Das Europaparlament beschließt am Dienstag ein Milliardenprogramm zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie.
Auch Deutschland nutzt das „Patriot“-Luftabwehrsystem. Das wird von Frankreich nicht gerne gesehen, das den EU-Partnern gerne ihr eigenes System „Aster“ verkaufen würde.
Von Knut Krohn
Europa rüstet massiv auf. Russland soll nicht auf die Idee kommen, nach der Ukraine ein weiteres Land zu überfallen. Deshalb wird das Europaparlament am Dienstag in Straßburg das European Defence Industrial Programm (EDIP) beschließen, mit dem die europäische Verteidigungsindustrie gestärkt werden soll. Vorausgegangen sind monatelange schwierige Verhandlungen zwischen Parlament, den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission.
Die EU arbeitet an mehreren Rüstungsprojekten
Alle Seiten haben sich schließlich darauf geeinigt, bis Ende 2027 EU-Finanzhilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bereitzustellen. Das Geld soll etwa für den Ausbau von Produktionskapazitäten und die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern genutzt werden. Denkbar ist, dass die Mittel zur Finanzierung der vier großen europäischen Aufrüstungsinitiativen beitragen, die die EU-Kommission schon im Sommer in der sogenannte „Defence Readiness Roadmap“ vorgeschlagen hat. Die Projekte sollen insbesondere die Luftverteidigung und den Schutz der Ostflanke bis 2030 deutlich verbessern. Dazu ist auch ein neues Drohnenabwehrsystem geplant, das spätestens Ende des kommenden Jahres in Betrieb genommen werden soll. Voll einsatzfähig soll es dann spätestens Ende 2027 sein. Bei allen Projekten geht es hauptsächlich um Abschreckung und Verteidigung gegen Russland.
Um zu garantieren, dass vor allem Unternehmen aus EU-Staaten von dem Geld profitieren, sehen die Vereinbarungen für das neue Programm vor, dass bei geförderten Rüstungsvorhaben nur in sehr begrenztem Rahmen Bauteile aus Partnerstaaten wie den USA bezogen werden dürfen. Um die Details dieser Regelung wurde lange gerungen, denn das neue EU-Programm soll zum zentralen industriepolitischen Instrument werden, um Europa bei der Rüstung weniger abhängig von den USA zu machen. Bei dem Streit ging es etwa konkret darum, ob die Produktion von amerikanischen „Patriot“-Luftabwehrraketen in europäischen Fabriken unterstützt werden soll. Dagegen stemmte sich offenbar Frankreich, das mit dem französisch-italienischen „Aster“-System eine eigene Lösung anbietet. Das ist allerdings den Patriots unterlegen, weshalb viele EU-Staaten wie Deutschland das US-Produkt kaufen.
Parteien begrüßen das Programm
Ungewohnt einhellig wird das Programm von den großen Parteienfamilien im Europaparlament begrüßt. „EDIP ist ein entscheidendes Element, um die Verteidigungsbereitschaft bis 2030 zu erreichen“, unterstreicht der CDU-Europaparlamentarier Michael Gahler, Verhandlungsführer der konservativen EVP-Fraktion im Verteidigungsausschuss des Parlaments. Er hebt auch die Sondervereinbarungen für die Ukraine hervor, mit der die rüstungspolitische Zusammenarbeit erheblich gestärkt werden soll. Die EU könne durch die vertiefte Kooperation mit Kiew zum Beispiel von dessen Fähigkeiten bei der Drohnenabwehr lernen. Aus der Fraktion der Europa-SPD heißt es, dass mit EDIP ein neues Kapitel auf dem Weg zu einer echten europäischen Verteidigungsunion aufgeschlagen worden sei. Zu lange habe es im Bereich der Rüstung ineffiziente Parallelstrukturen gegeben. Das neue Programm setze gezielte Anreize für gemeinsame Planung, Beschaffung und Produktion.
Parlament kritisiert geringes Budget
Deutliche Kritik kommt von vielen Europaparlamentariern allerdings, dass EDIP mit 1,5 Milliarden Euro unterfinanziert sei. Das Budget bleibe vorerst weit hinter den Ambitionen zurück, kritisiert der CDU-Politiker Michael Gahler. Unzufrieden sind auch die Sozialdemokraten. Sie hatten ebenfalls auf mehr Geld für das Programm gedrungen, dazu seien die Mitgliedstaaten allerdings nicht bereit gewesen. Grund für diese Zurückhaltung ist, dass in vielen Ländern vor allem während Corona der Schuldenstand in die Höhe geschnellt ist. Gespart wird dann lieber bei der Rüstung und nicht bei den Sozialausgaben.
Besonders die Staaten im Süden der EU zeigten sich zugeknöpft, da die zentralen Projekte wie ein geplanter Drohnen-Wall in erster Linie dem östlichen Teil Europas zugute kämen. Um diese Bedenken zu zerstreuen, beteuerte die EU-Kommission, dass es sich bei Überlegungen zur Verteidigung immer um einen „360-Grad-Ansatz“ handle. Das bedeutet, dass etwa von dem Geld für den Drohnenwall alle Mitgliedstaaten profitieren würden.