Die Pläne für eine Digitalwährung nehmen in Brüssel eine wichtige Hürde. Die endgültige politische Entscheidung fällt in den kommenden Monaten.
Der digitale Euro wird Bargeld nicht ersetzen.
Von Knut Krohn
Der digitale Euro rückt näher. Kurz vor dem Jahreswechsel hat nun der Rat, die Vertretung der EU-Staaten, seine Position in Sachen „Einführung eines digitalen Euro“ festgelegt. In einer Mitteilung aus Brüssel wird ausdrücklich betont, dass gleichzeitig auch „der Status von Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel klarer definiert wird“. Damit soll seine „breite Akzeptanz und Verfügbarkeit sichergestellt“ werden. Mit solchen ausdrücklichen Beteuerungen will die EU allen Befürchtungen der Verbraucher entgegentreten, dass in Zukunft das Bargeld abgeschafft werden könnte.
Antwort auf die Dominanz von US-Konzernen
Die Idee des digitalen Euro hat in den vergangenen Monaten noch einmal frischen Wind bekommen, was vor allem an der politischen und wirtschaftlichen Unberechenbarkeit der USA liegt. Denn das Projekt ist auch als Antwort auf die Dominanz von US-Konzernen wie Visa, Mastercard, Paypal oder Apple Pay konzipiert. „Der digitale Euro ist ein wichtiger Schritt hin zu einem robusteren und wettbewerbsfähigeren europäischen Zahlungssystem und kann zur strategischen Autonomie und wirtschaftlichen Sicherheit Europas sowie zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro beitragen“, betonte die dänische Wirtschaftsministerin Stephanie Lose. Dänemark hat noch bis Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Nach dem Rat wird das EU-Parlament wahrscheinlich im Mai 2026 seine Position zum digitalen Euro beschließen. Danach werden die Diskussionen zwischen den beiden Institutionen über das endgültige Gesetz beginnen. Ist der rechtliche Rahmen gesetzt, kann die Europäische Zentralbank (EZB) entscheiden, ob und wann sie den digitalen Euro einführen will. Die hatte bereits Ende Oktober erklärt, dass sie die Vorbereitungen für die Einführung der digitalen Zentralbankwährung fortsetzen werde. Der Zeitplan dazu sieht vor, dass die EZB im Jahr 2027 ein Pilotprojekt zum digitalen Euro startet, 2029 wären die Notenbanken der Euro-Zone dann voraussichtlich bereit, einen digitalen Euro auszugeben.
In mehr als 100 Staaten beschäftigen sich Experten mit ähnlichen Projekten
Bei der Entwicklung eines digitalen Zahlungsmittels bewegt sich die EU nicht an der Spitze. In mehr als 100 Staaten beschäftigen sich derzeit Experten mit ähnlichen Projekten. So arbeitet China schon länger an einer digitalen Variante seiner Währung Renminbi. In Europa weit vorangeschritten ist das Projekt E-Krona der schwedischen Zentralbank. Das skandinavische Land gehört zu den Staaten mit der niedrigsten Bargeldnutzung weltweit.
Im Euroraum hingegen ist das Bezahlen mit Bargeld an der Ladenkasse noch immer weit verbreitet. Doch gemessen am Wert übertreffen Kartenzahlungen inzwischen das Bezahlen mit Scheinen und Münzen. Die Corona-Pandemie habe den Trend zu elektronischen Zahlungsmitteln deutlich beschleunigt, heißt es in einer Studie der EZB. Allerdings ist der digitale Zahlungsverkehr in Europa von ausländischen Anbietern dominiert - allen voran der US-Riese Paypal.
Große Hoffnung wird auf den privaten Bezahldienst Wero gelegt
Ob der politische Prozess der Einführung so reibungslos abläuft wie in Brüssel geplant, ist allerdings fraglich. Denn in weiten Teilen des Europaparlaments gibt es erhebliche Zweifel an dem Projekt. Große Bedenken gegen einen digitalen Euro gibt es etwa im Bereich Datenschutz. Selbst die Befürworter räumen ein, dass es völlige Anonymität nur beim Bezahlen mit Bargeld gibt. In einem Bericht Ende Oktober forderte der zuständige Berichterstatter für die Beratungen, der spanischen Europaabgeordneten Fernando Navarrete, den digitalen Euro nur einzuführen, wenn private Anbieter dazu nicht in der Lage und Willens seien.
Große Hoffnung wird in Europa auf den privaten Bezahldienst Wero gelegt, über den immer mehr Banken ihren Service anbieten. Der Dienstleister ist bisher in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg und Belgien verfügbar und bietet nach dem Muster des US-Konkurrenten Paypal vor allem direkte mobile Geldzahlungen von Mensch zu Mensch an. Inzwischen kann der Dienst auch bei etlichen Händlern beim Einkaufen im Internet genutzt werden. Zuletzt hat sich die Deutsche Bank Wero angeschlossen.
Verbände kritisieren außerdem die geplante Rolle der EZB
Einen eher grundsätzlichen Einwand gegen den Plan von EU und EZB, den digitalen Euro einzuführen, haben der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Der Zentralbank als „europäische Verwaltungsbehörde“ fehlten Markterfahrung und die Verbindung zu den Kunden, sagte DSGV-Vorstand Joachim Schmalzl der Tageszeitung „Die Welt“. Beide Verbände kritisieren außerdem die geplante Rolle der EZB: Es sei ordnungspolitisch ungeklärt, wie eine Institution, die gleichzeitig Aufseher über Banken und Zahlungssysteme ist, zugleich selbst zum Zahlungsanbieter werden könne. „Der Schiedsrichter sollte nicht selber mitspielen“, betont Joachim Schmalzl.
Privatbanken sehen das Projekt aber nicht nur deshalb kritisch. Sie befürchten auch einen immensen Schaden für das eigene Geschäft. Denn viele Kunden könnten dann ihr Geld in digitaler Form in ihrer sogenannten digitalen Wallet parken anstatt auf dem Konto. Doch auch auf diese Bedenken wird von Seiten der EU eingegangen. Angedacht sind Regelungen wie eine Höchstgrenze von 3000 Euro pro Wallet.