Im Krieg zwischen Israel und Iran folgt Angriffswelle auf Angriffswelle. Auch die Deutschen spüren die Folgen im Alltag. Die Bundesrepublik hat eine besondere Verantwortung in der Region.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) zu Besuch in Saudi-Arabien. (Archivbild)
Von Von Jörg Blank und Alexander Sturm, dpa
Berlin - Die Erzfeinde Israel und Iran liefern sich im Nahen Osten eine lange befürchtete und gefährliche direkte Konfrontation. Es droht ein Flächenbrand in der Region. Wegen der Kriegsführung der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gazastreifen gibt es längst eine angespannte Diskussion in Deutschland über das Verhältnis zu Israel – nun kommt der Krieg mit dem Iran hinzu.
Acht Punkte, warum der Krieg auch mit Deutschland viel tun hat:
1. Israel – zwischen Staatsraison, Vermittlung und Kritik
Existenz und Sicherheit des Staates Israel sind für die Bundesregierung angesichts der von Nazi-Deutschland ermordeten sechs Millionen Jüdinnen und Juden Staatsraison. Das versteht die Bundesregierung auch als Auftrag, mit Vermittlungsbemühungen zur Deeskalation beizutragen.
Außenminister Johann Wadephul hat deshalb direkt nach Kriegsausbruch Saudi-Arabien, Katar und Oman besucht, um Möglichkeiten für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen auszuloten.
An diesem Mittwoch geht die Krisendiplomatie weiter, der CDU-Politiker trifft in Berlin seinen jordanischen Kollegen Aiman al-Safadi. Telefonisch nutzt Wadephul seine Kontakte zu Israels Außenminister Gideon Saar.
Katar gilt als wichtiger Vermittler zwischen Israel und der Hamas im Gazakrieg. Der Oman hat beste Verbindungen nach Teheran. Hinter den Kulissen dürfte an einer neuen Vermittlungsmission gearbeitet werden, bei der es um eine konzertierte Aktion von Europäern und arabischen Nachbarstaaten von Iran gehen könnte.
2. Traditionell gute deutsche Kontakte zum Iran
Deutschland hat traditionell gute Kontakte zum Iran – daran will Wadephul anknüpfen. Die Bundesrepublik unterhält unter den Europäern inklusive Großbritannien nach wie vor die größte diplomatische Vertretung in Teheran. Seit Jahren engagiert sich Deutschland mit Frankreich und Großbritannien in Verhandlungen mit dem Iran dafür, den Bau einer Atombombe durch den Iran zu verhindern.
3. Stabilität der Nah- und Mittelostregion wichtig für Deutschland
Ein zusätzlicher neuer Atomstaat Iran dürfte die Stabilität weltweit weiter ins Wanken bringen und international für mehr Unsicherheit sorgen. Das kann niemand wollen, auch Deutschland wäre betroffen. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), hatte am Montag RTL/ntv gesagt, der Angriff könne für die arabische Welt "realpolitisch" einen Vorteil bringen, indem er das iranische Atomprogramm so weit zurückwerfen könnte, "dass wir in neue vernünftige Verhandlungen eintreten könnten".
Es ist eine kniffelige Konstellation, auch vor dem Hintergrund, dass in Berlin das harte Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen kritisch gesehen wird. Doch auch für Deutschlands Sicherheit ist es wichtig, dass am Ende das Pulverfass Nahost nicht explodiert.
4. Tanken und Heizen teurer
Die Eskalation hat längst Folgen für die Menschen in Deutschland. So lässt der Krieg die Rohölpreise steigen, Autofahrer spüren das an den Tankstellen. Am Montag kostete ein Liter Super E10 nach Zahlen des ADAC 1,695 Euro und ein Liter Diesel 1,586 Euro. Das sind jeweils rund vier Cent mehr als am Donnerstag vor Kriegsausbruch.
Unter Umständen könne es an den Tankstellen noch etwas nach oben gehen, sagt eine ADAC-Sprecherin, "aber wir rechnen aktuell nicht mehr mit einem dramatischen Anstieg".
Auch die zuletzt niedrigen Heizölpreise haben deutlich angezogen. 100 Liter Heizöl kosteten nach einer Analyse des Vergleichsportals Verivox zuletzt rund 94 Euro (Stand 16. Juni). Noch im Mai lag der Preis im Schnitt bei 87 Euro.
5. Ölpreis als Inflationsrisiko
Vor allem die Sorge um eine Ölkrise ist groß. Der Iran hat immer wieder damit gedroht, die Straße von Hormus zu blockieren, eine wichtige Öltransportroute an der Südspitze des Landes. Bisher hat der Rohölpreis für Brent-Öl relativ moderat zugelegt auf zuletzt rund 74 Dollar je Barrel (159 Liter).
Das dürfte sich ändern, sollte der Krieg noch mehr eskalieren, sagt Stephen Innes vom Vermögensverwalter SPI Asset Management. Dann könne das den Ölpreis rasch über die 80-Dollar-Marke treiben. "120 Dollar und mehr wären wieder auf dem Radar, wenn die Tanker nicht mehr frei verkehren könnten." Ähnlich teuer war Öl zuletzt im Mai 2022 nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine.
Stark steigende Ölpreise würden auch die Inflation in Deutschland anfachen, die Verbraucher spürbar Kaufkraft gekostet hat. Fallende Energiepreise waren ein maßgeblicher Grund dafür, dass sich die Teuerung normalisiert hat und im Mai bei einer Rate von 2,1 Prozent lag.
6. Gefahr für die deutsche Wirtschaft
Der Krieg im Nahen Osten droht zur Gefahr für die deutsche Wirtschaft zu werden, die nach Jahren der Krise langsam wieder in Tritt kommt. Auch auf die Inflation kann der Krieg durchschlagen, warnte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kürzlich. "Sollte es zu einem langanhaltenden, gravierenden Konflikt kommen, könnten beispielsweise die Ölpreise erheblich steigen." Die wirtschaftlichen Perspektiven könnten sich dann spürbar verändern, sagte Nagel, "in Bezug auf die Konjunktur ebenso wie auf die Preise."
7. Börsen unter Druck
Zwar halten sich die Börsen bisher überraschend robust, spurlos geht der Konflikt am deutschen Leitindex aber nicht vorbei. Von seinem jüngsten Rekord bei 24.479 Punkten hat sich der Dax deutlich entfernt, am Dienstag gaben die Kurse weiter nach.
Das trifft die gut zwölf Millionen Aktionäre in Deutschland, die oft stark am Heimatmarkt investiert sind. Zum globalen Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump ist ein weiterer Risikofaktor dazugekommen, der die Börse noch einige Zeit in Atem halten dürfte.
8. Flugverkehr
Viele Fluggesellschaften haben Flüge in der Region gestrichen oder umgeleitet – darunter Emirates und Lufthansa. Die größte deutsche Airline hat Flüge von und nach Teheran und Tel Aviv bis Ende Juli ausgesetzt, die Verbindungen von und nach Amman (Jordanien), Erbil (Irak) und Beirut (Libanon) wurden bis 20. Juni gestrichen.
Das gilt auch für das Frachtgeschäft bei Lufthansa Cargo. Die Folgen für den Tourismus dürften sich in Grenzen halten, denn der Nahe Osten zählt nicht zu den großen, klassischen Reisezielen der Deutschen.
Autofahrer spüren bereits teurere Spritpreise an den Tankstellen. (Archivbild)
Der Krieg lässt die Ölpreise steigen, das verteuert auch Heizöl. (Archivbild)
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnt vor Folgen des Nahostkriegs für die deutsche Wirtschaft. (Archivbild)
Stark steigende Ölpreise sind ein Risiko für die Inflation und damit die Kaufkraft der Verbraucher. (Archivbild)
Außenminister Johann Wadephul (CDU) führte im Sultanat Oman in der Golfregion politische Gespräche. (Archivbild)
Außenminister Johann Wadephul (CDU) auf Vermittlungsmission im Golfemirat Katar. (Archivbild)