Ein Kunstfenster am Wolkenhof

Arnold Annen und Violette Fassbaender zeigen im ehemaligen Atelier von Heinrich von Zügel ihre Videoinstallationen „Foliorum“ und „Verwandlung“. Die beiden Schweizer sind für ihre avantgardistischen Keramik- und Porzellankunstwerke weltweit bekannt.

Ein Kunstfenster am Wolkenhof

Arnold Annen im Schaffensprozess von Foliorum aus 2019. Die Gestaltung wurde im Video dokumentiert. Fotos: A. Annen/V. Fassbaender

Von Petra Neumann

MURRHARDT. Wer dem neuen Volkssport „spazieren gehen“ frönt und seinen Weg in Richtung Wolkenhof nimmt, sollte unbedingt einen Blick in das Kunstfenster des ehemaligen Ateliers von Heinrich von Zügel werfen. Seit dem 14. April läuft von 9 bis 23 Uhr eine Videoinstallation der Schweizer Keramikkünstler Arnold Annen und Violette Fassbaender mit den Titeln „Verwandlung“ und „Foliorum“ (etwa: Blättergarten). Hochspannende Themen also, die verfolgen, wie künstlerische Arbeiten von der Natur aufgenommen und umarrangiert werden.

„Wir haben die beiden Kunstschaffenden schon vor Jahren kennengelernt und bereits eine Kunstaktion mit ihnen gemacht“, erzählt Birgit Krueger am Telefon. Seither bestand der Wunsch, eine gemeinsame Ausstellung zu machen. Arnold Annen und Violette Fassbaender, die für ihre avantgardistischen Keramik- und Porzellankunstwerke weltweit bekannt sind, versenden schon seit Jahren Videos ihrer Kunstmetamorphosen an Freunde. Da stand es für die Galeristin fest, dass ein solches für das Kunstfenster am Wolkenhof ideal sei, was nunmehr bewiesen ist.

Violette Fassbaender und Arnold Annen lebten beide mehrere Jahre in Japan und haben dort ihre Aus- und Fortbildungen absolviert. Die gänzlich andere Weltanschauung hat auch sie beeinflusst. Arnold Annen arbeitet besonders gerne mit Porzellan, das durchscheinend ist und damit ein besonderes Material, das trotz seiner manifesten Form das Licht durchlässt. Die Bildershow zeigt diverse Kunstobjekte, die im gemeinsamen Ateliergarten in der Schweiz aufgestellt sind und gleichsam von der Natur in ihren Lebensprozess einverleibt werden. Dabei erfährt nicht nur das Sichtbare eine Veränderung, sondern auch die Oberfläche der Werke, die den klimatischen Prozessen wie Hitze, Regen, Schnee oder Eis ausgesetzt sind.

Die Frage dabei ist: Was macht nun die Biologie mit der Kunst? Ein bisschen ist es wie beim Action Painting von Jason Pollok, wirklich voraussehbar ist das Ergebnis nicht, sondern es ist dem Zufall überlassen, wie fallende Blätter ein neues Kleid auf die Installationen werfen oder wie das Blattwerk sich darum schlingt und ihnen einen Hauch von Magie verleiht. Birgit Krueger erzählte auch, wie ihre Freunde Lebensmittelfarben mit Wasser vermischten und feststellen mussten, dass sie sich beim Gefrierungsprozess absetzten. Violette Fassbaender ergänzte, dass sich immer neue Kanäle bildeten, die das Wasser abfließen und die Farbe immer intensiver werden ließen. „Da wir mit unserer Keramikkunst durch das Brennen mit der Verwandlung von zäh fließender Materie in harte arbeiten, interessiert uns dieses Thema ganz besonders“, führte die Schweizer Keramikmeisterin weiter aus.

Auch in ihren Werken ist das Motiv der Verästelung immer wieder gegenwärtig. Andererseits integriert die Natur die Fremdkörper, die im Grunde genommen aus ihren Materialien wie Quarz, Kaolin und auch Erdöl geschaffen sind, sogar, wenn sie sich nur in deren Oberfläche spiegelt. So entsteht ein lebendiger Prozess der Wandlung, sozusagen „living art“, der zu jeder Tages- und Jahreszeit neue Modulationen aufweist. Beim Prozess der Überwucherung erhalten die Objekte einen neuen Charakter, sie wirken wie verwunschene Zaubergegenstände, die da auftauchen, wo der Betrachter sie nicht vermutet, andere stechen ob ihrer Farbigkeit deutlich hervor und behalten ihre Alieneigenschaft bei. Beim Prozess der Wandlung kommt es durchaus auf die künstlerischen Formen an, die Natur kann Hohlkörper besser in Beschlag nehmen als flache Gegenstände. Interessant wird es, wenn das Kunstwerk selbst organische Formen aufweist, dann werden die Übergänge fließend. Das zeigt sich auch bei den Glasobjekten, die dem Wasser in drei seiner Aggregatszustände ausgesetzt sind. Es entsteht gleichsam eine Symbiose, wenn Wasser auf Glas tropft, wenn es von Schnee umschlossen wird oder wenn Eis darüberkriecht, denn wie Eis ist Glas eine gefrorene Flüssigkeit.

Der Betrachter kann am Kunstfenster den QR-Code auf sein Smartphone laden. Er hört dann die Geräusche von Krähen sowie Verkehr oder Glockengeläut. Es ist die passende Untermalungsmusik, denn auch hier treffen Naturklang und mechanisches Kunstgeräusch aufeinander, die Symphonie unseres Alltags.

Das Kunstfensterprojekt ist noch bis zum 22. Mai von 9 bis 23 Uhr oder im Internet unter www.einfenster.net zu sehen.

Ein Kunstfenster am Wolkenhof

Pyramidal (2018) ist eines der experimentellen Kunstwerke: In PET-Flaschen gefrorenes Wasser wird den Einflüssen der Witterung ausgesetzt.