Seit Mai gibt es an den deutschen Grenzen verschärfte Kontrollen – und sie sollen noch lange bleiben. Wie fällt ihre Bilanz aus? Und wirken sie gegen Asylmigration? Ein Überblick.
In den Grenzregionen wirken sich die Kontrollen auf den Pendelverkehr aus.
Von Rebekka Wiese
Es war seine erste Amtshandlung als Bundesinnenminister: Am 7. Mai wies Alexander Dobrindt (CSU) die Bundespolizei an, die Kontrollen an den deutschen Grenzen zu verstärken und dort nun auch Asylbewerber zurückzuweisen. Jetzt hat der Minister angekündigt, die Kontrollen über September hinaus zu verlängern. Was haben sie bisher gebracht – und helfen sie, irreguläre Migration zurückzudrängen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was hat sich mit Dobrindts Weisung verändert?
Grenzkontrollen gab es schon unter der Ampelkoalition. Im Herbst 2023 ordnete die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Maßnahme zunächst an den Grenzen zu Polen und Tschechien an. Im Sommer 2024 wurden die Kontrollen dann an allen Landesgrenzen eingeführt. Dobrindt hat nun noch mehr Bundespolizisten an die Grenze geschickt. Außerdem hat er die Einsatzkräfte angewiesen, auch Asylbewerber zurückzuweisen. Ausnahmen gelten nur für sogenannte vulnerable Gruppen, zum Beispiel sichtbar Erkrankte oder Schwangere.
Wie fällt die bisherige Bilanz aus?
Vom 7. Mai bis zum 31. Juli hat die Bundespolizei laut eigenen Angaben 12 445 unerlaubte Einreisen an den deutschen Grenzen festgestellt. Die Beamten wiesen 9506 Personen zurück, darunter 475, die um Asyl gebeten hatten. 110 Schutzsuchende wurden aufgegriffen, aber nicht abgewiesen, weil die Polizei sie als vulnerabel einstufte. Außerdem nahm die Bundespolizei 450 Schleuser fest – und konnte bei der Maßnahme als „Beifang“ 2200 Menschen aufgreifen, gegen die es offene Haftbefehle gab.
Führen die Grenzkontrollen dazu, dass weniger Asylbewerber in Deutschland ankommen?
Die Zahl der Asylanträge in Deutschland geht schon länger stark zurück. Der Trend setzte Ende des Jahres 2023 ein – kurz, nachdem Faeser die ersten Grenzkontrollen angeordnet hatte. Im Jahr 2024 lag die Zahl der Asylerstanträge mit knapp 230 000 gut ein Drittel unter der Vorjahresbilanz. Dieses Jahr ist der Rückgang noch stärker. Im Juli erfassten die Behörden 8293 erstmalige Schutzgesuche – etwa 10 000 weniger als Vorjahresmonat. Die Grenzkontrollen dürften nur ein Faktor von vielen für den Rückgang sein. Insgesamt lässt sich beobachten, dass 2024 in der ganzen EU weniger Asylbewerber ankamen.
Wieso sind die Zurückweisungen an der Grenze rechtlich umstritten?
Normalerweise überlagert das Europarecht die deutschen Gesetze. Deswegen darf die Bundespolizei eigentlich keine Asylbewerber zurückweisen. Denn die europäische Dublin-III-Verordnung legt fest, dass die Mitgliedsstaaten jeden Antrag auf Asyl prüfen müssen. Daran hält sich Deutschland seit dem 7. Mai nicht mehr. Dobrindt rechtfertigt das mit einer Klausel im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Die erlaubt es EU-Ländern, notfalls von gemeinsamen Regeln abzuweichen. Ob so ein Notfall gegeben ist, ist unklar. Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Fall von drei Asylbewerbern aus Somalia entschieden, dass ihre Zurückweisung rechtswidrig war. Laut Einschätzung des Innenministers handelt es sich hier aber um einen Einzelfall.
Welche Kritik gibt es?
Dass Deutschland sich nicht mehr an die Dublin-Regeln hält, sorgt für Spannungen mit einigen Nachbarstaaten. Auch in den Grenzregionen herrscht teilweise Unmut, da sich die Kontrollen auf den Pendelverkehr auswirken. Aus der Opposition gibt es deshalb Kritik. „Weiterhin fehlt es an einer rechtlichen Grundlage und sachlichen Begründung für eine Abkehr europäischer Solidarität, insbesondere angesichts der geringen Migrationszahlen und immensen Kosten“, sagte Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, dieser Redaktion. „Wer sich als Law-&-Order-Sheriff inszeniert, darf nicht die Bundespolizei mit Symbolpolitik binden, während im Inland echte Sicherheitslücken bestehen.“
Wie lange bleiben die Grenzkontrollen?
Die Bundesregierung will daran festhalten, bis die Reform des europäischen Asylsystems greift – das wäre frühestens Sommer 2026. Anordnen kann Dobrindt die Maßnahme immer nur für ein halbes Jahr. Das hat er nun ein weiteres Mal getan.