Ausstellung zu Carl Schuch

Ein Maler wie ein Forscher

Warum wird ein Maler weltberühmt, ein anderer nicht? Das Städel Museum Frankfurt wagt ein interessantes Experiment, um Carl Schuch bekannter zu machen. Gelingt es?

Ein Maler wie ein Forscher

Carl Schuch hat gern auf der Jagd erlegte Tiere gemalt wie „Toter Fuchs“ (1882 oder 1883)

Von Adrienne Braun

Allein mit einem Bündel Spargel konnte er sich tage- und wochenlang beschäftigen. Denn Carl Schuch war sich sicher, dass gemalte Spargelstangen auf einem Holztisch eine völlig andere Wirkung haben als auf einem weißen Tuch. Deshalb malte er die Spargel wieder und wieder und stellte mal einen Zinnkrug daneben, mal eine Blechdose – in der Hoffnung, dass sich verschiedene „coloristische Handlungen“ ergeben und die Farben unterschiedliche Stimmungen auf dem Gemälde hervorbringen.

Und so hängt im Städel Museum in Frankfurt nun ein kompletter Saal voll mit Spargel-Stillleben, die eine Ahnung davon geben, was für ein Typ dieser Carl Schuch war und welche Fragen ihn als Maler umtrieben. In Kunstkreisen hat der 1846 geborene Wiener durchaus einen Namen, die Ausstellung „Carl Schuch und Frankreich“ will ihn jetzt aber auch einem breiteren Publikum bekannt machen und stellt ihn sogar in eine Reihe mit den großen Franzosen Gustave Courbet oder Claude Monet. Wobei Schuch einer der „eigenständigsten Künstler des 19. Jahrhunderts“ gewesen sei, meint der Direktor Philipp Demandt. In seinen Bildern stecke eine „leise, aber eindrucksvolle Energie“. Stimmt das?

Ein Umherreisender, der Seen liebte

Carl Schuch scheint ein unruhiger, vielleicht auch tragischer Mensch gewesen zu sein, dessen Eltern und Schwester früh starben. Das Studium an der Akademie brach er bald wieder ab und nahm lieber Privatunterricht. Immerhin war er sehr vermögend, sodass er fortan rastlos durch Europa reiste und die Sommermonate an verschiedensten Seen verbrachte, mal am Ammersee, mal am Starnberger See, dann wieder am Mondsee. Eine Weile lebte er in München, dann wieder in Venedig, wo er sich dank seines Erbes ein großzügiges Atelier leisten konnte.

Stillleben immer wieder neu

Auch in Paris war er und ließ sich inspirieren von den französischen Strömungen, wobei er über den Pariser Salon von 1883 abfällig notierte: „Außer Vollon habe ich eigentlich nichts gesehen von besonderer Anziehung, das man sich gern oft ansehen und selbst gemacht haben möchte.“ Im Frankfurter Städel sind nun einige Werke der Franzosen zu sehen, wie auch von deutschen Kollegen, mit denen Schuch in Kontakt stand. Mit seinem Freund Wilhelm Trübner malte er sogar identische Motive – etwa einen Jungen, der in der Stube vor einem Schrank steht, oder Stillleben mit Äpfeln und Birnen. Die Bilder der beiden hängen in der Ausstellung nun nebeneinander und zeigen, dass Schuch wie ein Forscher an die Arbeit ging und ein fleißiger Kerl gewesen zu sein scheint, der sich immer neue Aufgaben stellte. „Selbst sehen und selbst finden“, lautete sein Motto – und so arrangierte er zum Beispiel die Gegenstände seiner Stillleben immer wieder neu und tauschte einen roten Apfel gegen einen grünen aus oder präsentierte das Obst hier mit einer Porzellanschale, dort mit einer Metalldose.

Schau gleicht einem kunsthistorischem Seminar

Bei solchen Versuchsanordnungen sind Kunsthistoriker in ihrem Element. Deshalb wollten die Frankfurter Kuratoren auch weniger Schuchs Werk Raum geben, sondern haben die Ausstellung eher wie ein kunsthistorisches Seminar aufbereitet. So gilt es, Werke zu vergleichen – etwa Schuchs Stillleben „Kleine Trödelbude“ von 1878 mit einem 200 Jahre älteren Stillleben, das sehr viel feiner gemalt ist. Seine Obststillleben hängen neben den berühmten Obstarrangements von Paul Cézanne, und seine Landschaftsbilder neben Claude Monets. Als sei die Kunst allein dafür da, sie kunstwissenschaftlich zu analysieren, sollen die Besucher immer neu nach Kompositionsprinzipien, Lichtverstimmungen und Pinselführung fahnden.

Schau oder kunsthistorisches Seminar?

Dem Werk Schuchs wird man dabei aber nicht gerecht. Im Gegenteil leistet man seinen Bildern durch diese vielen Gegenüberstellungen sogar einen Bärendienst. Denn die Werke der deutlich versierteren Maler rücken zu Unrecht die Schwächen Schuchs ins Licht. Seine Obststillleben mögen reizvoll sein. Er hat in solider Malerei frisch gejagte Fasane und Rebhühner gemalt. Seine Blumenarrangements sind sinnlich und schön. Aber so oft er doch Spargel umarrangierte und mit „forschender Arbeitsweise“ die Farbnuancen untersuchte – nur ein Gemälde in der Spargelparade zieht den Blick wie magisch auf sich: Édouard Manets „Spargelbündel“ von 1880, das auf grünem Kraut liegt. Die Farbkontraste sind stark und das pralle Volumen des Spargels besitzt eine Präsenz, mit der keine Variante von Carl Schuch aufwarten kann. Auch seinen Landschaften fehlt im Vergleich Tiefe. Wenn Schuch Felder, Wälder oder Hügel malte, schien sein Blick im Vordergrund hängen zu bleiben, was den Bildern mitunter eine fast beklemmende Wirkung verschafft. So ausdauernd er der „coloristischen Handlung“ auf der Spur war, am Ende könnte es an den akademischen Experimenten gelegen haben, dass seiner Malerei Leichtigkeit und Freiheit fehlen, die manchmal aufregendere Ergebnisse hervorbringen als gewissenhafte Fleißarbeit. Und doch hat Carl Schuch seine Qualitäten, nur verblassen diese in der Frankfurter Ausstellung neben dem Glanz der großen Namen.

Von den Kollegen lernen

StudienCarl Schuch hat auch selbst Kunst seiner Kollegen gekauft, die er systematisch analysierte und versuchte, deren Strategien in seiner Malerei weiterzuentwickeln. In Notizheften dokumentierte er akribisch seine Farbstudien.

InfoAusstellung bis 1.Februar, geöffnet Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr. adr