Forum Theater

Entschlacken auf der Burger-Couch

Das Forum Theater bringt mit „Achtsam morden durch bewusste Ernährung“ von Karsten Dusse mit drei brillanten Darstellenden auf die Bühne.

Entschlacken auf der Burger-Couch

Drei Schauspielende in insgesamt 17 Rollen: Schirin Brendel, Stefan Maaß und Andreas Petri (v.l.)

Von Thomas Morawitzky

Wenn er träumt, dann schwingt er die Kettensäge. Im wahren Leben mordet er diskreter. Björn Diemel war einmal der Büromensch, der seiner Frustration in Gewaltfantasien Luft machte. Dann traf er seinen Guru, und alles wurde gut. Seither führt Anwalt Diemel ein Doppelleben, engagiert sich auch im Reich der organisierten Kriminalität, ist rundum ausgeglichener geworden, hat seine Mitte gefunden – und das sieht man ihm an: Denn diese Mitte wölbt sich. Stefan Maaß, der den Björn Diemel spielt, zum zweiten Mal schon, im Form Theater, hat sich Polster unters Hemd gestopft, um die Fettleibigkeit anzudeuten, die sich einstellen kann, wenn man Anwalt und Gangsterboss in einer Person ist.

Das Forum Theater setzt auch diesen Bestseller aus der Reihe um

Karsten Dusse schlug einen ähnlichen, wenn auch nicht ganz so rabiaten Lebensweg ein. Er ist Anwalt und Bestsellerautor, er erfand die Figur des Björn Diemel. Dusse, geboren 1973 in Essen, landete 2019 mit „Achtsam morden“, einem „entschleunigten Kriminalroman“, einen Hit. Das Buch, ein schwarzhumoriger Mix aus „Breaking Bad“, „American Psycho“ und einem Wellness-Ratgeber, kletterte die Bestsellerlisten hinauf, wurde vielfach auf dem Theater gespielt und von Dusse mit bislang vier Fortsetzungen versehen. Die jüngste erschienen 2024, heißt: „Achtsam morden durch bewusste Ernährung“ und wird nun im Forum Theater gespielt, für die Bühne bearbeitet von Bernd Schmidt, in derselben Besetzung, in der seit Frühjahr 2022 dort der erste Teil der Serie zu sehen war.

Wieder also ist Stefan Maaß Björn Diemel – und Schirin Brendel, Andreas Petri sind viele. Ihre frappierende, zutiefst humorvolle Wandlungsfähigkeit machen das Stück, neben Stefan Maaß‘ Verkörperung der Hauptfigur und dem Bühnenbild, zu einem großen Vergnügen. Wieder gestaltete Regisseur Marcel Keller die Bühne selbst – feine Zeichnungen lassen, projiziert, unterschiedliche Szenarien in klaren Umrissen entstehen, die Mitte der Bühne aber wird beherrscht von einer erst unkenntlichen, verdeckten Masse. Das Tuch hebt sich und hervor kommt ein riesenhafter Burger. Der lässt sich aufklappen, wird zur Couch. Darauf sitzt Diemel, knuspert Kartoffelchips, langweilt sich, wird fetter.

Schauspieler stürzen von einer Szene in die nächste

Wie im ersten Teil erscheint nun der Achtsamkeitscoach Joschka Breitner und bringt die Lösung. Heilfasten empfiehlt er. Und dazu eine Darmspülung. Björn Diemel strebt zur Apotheke, lässt sich von einer unrasierten Fachkraft kundig beraten, hockt dann hinter seiner Burger-Couch und verabreicht sich grimassierend den Einlauf, das Publikum lacht Tränen. Später dann wird die Vorrichtung zur Darmspülung – ein Wasserbehälter mit Schlauch und Klistier – als Folterinstrument dienen. Denn ein veganer Weltretter, Sohn einer Fleischerdynastie, entführt Diemels Tochter. Beim Vater schlägt das Fasten schon an, er fühlt sich agiler – und er sinnt auf Rache. In einem zweiten Handlungsstrang beschließt Björn Diemel, sein Geschäftsmodell, den Handel mit weichen Drogen, umzustellen. Er will Cannabis künftig selber ziehen im Keller eines Zoos – umweltfreundlicher, wie er behauptet. Seine kriminellen Helfer indes mutmaßen, ihr Chef langweile sich und habe ein Auge auf die Tierpflegerin im Zoo geworden. Für diese Figur legt Schirin Brendel einen schwer wienerischen Ton auf und kredenzt ihrem Gast unaussprechliche Getränke: „Elefantensperma, schockgeforen!“

Brendel verkörpert schwungvoll die Ex-Frau des Anwalts, einen Komplizen, einen Entführer. Andreas Petri spielt den Guru, einen Komplizen und einen Entführer. Weitere Figuren kommen als Handpuppen hinzu. Die Schauspieler wechseln Temperamente und Perücken, stürzen von einer Szene in die nächste. Und wer sich wundert, da bislang nicht achtsam gemordet wurde, der muss nur warten bis zuletzt. Dann spritzt das Blut, Schreie erfüllen die Luft, und Björn Diemel verabschiedet sich, mit reiner Weste, entspannt, entschlackt und voll positiver Energie.

Vorstellungen bis zum 26. Oktober