Bei der UN-Klimakonferenz in Brasilien im November will Europa eigentlich geschlossen mit ehrgeizigen Plänen auftreten. Doch daraus wird es nun wohl nichts.
Der Weg zur Klimaneutralität ist noch mit vielen Hindernissen gepflastert.
Von Knut Krohn
Der Klimaschutz rückt in Europa in die zweite Reihe. Allerdings will keiner der tonangebenden EU-Staaten dafür offen die Verantwortung übernehmen. Geplant war, dass am Donnerstag die Umweltminister über das neue EU-Zwischenziel abstimmen, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent verglichen mit dem Stand von 1990 zu verringern. Doch daraus wird wahrscheinlich nichts, was maßgeblich auch an Deutschland liegt.
Die EU-Ziele weitgehend mit den deutschen Plänen zum Klimaschutz
Vorausgegangen war ein Konflikt in der schwarz-roten Bundesregierung, der in diesen Tagen nach langen Gesprächen entschärft wurde, was aber Folgen für die Verhandlungen in Brüssel hat. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) besteht nun nicht mehr darauf, dass die EU-Umweltminister das Klimaziel 2040 noch in diesem Monat festlegen. Der genaue Zeitplan sei Sache der dänischen Ratspräsidentschaft, erklärte sein Ministerium.
Dabei decken sich die EU-Ziele weitgehend mit den deutschen Plänen zum Klimaschutz. Der Dissens bestand aber darin, dass Schneider darauf drängte, bereits am Donnerstag mit seinen Amtskollegen bei dem Treffen in Brüssel darüber abzustimmen. Dagegen regte sich allerdings Widerstand in der Unionsfraktion, die aber nicht als Klima-Bremser dastehen wollte. Also wurde von den Konservativen auf die fehlende Abstimmung mit Frankreich verwiesen, das Vorbehalte gegen den 2040-Vorschlag hat.
Kritiker sehen Frontalangriff auf Klimaschutz
Klimaschützer reagieren empört über das Bremsmanöver in Berlin. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss, der in der EU einst das Klimaziel 2040 mitverhandelt hat, findet deutliche Worte: „Friedrich Merz hat den Frontalangriff auf den Klimaschutz gestartet.“ Die Bundesregierung habe in Brüssel das europäische Klimaziel von der Tagesordnung genommen und die Entscheidung an die Staats- und Regierungschefs verschoben. „Dort droht dem Klimaschutz ein jämmerlicher Tod“, prophezeit der Umweltpolitiker.
Mit dieser Befürchtung könnte er Recht haben, denn es gibt einen wesentlichen Unterscheid, ob das Thema von den Umweltministern beschlossen wird oder Chefsache ist. Auf der Ebene der Minister reicht bei der Abstimmung eine sogenannte qualifizierte Mehrheit, beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Oktober hingegen ist Einstimmigkeit gefordert – und die ist sehr unwahrscheinlich. Frankreich und Polen haben bereits Kritik angemeldet und insbesondere Länder wie Ungarn und Tschechien finden das Klimaziel zu ambitioniert.
Die Folgen können für einige Regionen verheerende sein
So wird ein Szenario immer wahrscheinlicher, das viele Umweltschützer als „Super-Gau“ beschreiben: dass sich die Europäische Union vor dem Beginn der UN-Klimakonferenz am 10. November im brasilianischen Bélem nicht auf eine einheitliche Position einigen kann. Dort wollten die Staaten dieser Erde zehn Jahre nach der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommen ihre neuen Klimaziele vorlegen. Damals hatte sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 das Ziel gesetzt, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, zumindest aber auf deutlich unter 2 Grad. Wissenschaftler halten das für zunehmend unrealistisch.
Die Folgen können für einige Regionen verheerende sein, denn je wärmer es auf der Erde wird, desto wahrscheinlicher werden extreme Wetterereignisse wie Dürren oder extreme Regenfälle. Nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen komme Europa eine besondere Führungsrolle zu, betont der Grünen-Politiker Bloss. Wenn die EU nicht mit ambitionierten Zielen vorangehe, könne auch kein Druck auf andere große Emittenten wie China ausgeübt werden.
55 Prozent weniger Treibhausemissionen bis 2020
Dabei sind die Vorgaben für 2040 nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität der EU bis 2050. Dann sollen die 27 Mitgliedsländer nur noch so viel CO2 ausstoßen, wie die Natur aufnimmt oder mit technischen Methoden gespeichert werden kann. Für ein erstes Zwischenziel – 55 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2030 – sehen Forscher die EU auf einem guten Weg. Danach dürfte es angesichts der aktuellen politischen Entwicklung in Sachen Klimaschutz auch in Europa sehr schwierig werden.