Ideen fürs Überleben der Innenstadt gesucht

In der Murrhardter Fußgängerzone und im Umfeld hat eine Reihe von Geschäften aus diversen Gründen geschlossen. Für die verbliebenen Läden wird die Lage auch dadurch schwieriger. Wir haben uns bei Händlern umgehört, wie sie reagieren und was sie als hilfreich erachten würden.

Ideen fürs Überleben der Innenstadt gesucht

Je mehr Geschäfte schließen, desto weniger Menschen kommen in die Innenstadt. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Die Leerstände in der Innenstadt sind augenfällig. Manche der Händler haben den Standort zwar nur gewechselt, aber es gibt auch einige, bei denen sich die Ladentüren aus teils ganz unterschiedlichen Gründen geschlossen haben, wie beispielsweise die Buchhandlung Franke durch den plötzlichen Tod der Inhaberin, das Fischgeschäft, dann die Metzgerei Offenhäußer aufgrund personeller Probleme oder schon vor längerer Zeit das Fotostudio Bastgen und Sport Rössle. Wie geht es den verbliebenen Geschäften und Fachhändlern?

Christian Lätzig vom BücherABC räumt ein, dass er als nun einzige Buchhandlung am Ort zwar eine Sondersituation hat, seine Lage beschreibt er aber trotzdem wenig euphorisch mit „ganz leidlich“. Ein Faktor: Die Preissteigerungen, die bei den Schreibwaren teils drastisch seien, könne er nicht eins zu eins an den Kunden weitergeben. Die Entwicklung in der Innenstadt betrachtet er mit Sorge. „Die Stadt muss sich da schnellstens Gedanken machen“, sagt er.

Ein Leerstandsmanagement und schnell verfügbare Information für Interessenten sind wichtig

Wichtig ist aus seiner Sicht ein aktives Leerstandsmanagement, am besten mit auf der Homepage gebündelter, leicht auffindbarer Information, welche Ladenflächen leer stehen und für Interessenten verfügbar sind, sowie ein fester Ansprechpartner. In dieser Hinsicht sehr viel agiler nimmt er die Stadt Schorndorf wahr, die verschiedene Modelle von Pop-up-Stores anbiete, über die Händler oder andere Unternehmer Flächen unterschiedlich lange (von Wochen über Monate bis zu einem Jahr) mieten können. Auch wenn ein Teil der Ursachen – Corona, Strukturwandel in Richtung Online-Bestellung, Inflation und Weltlage – andere Städte und Gemeinden genauso treffe, man also kein Einzelfall sei, plädiert der stellvertretende Vorsitzende des Stadtmarketingvereins Murrhardt dafür, auch bei den Rahmenbedingungen über Veränderungen nachzudenken. „In Welzheim habe ich bisher so gut wie keine Leerstände ausgemacht und der Unterschied dort ist, dass entlang der Straße vor sehr vielen Läden geparkt werden kann.“ Die Hauptstraße in Murrhardt ist zwar schmaler, überdenken könne man trotzdem beispielsweise eine Einbahnregelung, sodass dies in ähnlicher Weise möglich wäre. „Es muss alles auf den Prüfstand!“, sagt er.

Auch Katja Ganser von der Walterich-Apotheke macht sich um eine drohende Negativspirale der Schließungen Gedanken. „Jeder Leerstand ist von Nachteil und wirkt sich auf die Frequenz in der Innenstadt aus.“ In diesem Sinne ist für die Apotheke auch zu sehen, dass ein Neurologe in der Nähe im Herbst aufhört, erzählt sie. Eine Nachfolge sei absolut wünschenswert. Einen spürbaren positiven Effekt hat immer noch der Wochenmarkt am Freitag und insofern wäre ein zweiter Markttag ideal, auch wenn sie um die Schwierigkeit weiß, die Beschicker dafür zu bekommen. Gleichzeitig fragt sie sich, wie sich die Stadt in einem nachhaltigen Sinne weiterentwickeln kann, sprich wie sich Innenstadthändler unterstützen lassen und gleichzeitig Angebote eines ressourcensensiblen Konsums möglich sind. Warum nicht die Brücke zu Murrhardt als Wander- und Ausflugsziel schlagen mit Ideen für Produkte, Dienstleistungen und Service, die an den Bereich Gesundheit, Sport und Bewegung anknüpfen? Ganser wünscht sich sehr, dass möglichst viele Zukunftsideen auf den Tisch kommen.

Beim Reformhaus ist seit drei Jahren ein Umsatzrückgang von rund 20 Prozent zu verzeichnen

Die Situation und Kunden- sowie Frequenzentwicklung bezeichnet Ulrike Heubach vom gleichnamigen Reformhaus ohne Umschweife als „Katastrophe“. Seit 2019/20 verzeichnet sie einen Rückgang um rund 20 Prozent. „Es kommen immer weniger Menschen in die Innenstadt“, sagt sie. In Bezug auf den Laden registriert sie zudem, dass keine neuen, jüngeren Kundinnen und Kunden nachkommen, und geht davon aus, dass die sich für das Sortiment von Discountern entscheiden. Sie ist froh um ihre Stammkundschaft und dass sie die Möglichkeit hatte, die Kosten durch den Umzug des Geschäfts etwas zu senken. „Aber ansonsten muss ich im Grunde genommen abwarten, es lässt sich im Moment bei dieser extrem unsicheren Lage einfach nicht planen.“ Mit Blick auf Ideen beziehungsweise Konzepte für die Zukunft stellt sie fest: „Das ist im Grunde ausgereizt.“ Trotzdem hofft sie, dass in Bezug auf die gesamte Situation wieder etwas Ruhe einkehrt.

Apropos Ruhe – Martina Reißhauer von Mode am Markt weiß, dass die Monate Januar und Februar generell die schwierigsten sind. „Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass es dieses Jahr extrem war.“ Und jedes Geschäft, das schließt, bedeutet weniger Laufkundschaft und Umsatz. „Das Problem besteht aber überall“, ob in Murrhardt oder Stuttgart. Die Rahmenbedingungen wie günstige Parkgebühren seien in der Walterichstadt keine schlechten, „die Stadt kann auch nicht zaubern“. Nicht erst seit gestern setzt sie auf ihre Stammkundschaft und pflegt sie beispielsweise mittels sozialer Medien, über die sie Infos zu neuen Trends und Angeboten im Laden transportiert.

Fischer und Stegmaier wollen mit guter Fachberatung und Service punkten

Auch bei Fischer und Stegmaier, die das Modehaus Bachmann in Murrhardt als eine ihrer Filialen betreiben, nimmt man wahr, dass Lage und Umfeld schwieriger geworden sind. Ein drastischer Einschnitt waren die Pandemie und der mit ihr verbundene Schub für den Online-Handel. „Wenn es normal weitergelaufen wäre, hätten Geschäfte, die jetzt aufhören, vielleicht noch ein paar Jahre weitergemacht. Jetzt ist das einfach nur vorgezogen und geschieht schneller“, sagt Werner Stegmaier. Der Familienbetrieb müsse mit gewissen Unsicherheiten umgehen wie der Frage, was an Energiekosten auf einen zukomme, aber durch Rahmenbedingungen wie die Mitgliedschaft in einer größeren Einkaufsgenossenschaft, die man sich selbst geschaffen habe, ist der Seniorchef zumindest nicht pessimistisch. Was die Stellschrauben anbelangt, setze man vor allem auf Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Es geht darum, bei Gesprächen, Beratung und Service im Vergleich zu Anbietern auf großer Fläche einfach besser zu sein.“ Für Fischer und Stegmaier sind die Stammkunden ebenso wichtig wie eine gewisse Spezialisierung auf bestimmte Marken.

Letzteres war und ist auch für Klaus Lang von der Parfümerie Lang ein wichtiges Stichwort. Er und seine Frau Ulrike sind diesen Weg gegangen, um vor dem Hintergrund teurer werdender Produkte und der Konkurrenz von großen Ketten und Discountern zu bestehen. Dass das Ehepaar in absehbarer Zeit aufhört (siehe Bericht unten), hat einerseits nicht unmittelbar mit der schwierigen Lage zu tun. Klaus Lang geht nun mit 71 Jahren in den Ruhestand. Andererseits hat die Spezialisierung es auch nicht mehr ermöglicht, einen Nachfolger zu finden. Es braucht mittlerweile einen größeren Personenkreis als Kundschaft, erklärt Klaus Lang. „Das geht in Stuttgart, vielleicht in Backnang“, aber in Murrhardt sei es mit Blick auf die Zukunft eben schwierig. Zumindest haben das die Interessenten für eine Übernahme letztlich geschlussfolgert. Zu Beginn der Suche vor rund einem Jahr hatten die Verantwortlichen des bundesweit organisierten Fachverbands noch Hoffnung, doch es fand sich aufgrund der Größe Murrhardts kein Nachfolger für das Parfümeriegeschäft.