Farben- und Figurenpracht des Barocks

Kunsthistorikerin Ulla Katharina Groha gibt im VHS-Vortrag einen kurzweiligen Überblick über das Leben und vielseitige Schaffen des berühmten flämischen Malers Peter Paul Rubens.

Farben- und Figurenpracht des Barocks

Dramatische Szenen mit rauschender Sinnlichkeit und fast nackten, üppigen Körpern waren Anfang des 17. Jahrhunderts besonders beliebt, ebenso Szenen aus der griechisch-römischen Mythologie – so etwa in „Hero und Leander“ (um 1609 bis 1618). Foto: Elke Estel

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Peter Paul Rubens war einer der berühmtesten Maler des 17. Jahrhunderts, humanistisch gebildet und diplomatisch tätig. Kunsthistorikerin Ulla Katharina Grohas Volkshochschulvortrag über den „Homer der Malerei“ im „Engel“-Saal fand großes Interesse, auch wegen der aktuellen Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart. Mit zahlreichen Werkbeispielen illustrierte Groha seine Biografie, künstlerische Entwicklung und umfangreiche Tätigkeit.

Peter Paul Rubens wurde am 28. Juni 1577 in Siegen geboren, wohin die Juristenfamilie 1568 aus Antwerpen wegen religiöser Wirren floh. In die Stadt in der Region Flandern kehrte Mutter Maria mit den Kindern 1587 nach dem Tod von Vater Jan zurück. Der Junge besuchte die Lateinschule, war eine Zeit lang Page der Gräfin Marguerite de Ligne und erhielt eine umfassende Bildung. Aber er wollte Malerunternehmer werden, was damals „nur“ ein Handwerk war und mit gesellschaftlichem Abstieg einherging. Laut Groha ist unklar, wer Rubens ausbildete, wahrscheinlich Tobias Verhaecht, Adam van Noort und vor allem Otto van Veen, ein Humanist.

Nach der Meisterprüfung 1598 reiste Rubens 1600 nach Italien und schulte sich an den Meistern der Renaissance und Zeitgenossen, besonders Tizian beeinflusste ihn. Der Herzog von Mantua, Vincenzo Gonzaga, ernannte ihn zum Hofmaler, zugleich bereiste Rubens zahlreiche Städte. 1603 war er als Abgesandter des Herzogs am spanischen Hof, wo er Meisterwerke verschiedener Maler studierte und ein imposantes Reiterbildnis des „heimlichen Regenten“ Herzog von Lerma schuf. 1604 malte er Auftragswerke für die Herzogsfamilie Gonzaga, kam auch nach Genua und porträtierte Mitglieder der Dogenfamilie Spinola Serra.

So das bisher „Alte Dame und junges Mädchen“ genannte Gemälde in der Staatsgalerie Stuttgart. Dank der Forschung im Vorfeld der Ausstellung „konnte das Rätsel gelöst werden, welche Personen dargestellt sind: Geronima Spinola und ihre Enkelin Maria Giovanna Serra“, erklärte die Kunsthistorikerin. 1606 ging Rubens nach Rom, studierte intensiv antike Kunstwerke und entwickelte Bildelemente, die sich „wie ein roter Faden“ durch seine Werke ziehen. So die geschwungene Diagonalkomposition, leuchtende Farben wie rote Stoffdetails, die Licht-Schatten-Modellierung der Figuren sowie verschiedene Hautfarben (Inkarnate): sehr helle für Frauen, aber auch für Jesus Christus in religiösen Gemälden, kräftige Töne für Männer.

In Florenz zeichnete er den Karton von Leonardo da Vinci für das Wandbild „Der Kampf um die Fahne in der Schlacht von Anghiari“ nach, die 1440 zwischen Mailand und einer von Florenz geführten Koalition ausgetragen wurde. Von da Vincis Karton sind heute nur noch Fragmente erhalten, doch inspirierte das „wilde Getümmel“ mit ineinander verkeilten Pferden und Reitern Rubens so stark, dass er Elemente davon in späteren Gemälden verarbeitete. 1608 erfuhr Rubens, dass seine Mutter krank war, reiste zurück nach Antwerpen, kam aber zu spät: Sie war bereits tot.

Er war gefragter Porträtmaler, denn er verstand es trefflich, die stofflichen Details realistisch und die Gesichter lebendig mit leuchtenden Augen und leichtem Lächeln darzustellen. „Dabei war ihm die Porträtmalerei nur Mittel zum Zweck“, so die Referentin. Viel lieber gestaltete er großformatige Altarbilder, biblische Themen sowie Szenen aus der antiken Mythologie, also der griechisch-römischen Sagenwelt. Nun blieb Rubens in Antwerpen, wo er dank der kulturellen Blüte unter der Herrschaft des Statthalterehepaars der Spanischen Niederlande, Erzherzog Albert und Infantin Isabella, ein großes Betätigungsfeld fand und zum Hofmaler berufen wurde.

Er baute ein großes, florierendes Werkstattunternehmen auf mit strenger Disziplin, Hierarchie und Arbeitsteilung und ließ Spezialisten für sich arbeiten wie Anthonis van Dyck, Frans Snyders und Jan Bruegel der Ältere. So avancierte er zum wohlhabenden Geschäftsmann, erreichte eine marktbeherrschende Stellung und heiratete 1609 Isabella Brant aus bestem Hause. Das Hochzeitsganzkörperselbstporträt mit Isabella in der Geißblattlaube drückt sein Standesbewusstsein aus: Das Paar ist prunkvoll gekleidet und Rubens trägt ein Schwert, was Bürgern damals nicht erlaubt war. Bürger, Adelige und sogar Königshäuser überhäuften ihn mit Aufträgen.

Besonders beliebt waren dramatische Szenen mit rauschender Sinnlichkeit, fast nackten, üppigen (Frauen-)Körpern, die dem Schönheitsideal der Zeit entsprachen, indes nach heutigen ästhetischen Vorstellungen einige Pfunde zu viel auf den Hüften haben. Zum Beispiel die biblische Geschichte von Susanna, einer treuen Ehefrau, die von zwei geilen Alten bedrängt wird, aber standhaft bleibt: „ehrlich währt am längsten“. Das private Familienglück spiegelt sich wider in intimen Kinderbildnissen, in Altarbildern verarbeitet Rubens eigenständig italienische Vorbilder.

Eng kooperierte er mit seinem Freund „Blumen-Bruegel“, so im Bild „Madonna im Blumenkranz“: Rubens malte die Madonna mit Jesuskind, wozu ihm wohl seine Frau und sein Sohn Modell standen, Bruegel botanisch genau den Blumenkranz. „Bei humanistisch gebildeten Adeligen und Bürgern waren Szenen aus der griechischrömischen Mythologie besonders beliebt“, betonte Groha. So malte Rubens zahlreiche solcher Gemälde wie „Der Raub der Töchter des Leukippos“. In der dramatisch-erotischen Szene packen die Zwillinge Castor und Pollux, Söhne des Zeus und der Leda, schwungvoll die beiden jungen, fast nackten Frauen und hieven sie auf ihre tänzelnden Pferde. Ebenso gefragt waren Allegorien, Darstellungen von abstrakten Begriffen durch Personifikationen, so die damals bekannten vier Kontinente als junge, sinnliche Frauen, begleitet von kräftigen, muskulösen Flussgöttern. Als neues Thema entwickelte Rubens die Großwildjagd auf exotische Tiere. Die französische Königin Maria de’ Medici beauftragte ihn, einen Zyklus aus 21 Bildern über ihr Leben zu malen. Mit Bravour löste Rubens diese Herausforderung, indem er Maria und ihren Mann, König Heinrich IV., als Göttermutter Hera und Göttervater Zeus darstellte und die Lebensgeschichte durch mythologische und allegorische Gestalten erzählte.

1626 starb Isabella Brant, 1630 heiratete Rubens, inzwischen 53, die erst 16-jährige Helene Fourment. Sein Spätwerk umfasst zahlreiche Familienbilder, und in fast jeder weiblichen Figur finden sich Merkmale von Helene. Überdies widmete er sich der Landschaftsmalerei und sein Malstil wirkt zum Teil impressionistisch. Sein künstlerisches Ziel war es, zwischen Ideal und Realität harmonisch zu vermitteln. Neben den großen Ölgemälden schuf Rubens auch viele Illustrationen, Zeichnungen und Grafiken. Er starb am 30. Mai 1640 in Antwerpen.

Farben- und Figurenpracht des Barocks

Ulla K. Groha Archivfoto: J. Fiedler