Zugunglück in Riedlingen

Bahnexperte übt Kritik an der Bahn

Der bei Riedlingen verunglückte Zug war neu in Landesfarben lackiert, aber schon mehr als 20 Jahre alt. Dass Sicherheitsvorkehrungen fehlten, weisen Bahn und Land zurück.

Bahnexperte übt Kritik an der Bahn

Bei dem Zugunglück sind am Sonntag drei Menschen ums Leben gekommen.

Von Eberhard Wein

Der übergelaufene Abwasserschacht, der nach bisherigen Erkenntnissen das Zugunglück beim Riedlinger Ortsteil Zell-Bechingen ausgelöst haben dürfte, ist nur wenige Tage zuvor überprüft worden. Das hat ein Sprecher des Biberacher Landratsamtes bestätigt. Demnach fand eine entsprechende Begehung am 21. Juli statt. Das Unglück ereignete sich am Sonntag und damit sechs Tages später.

„Die Funktionsfähigkeit der Schächte wird im Zuge der Streckenkontrolle kontinuierlich überprüft“, teilte das Landratsamt mit. „Darüber hinaus findet im Frühjahr und Herbst eine Spezialwartung der Schächte statt.“ Der betroffene Schacht war nach dem Starkregen am Sonntag übergelaufen. Die Polizei geht gegenwärtig davon aus, dass dies den Hangrutsch auslöste. Bei dem Unglück, bei dem ein Regionalexpress entgleiste, kamen drei Menschen ums Leben, knapp 40 Fahrgäste wurden verletzt. Insgesamt waren 700 Helfer im Einsatz, darunter 143 ehrenamtliche Feuerwehrleute, teilte das Landratsamt mit.

Ein zweiter Einsatz lässt aufhorchen

Eine knappe Stunde zuvor war die Riedlinger Feuerwehr schon einmal in der Nähe des Unglücksortes gefordert gewesen. Darüber berichtet sie auf ihrer Facebook-Seite. „Auf Grund eines Unwetters mit Starkregen wurden in Zell die Ortsdurchfahrt und ein Keller überflutet“, heißt es dort. Auch hier sei ein Schacht verstopft gewesen, zitierte der „Südkurier“ einen Sprecher der Feuerwehr. Üblicherweise werden solche Informationen an die Leitstelle der Bahn weitergegeben.

Der Bahnexperte Markus Hecht warf der Deutschen Bahn vor, die Sicherheit zu vernachlässigen. „Wäre der Zug mit einem modernen Bahnräumer ausgestattet gewesen, hätte dieser das Hindernis vermutlich beseitigt. Das Unglück wäre dann wahrscheinlich weniger schwer verlaufen, vielleicht sogar vermieden worden“, sagte Hecht gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“. Bei der letzten Revision seien zwar äußerliche Dinge wie die Außenlackierung und die Sitze erneuert worden, nicht aber ein zeitgemäßer Bahnräumer. Andere Länder seien dort wesentlich weiter.

„Zug hatte alle Zulassungen“

Ein Sprecher der Bahn erklärte gegenüber unserer Zeitung, der betroffene Zug der Baureihe 612 verfüge „selbstverständlich über alle erforderlichen Zulassungen“ und sei regelmäßig nach den geltenden Vorschriften instand gehalten worden. „Die Fahrzeuge entsprechen vollumfänglich den Vorgaben des Aufgabenträgers, der diese Verkehrsleistung bei DB Regio bestellt, und verfügen über Bahnräumer, die kleinere Hindernisse wie Äste beseitigen können“, sagte der Sprecher.

Aufgabenträger ist in diesem Fall das Land, in dessen Landesdesign der Dieseltriebwagen auch unterwegs war. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums erklärte, man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen. Der Unglückszug sei nicht Teil der Landesflotte gewesen, es handele sich vielmehr um Altbestand der Deutschen Bahn. Die Ausschreibung habe keine technischen Vorgaben zur Ausstattung enthalten, lediglich zur Sitzplatzkapazität.

Der generelle Einsatz größerer Bahnräumer werde in Fachkreisen teils kontrovers diskutiert, sagte der Ministeriumssprecher. Sie seien für Schnee im Wintereinsatz konstruiert und würden auch nicht von allen Zugherstellern installiert. Im Fall einer Kollision könnte sich ein solcher Bahnräumer auch negativ auswirken. „Uns liegt keine Bewertung oder Empfehlung vor, die einen generellen Einsatz empfiehlt.“ Allerdings werde man sich Gedanken machen, was helfen kann, Zugunfälle zu verhindern. Zu generell größeren Bahnräumern sei aber noch keine abschließende Entscheidung gefallen. „Wir fordern diese in Ausschreibungen beispielsweise, wenn die Schneehäufigkeit das erfordert.“

Fahrtenschreiber wird ausgewertet

Fest steht, dass der Zug mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet war, der zentrale Daten dokumentierte wie beispielsweise die Geschwindigkeit, die Aktivierung von Bremsen oder auch, ob und wann der Lokführer auf Signale reagiert hat. Mittlerweile wurde er bei der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung ausgelesen. Der Abschlussbericht werde allerdings erst in einigen Monaten vorliegen, hieß es.

Auch wann die Strecke wieder freigegeben werden kann, ist noch offen. Experten begingen am Donnerstag die Strecke. Bis auf Weiteres hat die Bahn zwischen Munderkingen und Herbertingen einen Schienenersatzverkehr eingerichtet.