Eine Sternstunde klassischer Gitarrenmusik

Gitarrist Friedemann Wuttke nimmt seine Gäste bei seinem Konzert in der Walterichstadt auf eine abwechslungsreiche Zeit- und Weltreise durch virtuose Kompositionen für das Zupfinstrument vom Barock bis zum 20. Jahrhundert mit.

Eine Sternstunde klassischer Gitarrenmusik

Friedemann Wuttke zeigte sein Können auch durch die Auswahl extrem kontrastreicher Stücke. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. „Faszinierend, dass eine Gitarre wie ein ganzes Orchester klingen kann“, und „wir sind überrascht, wie vielfältig und virtuos Gitarrenmusik ist“, brachten begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer ihre Eindrücke vom Konzert mit dem Gitarristen Friedemann Wuttke auf den Punkt. Schon oft gastierte er in der Walterichstadt und wirkte auch mehrfach als Juror beim Murrhardter Musikpreis mit.

„Aufbruch – Die klassische Gitarre im Wandel der Jahrhunderte“ lautete der Titel des Programms, das er im Heinrich-von-Zügel-Saal präsentierte und mit Informationen zu den Komponisten und vorgestellten Werken moderierte. Mit hoch virtuosen Interpretationen komplexer Tonkunstwerke demonstrierte der Vollblutmusiker Gitarrenspielkunst auf höchstem Niveau. Friedemann Wuttke gestaltete die Werke mit außerordentlich hoher Fingerfertigkeit, ausgeklügelten Grifftechniken und gewürzt mit verschiedenen Effekten.

Einzigartig fein nuanciert gestaltete der Künstler die Dynamik, deren Bandbreite von zartesten, kaum mehr hörbaren Tönen bis zu kraftvollen Akkorden in maximaler Lautstärke reichte. Bis ins kleinste Detail arbeitete er die beträchtliche Fülle der unterschiedlichen Melodie-, Harmonie- und Rhythmuselemente heraus. Zudem präsentierte er stilvoll die verschiedenartigen Motive und Klangfarben, empfindungsreich das große Spektrum der Emotionen und Stimmungen. So bescherte er den Musikfans einen grandiosen, unvergesslichen Hörgenuss.

Den Rahmen bildeten Meisterwerke der Gitarrenvirtuosen und Komponisten Fernando Sor und Ferdinando Carulli aus der Zeit der Wiener Klassik und Romantik, die zugleich Blütezeit der klassischen Gitarre war. Der bedeutendste komponierende Gitarrist sei der Spanier Fernando Sor, berühmt für seine außergewöhnliche Virtuosität und Kompositionskunst: „Er war der Musik Wolfgang Amadeus Mozarts verpflichtet, aber in der Romantik angekommen“, betonte Wuttke.

Von Fernando Sor bot er fünf Menuette dar, die teils klassisch graziös, verspielt, leicht und duftig, teils auch romantisch sehnsuchtsvoll, melancholisch oder traurig wirkten. Sie waren inspiriert von klassischen und frühromantischen Werken sowie von spanischen Volksweisen und -tänzen. Der Gitarrist brachte die klangschönen Kantilenen, kleine reizvolle Motive sowie kunstvolle Folgen gebrochener Akkorde vollendet zur Entfaltung. Ein Höhepunkt war Fernando Sors temperamentvolles, hoch virtuoses „Grand Solo Opus 14“ mit einem großen Sonatenhauptsatz.

Ebenfalls von der beschwingten, verspielten Musik Mozarts inspiriert war die Sonatine des Italieners Ferdinando Carulli mit einer fein nuancierten und ausbalancierten Mischung von klassischen und romantischen Kompositionsdetails.

Einen starken Kontrast dazu bildeten die Tonschöpfungen des brasilianischen Gitarristen und Komponisten Heitor Villa-Lobos, die im Zentrum des Programms standen. Sie zeichnen sich laut Friedemann Wuttke durch eine starke „Progressivität in der Komposition und im Umgang mit der Gitarre aus, wofür er viele neue Techniken entwickelte“. Die Musik und den Stil von Villa-Lobos prägten die Folklore seiner Heimat, die klassischen Formen der europäischen Kunstmusik sowie die Klangsprache des Impressionismus, vor allem Maurice Ravels Werke, die er kongenial miteinander verschmolz.

Abwechselnd trug der Künstler ausgewählte Stücke aus zwölf Etüden und fünf Préludes von Heitor Villa-Lobos vor. Die überaus komplexen, sehr schwer zu spielenden Etüden zeichneten sich aus durch moderne, innovative melodische und harmonische Details, dissonante Klänge und aus chromatischen Tonfolgen entwickelte Läufe. Die Palette der Stimmungen reichte von trist über spannungsvoll und düster bis aufgewühlt, hinzu kamen klangliche und rhythmische Figuren, die schon beinahe wie Arrangements für Melodien wirkten, wie sie für Jazz, Pop und Rock charakteristisch sind. Die Etüden hingegen klangen deutlich melodiöser und gefälliger, mal bezaubernd atmosphärisch mit vielfältigen impressionistischen Klangnuancen, mal tänzerisch beschwingt. Hinzu kamen liedhaft eingängige, stimmungsvolle Melodien und Harmonien. Mit seiner überaus variablen und sensiblen Spielkunst machte Friedemann Wuttke daraus große Ohrenschmeichler. Die großen Gegensätze zwischen den unterschiedlich ausgearbeiteten Kompositionen machten das Konzert zu einem außerordentlich facettenreichen, hoch attraktiven Hörvergnügen.

Folglich signalisierte das Publikum mit lautstarkem, rhythmischem Beifall den Wunsch nach mehr, den der Gitarrenkünstler mit zwei Zugaben erfüllte. Er präsentierte den bekannten Spanischen Tanz von Enrique Granados mit verträumter Serenadenmelodik, überdies die berühmteste, modern und minimalistisch wirkende Sarabande von Johann Sebastian Bach aus dessen fünfter Suite für Violoncello solo.