Vor den geplanten Ukraine-Gesprächen in der Türkei hat die EU ein neues Paket mit Strafmaßnahmen verabschiedet. Ins Visier genommen wird die russische Schattenflotte.
Bundeskanzler Friedrich Merz (von links), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Keir Starmer, Premierminister von Großbritannien, und Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen, haben in Kiew Russland mit Sanktionen gedroht. Die werden von der EU nun umgesetzt.
Von Knut Krohn
Die Europäische Union blufft nicht. Das ist die deutliche Botschaft aus Brüssel an Russland. Die EU-Staaten haben sich am Mittwoch wegen des anhaltenden Angriffskrieges gegen die Ukraine auf ein neues Sanktionspaket verständigt. Es sieht unter anderem eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor. Zudem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung bestehender Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen.
Die EU-Kommissionschefin ist zufrieden
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte dazu: „Ich begrüße die Einigung auf unser 17. Sanktionspaket gegen Russland.“ Und sie betonte, dass Europa in seiner Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen werde. „Wir werden den Druck auf den Kreml aufrechterhalten“, erklärte die Politikerin. Die neuen Sanktionen sollen am kommenden Dienstag bei einem EU-Außenministertreffen formell beschlossen werden und dann sofort in Kraft treten.
Insgesamt sollen nach Angaben aus Diplomatenkreisen knapp 200 weiteren Schiffen das Einlaufen in Häfen in der EU verboten werden. Ebenso würden die Betreiber dann auch nicht mehr von Dienstleistungen europäischer Unternehmen profitieren können. Von neuen Ausfuhrbeschränkungen werden dem Plan zufolge rund 30 wirtschaftliche Akteure betroffen sein. 75 weitere Personen und Unternehmen sollen gar keine Geschäfte mehr in der EU machen dürfen und müssen auch Vermögenssperrungen befürchten.
Die Sanktionen sind schon lange in Planung
Die neuen Sanktionen waren in Brüssel bereits in Planung, bevor Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen dem Kreml am Wochenende mit verschärften Strafmaßnahmen gedroht hatten, wenn er einer 30-tägigen Waffenruhe im Ukraine-Krieg nicht zustimmt. Das bislang letzte Paket der EU mit Russland-Sanktionen war im Februar beschlossen worden, passend zum dritten Jahrestag des Kriegs gegen die Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die westlichen Verbündeten der Ukraine am Dienstag aufgefordert, die Sanktionen gegen Moskau weiter zu verschärfen, wenn der russische Präsident Wladimir Putin nicht an einem von Kiew vorgeschlagenen Treffen mit Selenskyj am Donnerstag in Istanbul teilnimmt. Russland kündigte inzwischen an, eine Delegation in die Türkei zu schicken. Der Kreml ließ bisher aber offen, ob Putin persönlich dabei sein wird.
Moskau reagiert demonstrativ gelassen
Moskau reagierte auf die Ankündigung der EU-Sanktionen demonstrativ gelassen. Das hat auch damit zu tun, dass viele der bisherigen Sanktionen den Kreml nicht in die Knie gezwungen haben. Der Grund dafür ist, dass auf Umwegen noch immer alle möglichen Waren aus dem Westen nach Russland gelangen. Dazu gehören auch Mikrochips oder andere Bauteile, die für die Waffenproduktion wichtig sind. Auch wurden wegen der notwendigen Einstimmigkeit in der EU bisher keine Importverbote für Uran, Stahl, Erdgas oder Öl ausgesprochen. Inzwischen wird in Brüssel allerdings an Plänen gearbeitet, mit denen die Einfuhr von russischer Energie in die EU bis Ende 2027 vollständig verboten wird. 2024 machten Gaslieferungen aus Russland Angaben der EU-Kommission zufolge knapp 19 Prozent aller Importe aus.
Kein Wille zu Gesprächen beim Kreml
Aus diesem Grund meldeten sich viele Kritiker zu Wort, die der EU vorwerfen, viel zu reden und wenig zu handeln. Dem widerspricht in diesem Fall allerdings Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius. Auf die Frage, ob die Russland angedrohten neuen Sanktionen ein Bluff der Europäer gewesen seien, antwortete Pistorius im ZDF-„heute-journal“: „Davon gehe ich nicht aus.“ Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die anderen Staats- und Regierungschefs hätten sehr deutlich gemacht, „dass es Sanktionen und Reaktionen geben muss und geben wird, wenn diese Waffenruhe von Putin nicht eingehalten oder nicht mal begonnen wird“. Trotz der angedrohten Sanktionen sieht Pistorius allerdings derzeit beim Kreml keinen Willen zu Gesprächen. „Er will gar nicht verhandeln, er will weiter bombardieren und kämpfen und Geländegewinne machen“, sagte der SPD-Politiker über Putin.