Von diesem Samstag an findet in Tokio der Wettbewerb im Sport der Gehörlosen statt. Die Deaflympics sind eine Chance mit Barrierefreiheit zu glänzen.
Maskottchen der Gehörlosenspiele 2025 ist die Möwe Yurito, das Logo mit der Hand verweist auf die Gebärdensprache.
Von Felix Lill
Für Maki Yamada sind es die größten Tage seines Lebens. Werden es auch die schnellsten? „Ich gebe jedenfalls alles“, sagt der Sprinter. „Ich bin immerhin nicht so nervös. Bei den Deaflympics war ich schon zweimal dabei“, erklärt Yamada, ein viel lächelnder junger Mann mit braungefärbten Haaren in Gebärdensprache. „Aber natürlich will ich ganz Japan stolz machen.“ Dafür will er gewinnen. In Tokio startet Yamada über 200, 400 sowie 4x100 und 4x400 Meter. Er will Gold vor den Augen seines Heimatlandes.
Vom 15. bis 26. November ist Tokio wieder einmal die Welthauptstadt des Sports. Diesmal steigen in der japanischen Hauptstadt die Deaflympics – die Olympischen Spiele für gehörlose Personen. Es sollen die größten Deaflympics aller Zeiten werden.
Rund 3000 Athletinnen und Athleten aus 80 Ländern und Regionen kämpfen in 21 verschiedenen Sportarten um Medaillen. Viele Disziplinen kennt man von Olympischen Spielen, wie etwa Fußball, diverse Wettkämpfe der Leichtathletik oder Schwimmen. Andere wiederum gibt es nur im Gehörlosensport, nicht aber bei Olympia, wie Bowling oder Orientierungslauf. In Japan überträgt das Fernsehen regelmäßig.
Erste Deaflympics fanden 1924 in Paris statt
Auch wenn die Deaflympics heutzutage viel weniger bekannt sind als die Paralympics: Sie sind deutlich älter. Im Jahr 1924 fanden sie erstmals in Paris statt. Ihr Gründervater Eugène Rubens-Alcais, ein französischer Athlet, wollte das soziale Bewusstsein für die Herausforderungen von Personen mit keinem oder schwachem Gehörsinn stärken.
Seit jeher zentral bei den Deaflympics: Keiner der Sportlerinnen und Sportler darf etwas hören können. Teilnehmende müssen einen Hörverlust auf dem besser hörenden Ohr von 55 Dezibel nachweisen, was in etwa bedeutet, dass sie ohne Hörhilfe kein Geräusch wahrnehmen. In Wettkämpfen führt dies natürlich zu entsprechenden Vorkehrungen. Beim Fußball hantieren Schiedsrichter nicht mit einer Pfeife, sondern einer Fahne. Beim Sprint ertönt kein Startschuss, ein Licht leuchtet auf. Ähnlich sieht es bei anderen Sportarten aus.
Den Athleten sieht man ihre Behinderung nicht an
Der Gehörlosensport genießt wohl auch deshalb etwas weniger Aufmerksamkeit, weil sich die Akteurinnen äußerlich nicht von Sportlern ohne Behinderungen unterscheiden. „Unsere Beeinträchtigungen sieht man ja nicht“, sagt Sprinter Maki Yamada. „Aber viele von uns Athleten haben durch das schwache Gehör zusätzliche Probleme, zum Beispiel beim Gleichgewicht.“ So können Sprinter wie Maki Yamada kaum die Geschwindigkeiten von Usain Bolt oder Noah Lyles erreichen, selbst bei gleicher Kraft.
Auch vor dem Hintergrund dieser Unsichtbarkeit betont Naoki Kurano, Vorsitzender des Tokioter Organisationskomitee: „Die Idee von Herrn Rubens-Alcais ist geblieben: Wir wollen die Gesellschaft verändern!“ Die Tokioter Spiele verfolgten demnach drei Leitideen: Durch Sport sollen Menschen zusammengebracht werden; durch das Event soll Tokio fit für die Zukunft gemacht werden und dadurch wiederum solle eine Gesellschaft entstehen, in der alle Personen aufblühen können.
Die Tokioter Metropolregierung experimentiert
Die Deaflympics bieten der japanischen Hauptstadt eine weitere Gelegenheit, sich auszuzeichnen, die weit über den Sport hinausgeht. Die Bevölkerung altert in hohem Tempo, schon heute ist rund jede dritte Person 65 Jahre oder älter. Da die Wahrscheinlichkeit von Schwerhörigkeit mit dem Alter zunimmt, muss sich ganz Japan fragen, wie man eine Infrastruktur schaffen kann, die möglichst allen Personen gerecht wird. „Bisher sind viele Warnsignale oder Kommunikationswege eher zum Hören“, bestätigt Mitorganisator Naoki Kurano. Wer etwa eine Rolltreppe benutzt, hört immerzu automatische Stimmen, die einen davor warnen, zu schnell zu gehen. Auch in Aufzügen sagen Stimmen das jeweilige Stockwerk an. Hinweise für diejenigen, die nicht gut hören, sind spärlich.
Barrierefreiheit hilft allen: Die Tokioter Metropolregierung hat im Vorlauf der Deaflympics mit Ideen experimentiert. So eröffnete im Jahr 2023 zeitweise das Miru Café, wo gehörlose Personen die Besuchenden bedienten und Bestellungen über einen Bildschirm annahmen, der das Gesagte verstand und in Textform übersetzte. Schnell stellte sich heraus, dass die Maßnahme, die gehörlose Personen in den Arbeitsmarkt integrieren sollte, auch etwa Personen half, die kein Japanisch können.
Ein paar Neuerungen gab es zuletzt auch in Tokio: „Das Unpraktischste war für mich bisher immer das Telefonieren“, sagt Maki Yamada. „Das ging praktisch nicht.“ In letzter Zeit aber haben viele Institutionen in dem ostasiatischen Land begonnen, mit Videotelefonie und Gebärdenübersetzung barrierefrei zu sein. Auch Fernsehsender setzen dies vermehrt ein. Für den Sprinter macht es auch etwas mit seiner Psyche: „Ich bin heute viel selbstbewusster als früher.“
Gehörlosen-Olympiade gibt es seit 1924
Sommerspiele Die 25. Deaflympics (aus engl. deaf „taub“ und Olympics „Olympische Spiele“) finden vom 15. bis 26. November 2025 in Japans Hauptstadt Tokio statt. Die erste Ausgabe dieser Gehörlosen-Olympiade fand bereits 1924 statt.
Wechsel Es werden abwechselnd Sommer- und Winterspiele ausgetragen, je ein Jahr nach den entsprechenden Olympischen Spielen. An den sogenannten Paralympics nehmen Gehörlose nicht teil.