Entlang der L1066 soll’s leiser werden

Entwurf des Lärmaktionsplans 2020 geht ins Verfahren – Spezialstraßenbelag, Temposenkung und Schutzfenster als Möglichkeiten

Ab einem bestimmten Pegel kann Lärm gesundheitsgefährdend sein. Um problematische Belastungen zu reduzieren, müssen Grenzwerte eingehalten beziehungsweise Schutzmaßnahmen in Angriff genommen werden. Auch in Murrhardt gibt es entlang der Landesstraße 1066 bestimmte Abschnitte, bei denen die Werte hoch liegen. Um zu reagieren, hat die Stadt nun den Entwurf des Lärmaktionsplans 2020 auf den Weg gebracht.

Entlang der L1066 soll’s leiser werden

Die Landesstraße L1066 auf der Strecke zwischen Bahnhof und Bosch-Werk – hier auf Höhe der Murrarkaden – ist die Hauptverkehrsader und somit auch der Lärmschwerpunkt in Murrhardt. Archivfoto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Den rechtlichen Rahmen gibt die EU-Umgebungslärmrichtlinie beziehungsweise das Bundesimmissionsschutzgesetz vor. Konkrete Grundlage wiederum ist eine Lärmkartierung, auf deren Basis Lärmaktionspläne mit einem bestimmten Maßnahmenkatalog vorgeschlagen werden. Ähnlich wie bei anderen umfassenderen Konzeptionen – beispielsweise Bebauungspläne – werden vor der Verabschiedung Träger öffentlicher Belange und die Bevölkerung beim Verfahren beteiligt.

Mit den Vorarbeiten war das Stuttgarter Planungsbüro Planung und Umwelt von Michael Koch beauftragt. Dieser stellte den Stand und Entwurf des Lärmaktionsplans für Murrhardt in der jüngsten Gemeinderatssitzung vor. Da es um die Hauptverkehrsstraßen geht, ist in Murrhardt die Landesstraße1066 im Fokus. Letztlich ausschlaggebend sei die Menge an Fahrzeugen, die dort verkehren, sagte Michael Koch. Handlungsbedarf besteht, wenn die Lärmbelastung über 24 Stunden im Schnitt 70 dB(A) beziehungsweise 60 dB(A) in der Nacht überschreitet. Als Lärmschwerpunkt ausgemacht hat das Büro die Landesstraße1066 auf dem Abschnitt vom Bahnhof bis zum Standort des Bosch-Werks. Einzelne Gebäude beziehungsweise Bewohner in Hausen sowie Fornsbach sind ebenfalls stärker belastet. Eine Rolle dabei spielt, wie nahe die Häuser an der Straße stehen. Mit Blick auf Gegenmaßnahmen gibt es zwar einige Möglichkeiten, aber sie sind unterschiedlich effektiv, manche aller Wahrscheinlichkeit nach auch schwer durch- beziehungsweise umzusetzen.

Zur einfachsten Rechnung – Verkehrsreduktion auf der Landesstraße – sagte Michael Koch, dass zur merklichen Reduktion für die Lärmbelastung auch eine hohe Menge an Autos von der Straße genommen werden müsste. Da auch Lärmschutzwände entlang der Strecke nachträglich schwierig zu integrieren sind, bleiben vor allem zwei Punkte: lärmmindernde Fahrbahndeckschichten, die allerdings teurer und weniger langlebig als die herkömmlichen seien, sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 oder 40 Kilometer pro Stunde. Unter den Punkt Verkehrsverlagerung fällt eine langfristige Realisierung der im Regionalplan ausgewiesenen Umgehungsstraße. Hinzu kommen als passive Maßnahmen Lärmschutzfenster und -türen, Dämmung sowie schallgedämpfte Wandlüfter. Dabei hat das Büro die Wirkungen einzelner Maßnahmen aufgeschlüsselt mit Blick auf die Reduktion bestimmter Lärmbelastungspegel.

Untersucht wurden die Effekte bei Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 beziehungsweise 40 Stundenkilometer kombiniert mit denen eines lärmmindernden Straßenbelags – Abnahme um etwa vier dB(A) und drei bis vier dB(A) – sowie die nur für den Belag – zwei dB(A). Bei einem Lärmschutzbelag ist der Effekt für Fornsbach eine Reduktion um etwa vier dB(A). Michael Koch problematisierte bei den Geschwindigkeitsbegrenzungen allerdings, dass auf der Strecke in der Kernstadt schon allein wegen der Ampeln kaum 50 Stundenkilometer erreicht würden und der Busverkehr teils 40 Stundenkilometer voraussetze. Als weiteren Vorschlag beinhaltet der Entwurf die Ausweisung dreier Waldgebiete (zwei südlich und eines nordöstlich von Murrhardt) als geschützte Bereiche.

Die betroffenen Abschnitte sind zum Glück überschaubar

In der anschließenden Beratung wurden unterschiedliche Aspekte angesprochen und vertieft. Bürgermeister Armin Mößner erinnerte daran, dass ein Programm, bei dem die öffentliche Hand Fördergelder zur Lärmschutzsanierung zur Verfügung stellte, fast nicht in Anspruch genommen wurde. Er machte keinen Hehl daraus, dass die Verwaltung einer Geschwindigkeitsreduzierung kritisch gegenüberstehe und man dabei auch die Verhältnismäßigkeit zu den Zahlen der Betroffenen im Blick behalten müsse. Den Bau einer Umgehungsstraße hält er für wenig realistisch. Insofern bliebe als Maßnahme noch der lärmmindernde Straßenbelag, der vom zuständigen Land einzufordern sei.

Auch Edgar Schäf (SPD) setzt weniger auf die Geschwindigkeitsbegrenzung – innerorts stellt er die Effektivität infrage, außerhalb die politische Durchsetzbarkeit. „Wir haben Glück, dass nur relativ überschaubare Abschnitte betroffen sind“, sagte er. Die Lärmschutzsanierung an Gebäuden zu fördern, hält er für zielführender. Ralf Nentwich (MDAL/Die Grünen) stellte fest, dass selbst die Kombination aus Temporeduktion und Belag keinen großen Effekt bringe und erkundigte sich, ob nicht langfristig mit der E-Mobilität sich auch die Lärmsituation verändere. Michael Koch sagte dazu, dass dies von den aktuellen Zahlen her in der Untersuchung schon eingeflossen sei. Andreas Winkle (CDU-FWV) hält es für sinnvoll, eine Reduktion durch einen Straßenbelag anzugehen, erinnerte allerdings auch daran, dass die Sanierung der L1066 noch nicht allzu lange zurückliege und insofern die Maßnahme ebenfalls vermutlich nicht selbstverständlich an der Reihe sei. Dass es auch nachts in Murrhardt nicht gerade ruhig sei, bestätigte Markus Blank (UL), der dies auf seinen Jagdgängen immer wieder wahrnehme. Da der Einbau von Schallschutzfenstern bei dem früheren Förderprogramm so schlecht angenommen wurde, stellte er infrage, ob auch die Betroffenen den Lärm wirklich als Problem sähen. „Sie müssen berücksichtigen, dass die Bewohner nicht immer die Eigentümer sind, die das entscheiden“, sagte Michael Koch dazu. Welche Maßnahmen dann in welcher Höhe finanziell unterstützt würden, sei letztlich auch eine politische Entscheidung.

Der Entwurf des Lärmaktionsplans mit den vorgeschlagenen Maßnahmen (siehe Kasten) wurde vom Gemeinderat einstimmig beschlossen. Nächster Schritt ist die Auslegung und Beteiligung der Öffentlichkeit.

Info
Handlungsdruck besteht ab bestimmten Messwerten

Vorgeschlagene Maßnahmen in Murrhardt: Lärmmindernder Belag für Landesstraße1066 auf dem Abschnitt zwischen Bahnhof und Bosch-Werk (etwa 1,2 Kilometer), Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 oder 40 Stundenkilometer im selben Abschnitt, langfristige Realisierung der Ortsumgehung; vorgeschlagene Maßnahmen in Murrhardt und Fornsbach: Aufstellung eines Schallschutzfensterprogramms für die gesamte Kernstadt Murrhardt und in Fornsbach für Gebäude, die Fassadenpegeln oberhalb der Auslösewerte ausgesetzt sind; Integration des Programms fürs Sanierungsgebiet „Bahnhof/östlich Klosterhof und in die Sanierung des Erich-Schumm-Stifts sowie lärmmindernder Belag für Fornsbach.

Handlungsdruck besteht bei Überschreitung der Richtwerte – tags 70 dB(A) und nachts 60 dB(A); Werte ab 65 dB(A) am Tag und 55 dB(A) in der Nacht liegen im gesundheitskritischen Bereich.

Betroffenheitsstatistik für Murrhardt: Vom 24-Stunden-Wert über 65 bis 70 dB(A) sind 68 Einwohner, 42 Gebäude und 30 Wohnungen betroffen, vom Wert über 70 bis 75 dB(A) 14 Einwohner, 11 Gebäude und 5 Wohnungen; nächtliche Werte von 55 bis 60 dB(A) liegen bei 78 Einwohnern, 42 Gebäuden und 35 Wohnungen vor, Werte von 60 bis 65 dB(A) bei 15 Einwohnern, 12 Gebäuden und 6 Wohnungen.

Betroffenheitsstatistik für Fornsbach: Vom 24-Stunden-Wert über 65 bis 70 dB(A) sind 12 Einwohner, 8 Gebäude und 6 Wohnungen betroffen, bei 70 bis 75 dB(A) jeweils ein Einwohner, ein Gebäude und eine Wohnung; exakt dieselben Anzahlen gelten für die nächtlichen Werte 55 bis 60 dB(A) sowie 60 bis 65 dB(A).