Ein Abend, der im Zeichen von Neubeginn und Begegnung steht

Das persische Frühlingsfest Nouruz hat eine lange Tradition. Um die Bräuche und Kultur vorzustellen, lädt die afghanische Gemeinschaft in Murrhardt zu einem Treffen und festlichen Essen in der Friedenskirche ein.

Ein Abend, der im Zeichen von Neubeginn und Begegnung steht

Die Gäste versorgen sich am reich bestückten Büfett und sind gut gelaunt. Foto: privat

Von Christine Schick

Murrhardt. Die Räume in der Evangelisch-methodistischen Friedenskirche am Murrhardter Feuersee füllen sich: Menschen aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan sowie solche, die schon lange in Murrhardt leben, finden sich dort ein, um beim Abend rund um das persische Neujahrsfest Nouruz dabei zu sein, zu dem der Verein Pyramidea im Schulterschluss mit der Kirchengemeinde eingeladen hat.

Die Idee, über das Fest zu informieren, gemeinsam zu essen und Raum für Begegnungen zu schaffen, ist relativ spontan entstanden. Das Vereinsteam von Pyramidea unterstützt Geflüchtete unter anderem darin, selbst aktiv zu werden und sich zu engagieren. So bietet beispielsweise eine Ukrainerin einmal in der Woche in der Friedenskirche einen Bastelnachmittag an, bei dem auch afghanische Kinder mit von der Partie sind. Zudem gibt es Schulungen. „Im Gespräch ist dann die Frage aufgetaucht: Kennt ihr eigentlich das persische Frühlingsfest?“, erzählt Pastorin Susanne Meister. Somit war das Vorhaben geboren – von Nouruz zu berichten und einen bunten Strauß an Speisen zu reichen, so wie es auch beim Frühlingsfest Brauch ist. Die Idee passt sehr gut zum Projekt FugeesStand4U von Pyramidea, bei dem es darum geht, Möglichkeiten für Geflüchtete aus verschiedenen Ländern zu schaffen, sich sowie die unterschiedlichen Kulturen kennen und verstehen zu lernen.

Nawid Parsa, der selbst 2015 als Geflüchteter nach Deutschland kam und heute für Pyramidea arbeitet, und Mohammad Alizadeh, dessen Flucht nach in Murrhardt führte und der sich ehrenamtlich im Verein engagiert, übernehmen den Informationspart. Die beiden Afghanen zeichnen ein Bild des persischen Frühlingsfests – mit einem Mosaik aus Beschreibungen, Fotos und kurzen Videofilmen. Die Präsentation wird außerdem für die ukrainischen Gäste übersetzt.

Geschenke für Kinder, Sprung übers Feuer

Die Tradition des persischen Neujahrsfests reicht über 3000 Jahr zurück, über 300 Millionen Menschen begehen am 21. März das Nouruz-Fest, das die Unesco 2009 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen hat, wie die beiden berichten. Gefeiert wird das Erwachen des Frühlings, des neuen Lebens – die Vorbereitungen und das Fest werden von verschiedenen Traditionen begleitet. Nawid Parsa erzählt beispielsweise davon, dass Kinder Geschenke erhalten und dass das gemeinsame Essen wichtig ist. Es wird Holz für ein Feuer gesammelt, über das die Menschen springen – was für den geglückten Sprung ins neue Jahr steht. Ein Video zeigt, wie aus Samen Weizengras keimt und sich zu einer grünen Pracht entwickelt. Es ist Zutat für die Süßspeise Samanak, die es auch am Abend gibt. „Jeder darf sich etwas wünschen“, erzählt Nawid Parsa. Ein kleiner Knoten in einen der Weizengrashalme reicht, den man zurück in der Natur lässt. Die Gäste lernen Früchte und andere Gaben der Natur kennen, die in die verschiedenen Festgerichte einfließen, und dass rund zwei Wochen gefeiert wird. Parsa berichtet auch, dass die Taliban das Neujahrsfest in Afghanistan 1997 bis 2001 verboten haben. Nach dem Abzug konnten die Menschen wieder zum Nouruz zurückkehren. Nun nach dem Wiedereinzug sei dies nicht mehr möglich, was viele traurig mache.

„Die Lage im Moment ist schwierig, es gibt viel Armut und Unsicherheit“, sagt er. Der Kontrast zu den Bildern, in denen Natur und Farbenpracht aufscheinen, wird deutlich. Gleichzeitig dienen die verschiedensten Früchte als Brücke zum gemeinsamen festlichen Essen, das Afghaninnen und Afghanen nun den rund 60 Gästen reichen, und es kann fürstlich getafelt werden. In den Reihen finden sich Geflüchtete, die bereits 2015/16 nach Murrhardt kamen, genauso wie Menschen, die aktuell vor dem russischen Angriffskrieg geflohen sind, sowie (Wahl-)Murrhardter.

Der Abend möchte Begegnungen ermöglichen und steht im Zeichen eines ehrenamtlichen Engagements vonseiten der Geflüchteten. Jochen Schneider, der bei den beiden Vereinen Kubus und Pyramidea arbeitet, erläutert, dass es neben dem Basteltreff auch die Initiative eines ukrainischen Mädchens gibt, die für eine ganze Gruppe Nachhilfe gibt. Von Vereinsseite könnte man mit Fortbildungen unterstützen, beispielsweise im Umgang mit Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. „Das ist für ukrainische Mütter konzipiert, kann aber auch für Menschen hilfreich sein, die ehrenamtlich in dem Bereich tätig sind.“

Ehrenamt als Türöffner

Jochen Schneider ist sich sicher, dass ein ehrenamtliches Engagement auch den Geflüchteten insbesondere in Bezug auf die Sprache hilft und viele Türen öffnen kann. Sein Beispiel: Janda Mousa, die 2016 aus Syrien nach Deutschland und Murrhardt kam. Sie ist eine der Frauen und Männer mit Fluchtbiografie, die in einer Broschüre des Vereins Auskunft über ihre Geschichte geben. Früh beginnt sie, für die Caritas zu übersetzen und steigt in einen Bundesfreiwilligendienst ein. „Janda spricht voller Elan und Leidenschaft von ihrem ehrenamtlichen Engagement. Dieses habe ihr auch geholfen, einen Ausbildungsplatz zur Bürokauffrau zu bekommen“, heißt es in ihrem Porträt in „Ehrenamt ohne Grenzen“. Vor diesem Hintergrund baut Pyramidea auch gerade eine Online-Plattform für ehrenamtliches Engagement auf. Zudem prüft das Team, ob ein Antrag für ein Projekt im Bereich Stärkung des Ehrenamts und Begegnung mit Standort in Murrhardt eine Option ist.