Ein Leben für die Heimatgeschichte

Heute feiert Rolf Schweizer seinen 90. Geburtstag. Seit seiner Jugend führt er Gäste durch das Carl-Schweizer-Museum und die Walterichstadt. Nun bringt er die Ergebnisse der Ausgrabung in der Stadtkirche vor fast 50 Jahren auf den aktuellen Stand der Wissenschaft.

Ein Leben für die Heimatgeschichte

Rolf Schweizer hat die Geschichten und Geschichte von klein auf im Museumsbetrieb aufgesogen. Nach Studium, wissenschaftlicher Assistenz und Promotion zog es ihn nach Murrhardt zurück, um in der Stadt und Umgebung weitere spannende Projekte wie Ausgrabungen in Angriff zu nehmen. Auch heute führt er noch durchs Museum – die Aufnahme zeigt ihn in der römischen Abteilung. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Viele Erkenntnisse zur Geschichte der Walterichstadt sind Rolf Schweizer zu verdanken, der heute seinen 90. Geburtstag feiert. Nach wie vor ist er vielseitig aktiv, führt Gäste kurzweilig durch die Abteilungen des Carl-Schweizer-Museums, ab und zu auch noch durch seine Heimatstadt. Ein Manuskript zur Walterichskapelle ist druckfertig und zurzeit arbeitet er die Ergebnisse der Ausgrabung in der Stadtkirche von 1973/74 auf. „Es ist notwendig, die damals gewonnenen Erkenntnisse auf den neuesten wissenschaftlichen Stand zu bringen“, verdeutlicht der Heimatgeschichtsexperte.

Dabei fand das Ausgrabungsteam Pfostengruben, „die ältesten Spuren von Häusern der um 600 erbauten Siedlung und spätere Fundamente eines königlichen merowingischen Gutshofs“. Diese archäologischen Funde könne man nun in Verbindung mit alten Flurnamen wie Hofberg oder Hoffeld bringen, freut sich Schweizer. Mitte des 8. Jahrhunderts schenkte König Pippin den Gutshof seinem Freund Bischof Burkard von Würzburg. Zuvor ließ er darin eine Mönchszelle einrichten mit einer Kapelle, die der Heiligen Dreieinigkeit geweiht war. Deren Überreste befinden sich vor und unter dem Ostchor der Stadtkirche. „Jetzt bin ich dabei, anhand meiner Aufzeichnungen und Fotos die Namen von rund 20 Personen herauszufinden, die in der ehemaligen Klosterkirche bestattet wurden. Darunter sind elf evangelische Prälaten und eine Frau bestimmbar“, erzählt der Jubilar über seine schwierige Arbeit. Rolf Schweizer ist am 18. November 1932 in Murrhardt – in der Hauptstraße – zur Welt gekommen. „Ich begann schon als Schüler 1948 nach der Währungsreform, Stadt- und Kirchenführungen zu organisieren.“ Nach dem Abitur 1951 „habe ich als erste museale Tat“ den zerfallenden Wappenstein an der Rathausrückseite „restauriert und abgegossen“. Seit 1954 schmückt der 1559 entstandene Stein mit anderen die Fassade des Museums. Er zeigt die Wappen der Familie Hofsess und des württembergischen Herzogs Christoph und erinnert an den Wiederaufbau der Stadt nach dem Schmalkaldischen Krieg.

Anfang der 1950er-Jahre „begann meine Ausbildung zum zoologischen Präparator bei meinem Vater Egon und über 40 Jahre lang arbeitete ich in diesem Beruf“. Von 1952 bis 1957 studierte Rolf Schweizer in Tübingen Zoologie und Botanik, Geologie und Paläontologie sowie Ur-, Vor- und Frühgeschichte. Von 1957 bis 1960 arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Zürich. 1960 promovierte er in Tübingen über Haifische, Rochen und Seekatzen des Weißen Jura, deren Fossilien man in einem Steinbruch bei Nusplingen auf der Schwäbischen Alb fand.

1961 heiratete er seine Frau Ingrid und das Ehepaar bekam zwei Söhne. 1965 wurde Christian geboren: Seit Langem unterstützt er seinen Vater in allem tatkräftig, leitet das Museum und führt das Präparationsatelier, aber „ich arbeite gemeinsam mit meinem Sohn weiter“, betont der Jubilar. 1971 kam Ulrich zur Welt, der heute Professor für Biochemie mit dem Forschungsschwerpunkt Neurologie in Bonn ist. Als Doktor der Naturwissenschaften erweiterte Rolf Schweizer ab 1960 die zoologische Sammlung und die historischen Abteilungen des Museums, dazu erforschte er die Murrhardter Geschichte.

Von 1961 bis 1971 unternahm er mit drei ehrenamtlich mitarbeitenden Rentnern Ausgrabungen an fünf teils völlig zugewachsenen, teils als Müllhalden missbrauchten Limeswachturmstellen auf Murrhardter Gemarkung und restaurierte sie. Auf seine Initiative erfolgten 1963 die Ausgrabung an der Walterichskirche durchs Landesdenkmalamt unter Regie des Mittelalterarchäologen Bodo Cichy. „Ich war täglich dabei“, erinnert sich der Jubilar. Eine Sensation war die Entdeckung des Walterichsgrabes mit der Darstellung der Kapitolinischen Wölfin auf einer römischen Steinplatte. 1964 berief Landesdenkmalamtsleiter Günter P. Fehring Schweizer nach Unterregenbach bei Langenburg zu den Ausgrabungen der rätselhaften Sakralbauten. 1965 wirkte er bei der Dokumentation von Grüften aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in der Crailsheimer Johanneskirche mit und arbeitete etappenweise als Grabungsleiter auf der Großcomburg bei Schwäbisch Hall bis 1972. 1973/74 leitete er maßgeblich die von Fehring überwachte Ausgrabung in der Stadtkirche und im angrenzenden Klosterhof, 1975 erkundete er den Kastellbereich bei Grabungen. Von 1960 bis 1982 war er Murrhardter Heimatpfleger, seit 2003 Limesbeauftragter und entdeckte 2010 mit seinem Sohn Christian das Römerbad.

Auch politisch war Rolf Schweizer aktiv, saß von 1968 bis 1984 als Stadtrat der SPD-Fraktion im Murrhardter Gemeinderat. „Mein Freund Rudi Gehring und ich versuchten gemeinsam möglichst viel Positives zu erreichen“, so etwa den Durchbruch zwischen Gartenstraße und Fornsbacher Straße und die Sanierung des Stadtkerns mit Umgestaltung von Klosterhof und Marktplatz. „Der Lange Bau wurde nach meinen Zeichnungen wiederhergestellt, wie er um 1550 aussah, ebenso die Fachwerkfassaden der Häuser am Marktplatz.“ Als Kreisrat begleitete er von 1969 bis 1980 die Gemeinde- und Kreisreform. Von 1979 bis 1987 war er Vorsitzender der Volkshochschule Murrhardt und unternahm etwa 100 heimatkundliche Exkursionen. Seit 1981 war er Naturschutzbeauftragter des Rems-Murr-Kreises und konnte mit Landrat Horst Lässings Unterstützung den Bildstock bei Köchersberg (religiöses Kleindenkmal) und mehrere Limessteine errichten.

Seit Langem ist der Jubilar Mitglied des Schwäbischen Albvereins, im Verein für die Pflege von Kleindenkmälern sowie seit 1960 im Backnanger Heimat- und Kunstverein, was den Erwerb der vier gotischen Heiligenfiguren des Murrhardter Allerheiligenaltars von 1496 ermöglichte. 1983 konnte dieser Altar in der Stadtkirche wiederaufgerichtet werden, wobei sein Sohn Christian und Schreinermeister Richard Braun aktiv mitwirkten. Seit 1950 ist Rolf Schweizer Mitglied im Geschichtsverein Murrhardt und war erstes Mitglied des Backnanger Vereins Gotischer Chor St. Michael. Bereits 1982 wurde Rolf Schweizer das Bundesverdienstkreuz verliehen, 1990 erhielt er den Heimatpreis des Rems-Murr-Kreises und seit 2012 ist er Träger der Bürgermedaille der Stadt Murrhardt. „Mein ganzes Leben war ich selbstständig und unabhängig, nur der Familie und dem Museum verpflichtet“, betont der Jubilar, dessen 20 Jahre dauernden Bemühungen zum Wiederaufbau der Pilgerstaffel erfolgreich waren.