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„Italian Brainrot“ und Tralalero Tralala: Was hinter dem bizarren Internettrend steckt

Von KI-generierten Haien in Sneakers bis zu bombenden Krokodilen: Warum die Generation Z auf TikTok absurde Fantasiewesen feiert – und was das mit Politik zu tun haben könnte.

„Italian Brainrot“ und Tralalero Tralala: Was hinter dem bizarren Internettrend steckt

Auf TikTok trendet gerade ein dreibeiniger Hai: Tralalero Tralala.

Von Katrin Jokic

Ein Hai mit Sneakern erobert TikTok

Wer in diesen Tagen auf TikTok unterwegs ist, wird früher oder später auf ein rätselhaftes Video stoßen: Ein Hai – mal mit zwei, mal mit drei Beinen, aber immer mit blauen Turnschuhen – marschiert am Strand entlang, im Hintergrund eine künstlich klingende Stimme mit italienischem Akzent, die singt: „Tralalero Tralala“. Begleitet wird das Ganze von surrealen Animationen und einer Geschichte, die wie ein dadaistischer Fiebertraum wirkt.

Willkommen in der Welt von „Italian Brainrot“ – einem Internetphänomen, das Anfang 2025 viral ging und inzwischen Millionen Jugendliche weltweit erreicht.

Was ist „Italian Brainrot“?

„Italian Brainrot“ bezeichnet einen Social-Media-Trend, bei dem künstlich generierte Fantasiewesen im Mittelpunkt stehen. Die Figuren bestehen meist aus einer Mischung aus Tier und Objekt – etwa ein Krokodil mit dem Körper eines Bombers, ein Kaktus mit Elefantenkopf oder ein Cappuccino-Becher als Samurai.

Diese Wesen werden von absurden Hintergrundgeschichten begleitet, die meist von einer männlichen Text-to-Speech-Stimme mit pseudo-italienischem Akzent erzählt werden. Die Namen der Figuren klingen bewusst wie eine Mischung aus Pasta-Gericht und Kindersprache: Bombardiro Crocodilo, Trippi Troppi, Lirili Larila, Shimpanzini Bananini – und natürlich: Tralalero Tralala.

Die Videos werden jedoch nicht von einem Creator oder Account allein erstellt. Unter dem Hashtag #italianbrainrot gibt es auf TikTok mittlerweile über 100.000 Videos von unterschiedlichen Kanälen – alle mit unterschiedlichen Geschichten, aber immer wiederkehrenden Figuren.

Mehr als nur Unsinn?

Der Begriff „Brainrot“ (zu Deutsch etwa „Gehirnfäule“) wurde 2024 von Oxford zum „Wort des Jahres“ gekürt und steht für die Befürchtung, dass der ständige Konsum sinnloser Inhalte in sozialen Medien die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Der „Italian Brainrot“-Trend nimmt diese Kritik auf – und übersteigert sie ins Absurde.

Die Generation Z antwortet mit Ironie: Wenn ihr uns vorwerft, das Internet mache uns blöd – dann machen wir das Internet absichtlich noch blöder.

Manche sehen darin einen postironischen Protest vieler Jugendlicher: Gegen Krieg, gegen Klimakrise, gegen das politische Establishment. Das Meme soll zur digitalen Karikatur einer Welt werden, die selbst oft wie ein schlechter Witz wirkt.

Andere, wie die New York Times, schreiben: Wer versucht zu erklären, was Italian Brainrot sei, wirke automatisch ziemlich uncool – entweder man kapiert den Trend oder man tut es nicht. Die schiere Wahllosigkeit des Memes sei der ganze Punkt. Für Jugendliche, die den Trend kennen, sei es bloß wie eine Art Insider-Witz: Sie kennen etwas, das ihre Eltern nicht kennen.

Dass der Nonsens oft politisch aufgeladen ist, lässt sich jedoch nicht bestreiten. Die Hintergrundgeschichte des Bomben-Krokodils „Bombardiro Crocodilo“ etwa beschreibt ihn als Wesen, das in Gaza Kinder bombardiert. Fake-Videos zeigen, wie US-Politiker angeblich über ihn urteilen – alles bewusst satirisch, alles KI-generiert.

Dadurch, dass die Italian-Brainrot-Wesen nicht von einem einzigen Nutzer erstellt werden und es keinerlei Kontrolle über die Figuren gibt, ergibt sich ein Universum, in dem sich die Beschwerden über rassistische und islamfeindliche Videos mehren. Beobachter befürchten, dass die eigentlich witzigen Figuren so zu einer Art „Waffe“ werden könnten.

Eine eigene „Lore“ und sogar Musik

„Italian Brainrot“ ist längst mehr als nur ein visuelles Phänomen. Rund um die Figuren hat sich eine eigene „Lore“ – also eine fortlaufende Erzählwelt – gebildet. Die Wesen kämpfen gegeneinander, sie haben Verwandte (z. B. Bombardiro Crocodilos Bruder „Bombombini Gusini“) oder Rivalen, sie spielen Fortnite, reisen durch Raum und Zeit oder leben in der Wüste.

Passend dazu gibt es auch ein eigenes Musikgenre: Der Song „Tralalero Tralala“, ein ironischer Remix des Hits „Havana“ von Camila Cabello, wird hunderttausendfach gestreamt. Viele Wesen bekommen ihre eigene „Hymne“ – irgendwo zwischen Parodie, Meme-Soundboard und Club-Remix.

Warum ist das so erfolgreich?

Der Reiz von „Italian Brainrot“ liegt wohl in der Mischung aus Chaos, Kreativität und Widerstand. Die Kombination aus KI-Technologie, absurden Texten und parodistischer Ästhetik trifft offenbar den Nerv einer Generation, die im Widerspruch zu einer ernsten, krisengeschüttelten Welt steht. Es scheint ein digitaler Eskapismus zu sein.

Auch Unternehmen haben den Trend entdeckt: Marken wie Duolingo, Netflix oder About You nutzen das Meme für virale Marketingaktionen. Sogar Horst Lichter und das Team von „Bares für Rares“ reagieren auf den Trend. Gleichzeitig wird „Italian Brainrot“ weltweit adaptiert – es gibt Ableger wie „German Brainrot“ oder indonesische Varianten mit Figuren wie Tung Tung Tung Sahur.