Sexuell übertragbare Infektionskrankheiten

HIV, Tripper, Syphilis & Co: Ungebetene Gäste auf dem Oktoberfest

Das Münchener Oktoberfest ist Flirt-Zeit. Wenn danach engere Kontakte geknüpft werden, sollte man mögliche Gefahren nicht ausblenden: sexuell übertragbare Krankheiten.

HIV, Tripper, Syphilis & Co: Ungebetene Gäste auf dem Oktoberfest

Besucher feiern in einem Festzelt auf dem Oktoberfest: Die 190. Wiesn findet vom 20. September bis 5. Oktober 2025 auf der Münchner Theresienwiese statt.

Von Markus Brauer/dpa

Ein Kratzen im Hals – und schon bricht bei vielen Panik aus. Es wird Tee gekocht, Halstabletten besorgt, der Hausarzt kontaktiert. Doch wenn es um intime Beschwerden geht – ein Jucken oder Brennen unterhalb der Gürtellinie – herrscht oft unangenehmes Schweigen. Es scheint, als ob die leisen SOS-Signale unserer Intimzone in der Scham versickern, bevor sie rechtzeitig die Arztpraxis erreichen.

Syphilis ist auf dem Vormarsch

Die Deutsche STI-Gesellschaft berichtet von zunehmenden Fällen sexuell übertragbarer Infektionen (STI) in Deutschland, insbesondere der Syphilis. STI steht für Sexually Transmitted Infections und bezeichnet Infektionen, die hauptsächlich durch sexuellen Kontakt übertragen werden.

„Insgesamt kann man sagen, dass Syphilis seit dem Jahr 2000 zunimmt. Damals waren es noch 800 Fälle, heute sind es über 8000“, erklärt Norbert Brockmeyer, Präsident der STI-Gesellschaft.

Syphilis äußert sich durch Ausschläge und im Spätstadium durch schwere Schäden an Organen und am Nervensystem. Das Robert-Koch-Institut (RKI) verzeichnet einen Anstieg der gemeldeten Syphilis-Fälle von 5330 im Jahr 2013 auf 8309 im Jahr 2022 und bei Hepatitis B von 715 auf 16.635 Fälle.

Erst flirten und intim werden, danach krank sein

Jeder, der schon einmal auf dem Oktoberfest war, weiß: Es wird viel geflirtet und auch der ein oder andere intime Kontakt geknüpft. „Bei uns in der Infektiologie macht sich das deutlich bemerkbar: Während und nach dem Oktoberfest behandeln wir gehäuft sexuell übertragbare Infektionen“, berichtet Johannes Bogner, Leiter des Interdisziplinären Zentrums Klinische Infektiologie am LMU Klinikum. Die Anzahl der Fälle verdreifache sich während dieser Zeit.

„Wir haben diese Frage nie systematisch untersucht, aber ich weiß, dass auch andere Fachärzte diese Beobachtung machen“, sagt Christopher Knoll, Teamleitung von „Checkpoint München“, einer Test- und Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit und HIV.

„Die Häufigkeit von anonymen oder unbekannten Sexualkontakten ist sehr hoch auf dem Oktoberfest. Manche gehen schon in der Hoffnung dorthin, jemanden kennenzulernen, der gleichgesinnt ist“, ergänzt Bogner.

Leichtere Knüpfung von Sex-Kontakten

Ähnliche Beobachtungen von solchen Großereignissen schildert auch Norbert Brockmeyer. Zum Beispiel gebe es nach Christopher Street Days oder Festen wie einer großen Kirmes einige Menschen, die sich etwa mit Syphilis oder Gonokokken infizieren.

Brockmeyer führt den Anstieg der STI-Fälle in Deutschland auf die leichtere Knüpfung von Sex-Kontakten durch digitale Medien zurück. Obwohl die Kondom-Nutzung stabil sei, steige die Rate an STIs sowohl bei hetero- als auch homo- und bisexuellen Menschen. „Man kann Sexkontakte über den digitalen Weg erreichen. Dadurch ist die Möglichkeit geschaffen worden, schneller Sexualkontakte zu knüpfen“, erklärt Brockmeyer.

Silke Klumb von der Deutschen Aidshilfe merkt an, dass die Häufigkeit bestimmter STI-Fälle von der Gruppe abhängt, beeinflusst durch Sexualverhalten, Partnerzahl und Testhäufigkeit. Beispielsweise sei die Zahl der HIV-Diagnosen in Deutschland, besonders unter schwulen und bisexuellen Männern, seit 2007 rückläufig.

Vorbeugende Medikamente: Segen und Fluch zugleich

Bei der Prävention sind unterschiedliche Strategien gefragt. Einen weitreichenden Schutz vor STI bieten Kondome. Gegen manche Erreger wie Hepatitis B gibt es eine Impfung.

Menschen, die einen STI-Verdacht hegen, sollten sich testen lassen, um den Erreger nicht weiter zu verbreiten. Zudem gibt es bestimmte Medikamente wie Doxy-PrEP, ein Antibiotikum zur Vorbeugung bestimmter STIs wie Chlamydien und Syphilis, die Personen mit häufigen ungeschützten Sexualkontakten nehmen können.

Auch zur Vorbeugung von HIV-Infektionen kann eine sogenannte Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) eingenommen werden. Dabei handelt es sich um die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten (Tabletten), um eine Ansteckung mit dem HI-Virus beim Sex oder beim Drogenkonsum über geteilte Spritzen zu verhindern.

Sie ist besonders für Menschen mit hohem HIV-Risiko gedacht und schützt bei regelmäßiger Einnahme sehr zuverlässig vor einer Infektion.Häufig werde dadurch aber auf das Kondom verzichtet und damit steige das Risiko für andere STI erneut. Silke Klumb warnt vor der breiten Nutzung von Doxy-PrEP unter anderem aufgrund von Kosten und Nebenwirkungen.

Experten fordern mehr Aufklärung

Brockmeyer betont zudem die Notwendigkeit von Aufklärung in allen Altersgruppen. „Auch bei den Älteren haben wir Luft nach oben.“ Er verweist darauf, dass die höchsten Raten an STI wie etwa Chlamydien in jüngeren Jahren auftreten, betont jedoch, dass auch bei den über 55- bis 60-Jährigen hohe Raten vorhanden sind.

„Die meisten STI machen zu 80 Prozent keine Symptome“, konstatiert Brockmeyer. Dadurch gehen viele Betroffene nicht zum Arzt. Wichtig seien praktische Lösungen wie Home-Tests für HIV oder Kits zur Selbstentnahme von Proben, die über Online-Shops und Gesundheitsämter zugänglich gemacht werden sollten. „Im Swingerbereich, sowohl im schwulen als auch im heterosexuellen Bereich, muss mehr an Aufklärung laufen.“

Viele schätzen ihr persönliches Risiko zu gering ein

Bei STI treten häufig Missverständnisse und Mythen auf. Dadurch schätzen viele Menschen ihr persönliches Risiko, eine STI zu bekommen, deutlich geringer ein, als es tatsächlich ist.

„Obwohl die Chlamydien-Infektion die häufigste bakterielle STI in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist, schätzen nur acht Prozent der Befragten ihr Risiko als (absolut) wahrscheinlich ein“, betont Johannes Breuer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Enttabuisierung von STI und Bewusstseinsschaffung seien daher essenziell. „Alle Menschen sollen das Wissen und die Möglichkeit haben, gut für sich und ihre sexuelle Gesundheit zu sorgen. Dazu gehören unterstützende Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention.“