Gefäße und Geräte aus der Apotheke

Serie „Virtueller Rundgang durch die neue stadtgeschichtliche Abteilung im Carl-Schweizer-Museum“: Gesundheitsversorgung um 1700

Um 1700 war die Gesundheitsversorgung der etwa 1200 Einwohner zählenden Walterichstadt für damalige Verhältnisse recht gut. Schon seit der Klosterzeit gab es eine Apotheke, die nun privat weitergeführt wurde. Aus deren Gründungsinventar stammen etliche Gefäße und Geräte, die in den Anfangsjahren des Carl-Schweizer-Museums ab 1931 in dessen Sammlung kamen.

Gefäße und Geräte aus der Apotheke

Laborgefäße, eine hölzerne Pillenpresse und weitere Gerätschaften aus der Apotheke werden in der Vitrine im CSM gezeigt. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Nun werden eben jene Utensilien in einer Vitrine der neuen stadtgeschichtlichen Abteilung präsentiert, zusammen mit weiteren Objekten aus der Zeit von 1650 bis nach dem Stadtbrand 1765. Darunter sind diverse Laborgefäße, aber auch eine hölzerne Pillenpresse und weitere Gerätschaften. Diese dienten dazu, Medikamente nach Rezepten in verschiedenen Darreichungsformen herzustellen, wie Pulver, Salben oder Tinkturen, Kräuterauszüge in Alkohol und anderes.

„Die Murrhardter Apotheke bot ein für die damalige Zeit bereits ziemlich umfangreiches Sortiment an Medikamenten und Heilmitteln verschiedenster Art für Menschen und Tiere an“, betont Museumsleiter Christian Schweizer. „Hinzu kamen weitere spezielle Artikel wie Farbpigmente und Tinten, Seife und Parfüm, aber auch Schnäpse und Liköre sowie damals noch seltene exotische Lebens- oder Genussmittel, wie zum Beispiel Kaffee und schwarzer Tee.“

Einen studierten Mediziner gab es in Murrhardt damals nicht

Nach den Forschungen des ehemaligen, verstorbenen Apothekers Werner Wagner war der erste Apotheker der heutigen St.-Walterich-Apotheke der 1662 in Rutenstetten (Thüringen) geborene Christoph Störer. Anschließend führte sie die Apothekerfamilie Schmidt aus Daudenzell in Baden über drei Generationen weiter. Ab 1712 hatte Christoph Ferdinand Andreas (1687 bis 1762) die Apotheke in Besitz, 1733 wurde er zum Bürgermeister gewählt und als mit höchsten Auszeichnungen versehen bezeichnet. Dessen Sohn Heinrich Christian Gottfried (1717 bis 1791) genannt „Bonifazius“, da er sein Examen in Tübingen mit „größtem Ruhm“ bestand, baute die Apotheke nach dem Stadtbrand wieder auf.

Noch nicht optimal war indes die ärztliche Versorgung: „Einen echten Medicus, sprich einen studierten Mediziner, gab es in Murrhardt nicht, aber in Schwäbisch Hall und Backnang. Dorthin mussten schwerkranke Patienten gebracht werden“, was damals wegen der schlechten Wege, langsamen Transportmittel und weiten Entfernung wohl überaus schwierig war. „Aber es gab Wundärzte, das waren damals noch handwerklich organisierte und ausgebildete, heilkundige Chirurgen.“ Sie behandelten vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert vor allem äußere Wunden und Verletzungen. Sie waren auch zuständig unter anderem für Verbrennungen oder Erfrierungen, führten bei Bedarf Amputationen durch und stellten Prothesen her. Manche waren spezialisiert auf Blasenstein- und Bruchoperationen, versorgten Knochenbrüche oder renkten Gelenke ein und zogen Zähne. Hinzu kamen die Bader, die auch kleine Eingriffe vornehmen konnten und mit Heilpraktikern vergleichbar diverse Dienstleistungen anboten wie Massagen oder Schröpfen. Überdies gab es von der Stadt angestellte Hebammen, die oft auch gute Kenntnisse in der (Frauen-)Heilkunde besaßen.

„In der Murrhardter Bürgerliste steht 1523 ein Hans Bader, der 1525 in der oberen Badstube tätig war, das heißt, es gab also zwei solche Einrichtungen. 1579 ist ein Balthasar Müller als Bruchschneider erwähnt, der wohl aber noch kein Chirurg war. Als erster Murrhardter Brucharzt und Chirurg ist in den Akten Philipp Heinrich Baur bezeugt, der 1663 Anna-Maria heiratete, Tochter des Müllers und Bürgermeisters Burkhardt Föll. Ihm folgten Johann Conrad Bühlmayer (1686 bis 1742) sowie Vater und Sohn Johann Conrad Bechtlin in der Zeit von 1731 bis 1769 nach. Erst 1790 wird Dr. med. Carl Schmidt als ‚Medicinae Practicus‘ erwähnt, das heißt, in diesem Jahr stellte die Stadt erstmals einen studierten Mediziner an“, hat der Museumsleiter recherchiert.

Die Jahrhundertwende war eine schwierige Zeit für die Murrhardter

Weiter weist er darauf hin, dass die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert eine schwierige Zeit für die Einwohner der Walterichstadt war. Kaum hatten sie sich von der Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges einigermaßen erholt, standen sie vor der enormen Herausforderung, Hunderte von Flüchtlingen mit Unterkünften und dem Nötigsten zum Leben zu unterstützen. „Nach der Invasion französischer Truppen während des Pfälzischen Erbfolgekriegs 1693 war Murrhardt für einige Jahre, bis etwa 1697, Zufluchtsort für Einwohner aus Städten und Dörfern des mittleren Neckarraums um Marbach und Backnang.

Etwa zur selben Zeit wurden die Protestanten aus Frankreich vertrieben, Hugenotten und Waldenser, ebenso aus dem Salzburger Land. Einige dieser Familien blieben in Murrhardt, und deren Nachfahren wohnen bis heute in der Stadt oder in Stadtbezirken“, unterstreicht Schweizer. Damals, von 1694 bis 1705, war Jules Fréderic Malblanc Murrhardter Abt und Prälat, der aus der württembergischen Besitzung Mömpelgard in Frankreich kam.

„Er galt als bedeutendster protestantischer Theologe Frankreichs in der sogenannten französischen Reformation. Wegen der schlechten Wohnverhältnisse gab er anscheinend die Prälatur Murrhardt zurück. Daher erhielt er die Aufgabe, die französischen Flüchtlinge zu betreuen und vorwiegend westlich des Neckars anzusiedeln. Danach war er Minister am Hofe der württembergischen Herzogin Magdalena Sibylla und ein Freund des Komponisten Johann Pachelbel in dessen Zeit in Kirchheim unter Teck“, erzählt Christian Schweizer.