Bis dass der Tod uns scheidet? Von wegen: In David Freynes fantastischer Jenseitsfantasie „Eternity“ muss sich ein Paar überlegen, ob es auch die Ewigkeit gemeinsam verbringen will.
Was, wenn im Jenseits ein Nebenbuhler auftaucht? Elizabeth Olsen, Miles Teller und Callum Turner (von links) in „Eternity“
Von Kathrin Horster
Zack, bumm, aus und vorbei – das wäre doch schlimm! Der Mensch denkt nicht gerne an den Tod, stattdessen malt er sich die tollsten Paradiese aus, um die Furcht vor dem Exitus zu mildern. Der Ire David Freyne hat sich in seiner noch relativ jungen Karriere als Filmemacher 2017 zum ersten Mal mit der Frage beschäftigt, wie Menschen der eigenen Endlichkeit begegnen. In „Cured: Infiziert. Geheilt. Verstoßen“ ging es um von einem Virus befallene, aber geheilte und somit ungefährliche Zombies, die von ihren konventionell lebendigen Familien trotzdem ausgegrenzt werden. In seinem neuen Werk „Eternity“ setzt sich Freyne nun auf ungeahnt romantische, aber nicht minder nachdenkliche Weise mit der Frage auseinander, was uns nach dem Ende unseres Lebens erwarten könnte.
Zack, bumm – und schon wacht Larry im Jenseits auf in „Eternity“
Gerade noch saß Larry Cutler (Barry Primus) mit seiner Frau Joan (Betty Buckley) zankend im Auto, um zur Baby-Party seiner schwangeren Tochter zu fahren. Doch ein plötzliches Zack-bumm später findet sich Larry (nun Miles Teller) gekleidet im Flügelhemd eines Krankenhauses in einem altmodischen Vorortzug wieder. Bei seiner Ankunft wird er von der resoluten Anna (Da’Vine Joy Randolph) in Empfang genommen, die sich Larry als dessen Jenseitskoordinatorin vorstellt. Kurz darauf kommt auch die an terminalem Krebs erkrankte, nach ihrem Ableben wie Larry mysteriös verjüngte Joan (nun Elizabeth Olsen) an, betreut vom Jenseitskoordinator Ryan (John Early).
Während Larry sein Glück kaum fassen kann, Joan so bald wieder zu sehen, hadert die frisch Verstorbene, ob sie mit Larry nach ihrer Wiedervereinigung überhaupt ein gemeinsames Jenseits beziehen soll. Seit -zig Dekaden wartet nämlich schon Joans im Krieg verstorbener erster Ehemann Luke (Callum Turner) in der Zwischenwelt auf seine große Liebe, um mit ihr neu anzufangen. Sieben Tage bekommen Larry, Joan und Luke, um ein Jenseits für sich zu wählen und auch für die Entscheidung, mit wem sie es teilen wollen. Ansonsten droht das Nichts.
Der Plot von David Freyne und dessen Co-Autorin Pat Cunnane wirkt altmodisch vertraut, angenehm simpel und märchenhaft. Die Konstruktion der Erzählung als klassische Dreiecksgeschichte an sich wäre vielleicht weniger interessant, hätten Freyne und Cunnane sie nicht in das visuell ungeheuer reizvolle Setting einer weltlichen, zugleich ausgefeilt künstlichen Jenseitsvorstellung verpflanzt. Die Figuren und auch der teils naive Humor erinnern an romantische Tragikomödien der 1980er Jahre, wie etwa Francis Ford Coppolas Nahtod-Erfahrungsmärchen „Peggy Sue hat geheiratet“ (1986) über eine unglückliche Hausfrau (Kathleen Turner), die im Koma noch einmal ihre Teenagerzeit in den späten 1950er Jahren mitsamt erster Liebe durchlebt.
David Freyne bietet mit seinem Film passend zur meist sentimental gestimmten Vorweihnachtszeit reinsten Eskapismus und flieht an der Seite seiner Figuren in ein anachronistisch-melancholisches Nimmerland, in dem die Verwerfungen unserer Zeit keine Rolle spielen. Mit Larry, Luke und Joan durchwandert man die unzähligen Jenseitsentwürfe, zwischen denen die Verstorbenen wie in einem Ferienkatalog wählen können. Larry träumt vom ewigen Strandurlaub, während Luke eine Hütte an einem klaren Bergsee favorisiert. Manche feiern eine Dauerparty im legendären Studio 54 oder checken ohne Angst vor Lungenkrebs für immer in einer Tabak-Lounge ein.
Scheidung ist im Jenseits ausgeschlossen
Allein diese verschiedenen Szenarien zu erkunden, macht unglaublich viel Spaß. Da versetzen Cunnane und Freyne das erwachsene Publikum in die Puppenhauswelten ihrer Kindheit, mit überbordender Liebe für visuelle Details und Scherze. Die Dreiecksgeschichte, so zuckrig sie anmuten mag, ist gut beobachtet und trotz komödiantischer Überspitzungen realitätsnah. So müssen Joan, Larry und Luke heraus finden, was eine Beziehung für eine Ewigkeit über den Tod hinaus tragfähig macht, wenn Scheidungen und Wohnortswechsel ausgeschlossen sind.
Freyne reflektiert die menschliche Trauer, das Bedauern verpasster Chancen und die Angst, die eigene Lebenszeit nicht bewusst genutzt zu haben. Da mischt sich in die meist fröhlich fabulierende Erzählung ein dunkler Unterton, den Freyne auch nicht zu überspielen versucht. Zu guter Letzt geht es nicht um moderne Diskussionen zu Rollenbildern und Beziehungsmodellen, sondern bloß darum, wie und mit wem man seine Zeit verbringt. Das idealisierte, schöne Ende könnte leicht als reaktionär und wertkonservativ missverstanden werden. Dabei feiert David Freyne bloß das einfache gute Leben, das Menschen genießen können, wenn sie wissen, was sie an einander haben.
Eternity. USA 2025. Regie: David Freyne. Mit Miles Teller, Elizabeth Olsen, Callum Turner. 114 Minuten. Ab 12 Jahren.
Hollywood heute
Subversiv Im Hollywood des Jahres 2025 ist vieles möglich: Donald Trump hat gerade den wegen harter MeToo-Vorwürfe diskreditierten Regisseur Brett Ratner reaktiviert, damit dieser Teil 4 der von Trump geschätzten Prügelfilmreihe „Rush Hour“ drehen kann. David Freyne propagiert mit seinem Film ein romantisches Beziehungsideal, in dem Männer und Frauen gemeinsam ihren Alltag gestalten. Was an der Oberfläche altmodisch und apolitisch erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung als subversiv.
Anspruchsvoll Produziert wurde „Eternity“ von der US-Firma A24, die sich auf anspruchsvoll-zeitkritisches, zugleich breitenwirksames Horror- und Unterhaltungskino spezialisiert hat.
Dreifach Seit 2008 hat David Freyne einige Kurzfilme gedreht; „Eternity“ ist erst der dritte Langspielfilm des im irischen County Kildare geborenen Regisseurs.