rundgang einen Giftköder einverleibt oder bei der Geburt des Kälbchens kündigen sich Probleme an: Es gibt immer wieder Fälle, in denen eine Tierarztbehandlung nicht aufgeschoben werden kann. Um die Belastung beim Notdienst für die Praxen etwas zu reduzieren und die Leistbarkeit zu unterstützen, hat der Gesetzgeber die Gebührenordnung angepasst.

Die Mehrheit der Kunden hat Verständnis

„Eine Kuh kennt keinen Sonntag“, sagt Harald Pfeiffer. Der Tierarzt betreut neben den kleineren Gefährten landwirtschaftliche Nutztiere und muss im Notfall auch mal schnell raus in den Stall fahren, wenn es einem Rind schlecht geht. Foto: Adobe Stock/Budimir Jevtic

Von Christine Schick

MURRHARDT. Konkret heißt dies für die Kunden, die mit ihrem Tier nachts, am Wochenende oder Feiertag ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, dass sie nun eine Notdienstgebühr von 59,50 Euro (Pauschale) und auch einen höheren Behandlungssatz (zwei- bis zu vierfach) zahlen müssen. „Die überwiegende Mehrheit der Kunden hat Verständnis“, sagt Tierarzt Harald Pfeiffer. Die Tatsache, dass die tierärztliche Versorgung in Murrhardt und Umgebung noch gut gewährleistet sei, würde durchaus geschätzt. Der Murrhardter Veterinär kommt aber auch auf die Hintergründe zu sprechen. „Über die Jahre haben sich immer mehr Kollegen aus dem Notdienst zurückgezogen.“ Vor 20 Jahren – so lange wurde die Gebührenordnung für Tierärzte nicht mehr angepasst – waren es nach seiner groben Schätzung acht Praxen, mittlerweile sind es nur noch zwei weitere, die beim Notdienst Klein- und auch den Bereich der Großtiere im Rems-Murr-Kreis abdecken können. Neben Murrhardt sind dies eine Tierarztpraxis in Backnang und eine in Welzheim. „Es gibt Regionen in Deutschland, in denen die Versorgung schon extrem ausgedünnt ist“, sagt Harald Pfeiffer. Da Kunden – zumindest wenn sie ihren tierischen Patienten transportieren können – dann eine Tierklinik aufsuchen, drohen auch diese an ihre Kapazitätsgrenze zu gelangen. Harald Pfeiffer weiß von Fällen, in denen selbst Kliniken ihre Zulassungen zurückgegeben haben.

Allerdings macht er auch deutlich, dass die Lage in einer kleineren Tierarztpraxis mit vielleicht einem oder zwei Angestellten schon rein personell eine ganz andere ist. Den Notdienst übers gesamte Jahr zu stemmen, ist ein Balanceakt, bei dem auch die Selbstausbeutung ein Thema ist – zumindest für die Inhaber der Praxis. Bei angestellten Kollegen gelte das normale Arbeitsrecht, das heißt, die Zeit muss dokumentiert, vergütet (für Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit stehen ihnen Gehaltszuschläge zu) und zeitlich ausgeglichen werden. Es geht also auch um eine Finanzierung und die Tatsache, die höheren Kosten im Notdienst erwirtschaften zu können.

Die Notarztgebühr sei hilfreich, wenn sie auch das strukturelle Problem im Hintergrund nicht löse: Ähnlich wie bei den Humanmedizinern ist bei der jüngeren Tierarztgeneration eine stärkere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Thema. Für Praxen auf dem Land wird es schwerer, eine Nachfolge zu finden – die Bereitschaft zur Selbstständigkeit und Selbstausbeutung sinkt, wie ein Kollege von Harald Pfeiffer ausführt.

Der Veterinär spricht eine weitere Ebene an. Nicht immer hilfreich sei auch das gestiegene Anspruchsdenken, wobei er betont, dass er dies bei seinen Kunden so nicht erlebe. Wichtig sei, dass sich Tierhalter bewusst machen, was Notdienst bedeute. „Also wenn jemand zum Tierarzt kommen will, weil er eine Zecke aus dem Fell seines Vierbeiners nicht entfernt bekommt, sollte er sich schon fragen, ob das im Notdienst etwas zu suchen hat. Das kann zu den regulären Sprechzeiten erledigt werden.“

Wenig Verständnis hat er, wenn jemand den Gang zum Tierarzt auf Samstag oder Sonntag verschiebt, weil er dies unter der Woche nicht unterbekommen hat. Dem möchte man mit der Notarztgebühr auch einen gewissen Riegel vorschieben, sagt er. Die Abgrenzung zu einer Notfallbehandlung: Bei Notfällen sind ohne sofortige Hilfeleistung erhebliche gesundheitliche Schäden oder der Tod des Patienten zu befürchten.

Harald Pfeiffer versteht aber sehr gut, dass Tierhalter, die um das Wohl ihres Gefährten fürchten, die Lage nicht immer selbst einschätzen können. Insofern steht er am Telefon bereit, um durch gezielte Fragen die Situation abzuklären und entscheiden zu können. „Manchmal geht es auch darum, dem Einzelnen einfach die Angst zu nehmen.“

Anders als bei reinen Kleintierpraxen kommen für Harald Pfeiffer beim Notdienst neben Hund und Katze die größeren Kandidaten wie landwirtschaftliche Nutztiere hinzu und insofern kann er auch nicht einfach mit dem Murrhardter Kollegen bei der Rufbereitschaft nachts, feiertags und am Wochenende abwechseln und ist bei den Fahrten zu seinen Patienten im Auto teils über längere Zeit unterwegs. „Die Kuh kennt keinen Sonntag“, sagt er mit einem Lächeln. Somit bleibt es bei der Rufbereitschaft der drei Praxen im Kreis, die intern regeln müssen, wie dies leistbar ist. Harald Pfeiffer hat in seiner eigenen Praxis aktuell zwei Kolleginnen angestellt, die jeweils zu 50 Prozent arbeiten. Wichtig ist ihm, zu vermitteln, dass Notarztgebühr und höhere Sätze eine kleine Hilfe sind, aber nichts mit Gewinnmaximierung zu tun haben. Unter dem Strich lasse sich der Notdienst in einer kleinen Praxis nicht zu 100 Prozent ausgleichen. Als Tierarzt sei auch die Wertschätzung der Arbeit wichtig – und im Fall der Fälle, ein Tier retten zu können. Für Pfeiffer ist der Beruf immer noch Berufung. Gleichzeitig hofft er, dass die tierärztliche Versorgung in Murrhardt und Umgebung in ihrer jetzigen Qualität aufrechterhalten werden kann, die auch ein Stück weit Lebensqualität für Tierhalter und Tiere bedeute.

Info

Als Anzeichen eines Notfalls nennt die Bundestierärztekammer: Bewusstseinsverlust, Zusammenbruch, Atemnot, stärkere oder unstillbare Blutung, sehr helle/blasse Schleimhäute, Krampfanfälle, Probleme beim Harnlassen, anhaltender, blutiger Durchfall oder blutiges Erbrechen, zunehmende Schwäche, plötzliche Lähmungen der Beine, Augenverletzungen, Verschlucken von Fremdkörpern oder Giften, Verbrühungen, Verbrennungen, Hitzschlag sowie schwerer Verkehrsunfall.

Wann handelt es sich um einen Notdienst? In der Gebührenordnung für Tierärzte ist geregelt, zu welchen Zeiten die neuen Notdienstgebührensätze gelten: Täglich von 18 bis 8 Uhr des jeweils folgenden Tages (nachts), von Freitag 18 bis 8 Uhr des folgenden Montags (Wochenende) sowie von 0 bis 24 Uhr eines gesetzlichen Feiertages. Wenn eine Tierarztpraxis abends eine reguläre Sprechstunde bis 19 oder 20 Uhr oder eine reguläre Sprechstunde am Wochenende anbietet, ist dies kein Notdienst.