„Dritte Liga wird immer unser Ziel sein“

Das Interview: Sportdirektor Joannis Koukoutrigas will Großaspach auf lange Sicht wieder auf die große Bühne führen. Er warnt aber zugleich davor, die aktuelle Situation im Keller der Fußball-Regionalliga zu unterschätzen, und kündigt Winterzugänge an.

„Dritte Liga wird immer unser Ziel sein“

Damit die sorgenvolle Miene bei Sportdirektor Joannis Koukoutrigas endgültig weicht, braucht es weitere Großaspacher Siege. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

2:0 in Kassel, 3:0 bei Schott Mainz: Viel besser hätte 2021 für die SG Sonnenhof nicht beginnen können. „Wir dürfen uns auf den zwei Siegen und 20 Punkten auf keinen Fall ausruhen“, warnt Joannis Koukoutrigas vor der morgigen Partie beim SV Elversberg (14 Uhr) trotzdem.

„Es darf keine Ausreden geben“, sagten Sie vor dem Start ins neue Jahr und nahmen damit vor allem die Mannschaft in die Pflicht. Haben Sie nach den beiden Siegen in Kassel und Mainz das Gefühl, dass die Spieler den Ernst der Lage endgültig begriffen haben?

Wir waren trotz der bitteren 0:3-Niederlage gegen den VfB Stuttgart II im letzten Spiel vor Weihnachten, als wir eine katastrophale erste Halbzeit gespielt haben, schon vorher auf einem guten Weg. Die zweite Hälfte gegen den VfB II war sehr ordentlich, nur haben wir, wie so oft in den vorherigen Partien, das Tor nicht getroffen. Ich wollte dem Team mit meinen Worten signalisieren, dass wir nicht damit weitermachen können, nur gut zu spielen, aber keine Punkte einzufahren. Wir müssen in der Regionalliga ankommen und siegen, egal wie. Ich bin daher froh und glücklich, dass wir die ersten beiden Spiele im neuen Jahr gewonnen haben – und das jeweils auch verdient.

Hand aufs Herz: Was haben Sie beim 0:3-Pausenrückstand im einzigen Testspiel in Offenbach gedacht? Und wie wichtig war es, dass diese Partie noch mit einem 3:3 endete?

Wäre es ganz blöd gelaufen und wir hätten weitergespielt wie in der ersten Hälfte, hätten wir vielleicht noch drei Stück kassiert. Dadurch, dass wir dieses Spiel noch gedreht und drei Tore erzielt haben, konnten die Jungs etwas Selbstvertrauen tanken. Daher war es sehr wichtig, dass wir dieses 0:3 gegen ein Regionalliga-Spitzenteam noch aufgeholt haben.

Nach der 0:3-Pleite im letzten Spiel des alten Jahres gegen den VfB II und nur drei Punkten aus den vier Duellen nach dem Restart waren zumindest vereinzelte Stimmen laut geworden, die den Trainer infrage stellten. Stand Hans-Jürgen Boysen auf der Kippe?

Wir sind sehr dankbar, dass Hans-Jürgen unser Trainer ist, das will ich an dieser Stelle noch mal betonen. Uns war klar, dass es nach dem Abstieg und dem damit verbundenen großen Umbruch im Sommer sowie der sehr kurzen Pause eine schwierige Saison wird. Wir waren vom Kader überzeugt, aber der Trainer hat uns signalisiert, dass es eine gewisse Zeit benötigen wird, um die Mannschaft so zu entwickeln, dass sie kontinuierlich punkten kann. Ich wollte ihm das Vertrauen weiterhin geben, obwohl wir vor Weihnachten eine schwierige Situation hatten und weiterhin haben. Klar ist aber auch: Wir dürfen uns auf den zwei Siegen und 20 Punkten auf keinen Fall ausruhen.

Was erwarten Sie vom Spiel an diesem Samstag beim SV Elversberg und von den weiteren drei Partien, die im Januar noch folgen?

Wir wollen den Schwung der zwei Siege mitnehmen und auch in Elversberg probieren, mindestens einen Zähler zu holen oder sogar alle drei Punkte zu entführen. Dann haben wir gegen Koblenz endlich mal wieder ein Heimspiel, bevor es zum FSV Frankfurt geht, der für mich überraschend, aber verdient Tabellenführer ist. Auch dort brauchen und wollen wir uns nicht verstecken, im Gegenteil: Wir wollen aus den nächsten drei, vier Spielen so viele Punkte wie möglich holen.

Sie betonten schon in der Winterpause, dass Sie genug Qualität im Kader sehen. Bleibt es jetzt erst recht bei dieser Einschätzung oder wollen Sie im Januar doch noch nachrüsten?

Der Vorstand wird keine weiteren Mittel zur Verfügung stellen und hat damit in der schwierigen Lage mit Pandemie und Abstieg auch absolut recht. Wir werden dennoch nachrüsten, dies aber so, dass keine zusätzliche Belastung für den Klub entsteht. Insbesondere deshalb, weil wir nach den Gesprächen mit dem Trainerstab der Meinung sind, dass wir im Offensivbereich noch den einen oder anderen Spieler brauchen. Erst recht, weil es viele englische Wochen geben wird und wir bis 12. Juni noch 26 Spiele zu absolvieren haben. Wir werden auch Ausfälle und Sperren kompensieren müssen.

Für die sonst so ruhigen Aspacher Verhältnisse gab es nach dem Drittliga-Abstieg und dem verpatzten Regionalliga-Saisonstart in den sozialen Netzwerken auch vergleichsweise viel Kritik an Ihrer Arbeit. Nachvollziehbar für Sie?

Ich bin selbst ja auch Fan und schimpfe ab und zu mal, wenn ich in andere Stadien gehe. Das gehört eben dazu, damit muss man leben. Dass wir aus der Dritten Liga abgestiegen sind, lag sicherlich auch mit an meiner Arbeit, auch ich muss mich in solchen Situationen natürlich immer wieder hinterfragen. Nichtsdestotrotz ist die SG für mich kein Job, sondern eine Herzensangelegenheit. Daher werde ich auch weiterhin 100 Prozent für den Verein geben, um ihn wieder dorthin zu führen, wo er hingehört.

Waren die vergangenen Monate die schwierigste Phase, seit Sie im Sommer 2007 bei der SG Sonnenhof eingestiegen sind?

Es war für alle Beteiligten schon ein sehr anstrengendes Jahr, nachdem wir uns am letzten Spieltag in Köln 2019 noch gerettet hatten. Wir haben in unseren sechs Drittliga-Jahren vieles richtig gemacht. Wir mussten jedoch auch immer hoffen, dass die Konkurrenz, die finanziell teilweise übermächtig war, Fehler macht. Dann hat es uns leider erwischt, obwohl wir alles versucht hatten, was in unserer Macht stand. Das mussten wir so akzeptieren und uns wieder auf die Regionalliga einstellen. Wir haben heute ganz andere Strukturen als 2009, als wir aus der Oberliga aufgestiegen sind. Nun sind wir nicht mehr der kleine Underdog, sondern der Drittliga-Absteiger, und in dieser Rolle taten wir uns bislang noch etwas schwer, zu punkten. Daran müssen wir arbeiten und uns daran messen lassen.

Geht es diese Runde nur noch darum, den Absturz in die Oberliga zu verhindern, oder sehen Sie noch Chancen, die Top Sechs und damit das ursprüngliche Ziel zu erreichen?

Wir haben viele Spieler mit langfristigen Verträgen, die auch in der nächsten Runde bei uns sein werden. Für uns ist deshalb wichtig, uns diese Saison einzuspielen und Automatismen zu entwickeln, damit wir uns im Sommer nur punktuell verstärken müssen und in der Regionalliga dann eine ordentliche Rolle spielen können. Unabhängig davon dürfen wir die aktuelle Situation nicht unterschätzen, denn auch Vereine wie die Kickers oder der VfB II hatten sicher nicht mit dem Worst Case des Abstiegs in die Oberliga gerechnet. Ziel ist, die laufende Runde so weit vorne wie möglich zu beenden.

Peilt die SG Sonnenhof Großaspach über kurz oder lang die Rückkehr in Liga drei an oder ist dieses Kapitel ein für alle Mal beendet?

Die Dritte Liga wird immer unser Ziel sein. Man braucht Ziele im Sport, sonst können wir direkt aufhören. Daher wollen wir langfristig wieder ein Team aufbauen, das vielleicht irgendwann auch mal wieder aufsteigen kann. Wir haben aber jahrelang gut daran getan, nicht so viel zu reden, sondern zu arbeiten – dann haben wir uns am Ende des Tages auch belohnt. Bei dieser Herangehensweise sollten wir bleiben.

Aufstiege, Pokalsieg, Abstieg

Joannis Koukoutrigas, vorher Spieler und Funktionär beim Großen Alexander Backnang, kam im Sommer 2007 als Sportkoordinator zum damaligen Oberligisten SG Sonnenhof Großaspach. Zwei Jahre später – nach dem Double aus der Meisterschaft mit dem damit verbundenen Regionalliga-Aufstieg sowie dem WFV-Pokalsieg – wurde er zum sportlichen Leiter befördert.

Seit geraumer Zeit firmiert der 46-Jährige als Sportchef oder Sportdirektor, zudem zählt er seit Mai 2018 zum SG-Vorstand. Unabhängig von der exakten Bezeichnung gilt seit bald 14 Jahren: Koukoutrigas ist an vorderster Front für die Kaderplanung und alle anderen relevanten Entscheidungen rund um die erste Mannschaft verantwortlich. Seit 2018 kümmert er sich mit Sportkoordinator Peer Lauster auch um die U17 und die U19, um den Unterbau zu stärken.

Der größte Erfolg seiner Amtszeit war der Drittliga-Aufstieg im Jahre 2014. Fünfmal schaffte Großaspach den Klassenverbleib, auf die Plätze 15, 7, 10, 14 und 15 folgte in der vergangenen Runde als 19. der Abstieg.

Hauptberuflich ist Koukoutrigas seit 2010 als Geschäftsführer der Spielerberatungsagentur Fair-Sport von Gründer und Gesellschafter Uli Ferber tätig. Deren bekannteste Klienten unter den aktuellen Profis sind Keeper Bernd Leno und Joshua Kimmich.