Der brisante Konflikt zwischen den Erzfeinden Indien und Pakistan hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt. Es geht um einen jüngst verübten Anschlag, aber auch um einen uralten Zwist.
Ein indischer Soldat zielt mit seiner Waffe: Der Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan droht nach dem indischen Angriff zu eskalieren.
Von Markus Brauer/dpa
Seit dem tödlichen Anschlag im indisch verwalteten Teil Kaschmirs am 22. April hatte Pakistan mit einem Angriff des indischen Militärs gerechnet. In der Nacht zum Mittwoch (7. Mai) war es dann soweit. Indische Kampfjets flogen Angriffe auf pakistanisches Gebiet.
Jegliche Aggression werde von Pakistan entschieden beantwortet, heißt es jetzt aus Islamabad. Der pakistanische Informationsminister Attaullah Tarar hatte bereits am 30. April erklärt, Pakistan habe „glaubwürdige Geheimdiensterkenntnisse“, wonach Indien einen Angriff plane. Der Anschlag im indischen Teil Kaschmirs diene Indien dabei lediglich als vorgeschobene Begründung.
Welche Rolle spielt der Streit um Kaschmir?
Nach dem Ende der britischen Herrschaft über den Subkontinent im Jahr 1947 und der Spaltung Britisch-Indiens in Indien und Pakistan blieb der Status des Fürstenstaates Jammu und Kaschmir zunächst offen. Sowohl Indien als auch Pakistan beanspruchten das Himalaya-Tal Kaschmir für sich.
Sie führten 1947 und 1965 Kriege um das Gebiet. Bei einem dritten Krieg im Jahr 1971 ging es um die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan. Beide Länder beherrschen jeweils einen Teil von Kaschmir.
Könnte es zum Einsatz von Atomwaffen kommen?
Für beide Seiten dient das Nukleararsenal vor allem der Abschreckung des jeweils anderen. Das dürfte ein wichtiger Grund sein, warum es bislang zu keinem vierten Krieg zwischen den beiden Erzfeinden gekommen ist, nachdem Indien 1988 und Pakistan ein Jahrzehnt später erstmals Atomwaffen testeten. Weder Gefechte im Bezirk Kargil in Kaschmir 1999 noch die Spannungen nach dem Angriff pakistanischer Terroristen auf das indische Parlament im Dezember 2001 führten zu Kriegen.
Was sind die historischen Gründe für die Spannungen?
Der gewaltfreie Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft führte 1947 zur Unabhängigkeit. Großbritannien verfügte die Teilung der fast den gesamten indischen Subkontinent umfassenden Kolonie Britisch-Indien in zwei Staaten: die säkulare Indische Union sowie die kleinere Islamische Republik Pakistan.
Nach der Teilung flammte zwischen den Religionsgruppen grenzenloser Hass auf. 1947 starben mindestens eine Million Menschen bei den Unruhen. Bis zu 15 Millionen Menschen wurden vertrieben oder mussten flüchten.
Wie tief sitzt das historische Trauma?
Die traumatischen Erlebnisse sind bis heute im kollektiven Gedächtnis, beeinflussen die Politik und nähren eine erbitterte Rivalität der beiden Atommächte. Vier Kriege sind seit der Teilung zwischen Indien und Pakistan ausgebrochen. Aus dem dritten entstand 1971 aus dem ehemaligen Ostpakistan das heutige Bangladesch. Die Region Kaschmir bei der gemeinsamen Grenze im Himalaya ist bis heute umstritten.
Die Teilung hat die Region – mit fast 1,5 Milliarden Menschen in Indien und rund 220 Millionen Menschen in Pakistan eine der am dichtesten bevölkerten der Erde – ungleich zurückgelassen. Indien ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein Staat, der sich aus dem Status eines Entwicklungslandes herausgekämpft hat. Pakistan gilt als Staat mit maroder Wirtschaft, schwachen demokratischen Strukturen und einem Sicherheitsproblem aufgrund vieler extremistischer Gruppen.
Welche Kriege führten Indien und Pakistan gegeneinander?
Wie groß sind die militärischen Arsenale beider Länder?
Indien und Pakistan sind bis auf die Zähne bewaffnet, wenngleich Indien aufgrund seiner größeren wirtschaftlichen Stärke über eine weit überlegene Armee verfügt. Das indische Militär zählt im Jahr 2025 rund 1,46 Millionen aktive Soldaten sowie 1,5 Millionen Reservisten, während das Militär von Pakistan lediglich über rund 654.000 aktive Soldaten sowie 550.000 Reservisten verfügt.
Indien ist Pakistan in militärischer Hinsicht über alle Waffengattungen hinweg überlegen. Einzig im Hinblick auf das Atomwaffenpotenzial bewegen sich beide Länder auf Augenhöhe: Indien verfügt über maximal 164 atomare Sprengköpfe, Pakistan über 170.
Der pakistanische Verteidigungshaushalt lag 2023 mit 8,5 Milliarden Dollar (7,5 Milliarden Euro) weit unter dem des Nachbarstaates Indien (83,6 Milliarden Dollar, 73,6 Milliarden Euro).