Die aktuellen Bachelor-Kandidaten sind nicht nur Single, sondern auch Väter. Wochenlang von zu Hause weg, wird ihre Abwesenheit – anders als bei Müttern – nicht hinterfragt. Warum?
Felix Stein und Martin Braun – Die Bachelors 2025: Wer übernahm die Betreuung ihrer Kinder während ihrer Zeit in der Show? (Archivbild)
Von Gülay Alparslan
In der aktuellen Staffel von „Der Bachelor“ bei RTL buhlen zwei Väter um die Gunst von Single-Frauen – und das über mehrere Wochen hinweg. Was dabei nicht zur Sprache kommt: Wer kümmert sich eigentlich während dieser Zeit um die Kinder der Kandidaten, Felix Stein und Martin Braun? Es scheint, als würde das niemanden interessieren. Würde die wochenlange Abwesenheit einer Mutter ebenfalls so wenig Beachtung finden?
Mütter sehen sich immer wieder – vor allem in den sozialen Medien – harscher Kritik für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ausgesetzt. Besonders angegriffen werden diejenigen, die in der Öffentlichkeit stehen. Wie sehr diese Ungleichbehandlung tatsächlich in unserer Gesellschaft verankert ist, erklärt die Soziologin und Mitbegründerin von „Faces of moms“, Natalie Stanczak.
Stanczak sieht die Ungleichbehandlung von Müttern und Vätern als ein Ergebnis tief verwurzelter gesellschaftlicher Normen. „Bei Vätern gilt die Erwerbsarbeit als gesellschaftlich legitimierte Abwesenheit“, erklärt Stanczak. „Mütter dagegen werden immer noch stark über ihre Rolle als Fürsorgende definiert. Wenn sie fehlen, wird das als Bruch mit der Norm wahrgenommen.“ Diese Wahrnehmung ist laut der Soziologin historisch gewachsen und geht zurück auf die bürgerliche Geschlechterordnung des 19. Jahrhunderts, die die Care-Arbeit ins Private verlegte und als „weiblich“ markierte.
Model Fiona Erdmann jongliert ständig zwischen Familie und Karriere
In ihrem Buch „Bis eine* weint!“, das sie gemeinsam mit Nicole Noller verfasst hat, beleuchten sie die gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen Mütter konfrontiert sind, und wie sich diese Herausforderungen in den sozialen Medien widerspiegeln. Sie erklärt, dass vor allem Frauen sich selbst in ihren Normvorstellungen über Mütter unter Druck setzen, um ihre eigenen Lebensentscheidungen zu legitimieren. „Es gibt das Narrativ, dass es nur ‚eine gute Mutter‘ geben kann, und dieses Konkurrenzdenken wird auch in sozialen Medien verstärkt. Mütter, die in der Öffentlichkeit stehen, erleben oft Mom-Shaming, wenn sie versuchen, ihre beruflichen und familiären Rollen zu jonglieren.“
Eine, die diese Stigmatisierung nur zu gut kennt, ist Fiona Erdmann – Model, Influencerin und Geschäftsfrau. Als berufstätige Frau und Mutter von drei Kindern jongliert sie ständig zwischen Familie und Karriere. „Wenn es um arbeitende Mütter geht, gibt es immer Kritik – vor allem, wenn es darum geht, dass sie beruflich aktiv sind und gleichzeitig Mutter“, erklärt sie. Die 36-Jährige sieht in den sozialen Medien das veraltete Bild einer Mutter, die ausschließlich zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, nach wie vor weit verbreitet.
Von der Kritik auf Social-Media-Plattformen, wie beispielsweise Instagram, lässt sie sich jedoch nicht entmutigen. „Ich lasse das nicht an mich rankommen. Was man auf Social Media sieht, ist nur ein Bruchteil meines Lebens“, sagt sie. Auch wenn es vereinzelt Kommentare gebe, die sie auffordern, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern, anstatt beruflich aktiv zu sein, bleibe sie gelassen. „Ich denke mir dann: Diese Leute kennen mich nicht. Sie wissen nicht, wie viel Zeit ich mit meinen Kindern verbringe.“ Sie selbst versucht, eine Balance zu finden – zwischen ihrer Rolle als Unternehmerin und als Mutter. Auf ihre berufliche Rolle möchte sie dabei nicht verzichten, „weil sie mir für mein Selbstbewusstsein guttut.“
Social Media schafft Sichtbarkeit für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Bei diesem Thema spielen die sozialen Medien ihrer Ansicht nach eine ambivalente Rolle. Einerseits können sie Müttern eine Plattform bieten, auf der sie zeigen können, dass sich Beruf und Familie durchaus vereinbaren lassen. Andererseits verschärfen sie den Druck auf Mütter, sich ständig rechtfertigen zu müssen. Fiona Erdmann sagt dazu: „Social Media gibt Usern eine Plattform, um Kritik zu äußern, ohne sich wirklich zu zeigen.“
Trotz dieser Herausforderungen sieht Erdmann auch positive Aspekte in ihrer Präsenz auf sozialen Netzwerken. Sie kann anderen Müttern zeigen, dass es möglich ist, erfolgreich zu sein und gleichzeitig für die Familie da zu sein. Dabei räumt sie ein, dass sie ohne die Unterstützung ihres Teams und ihrer Familie die Vielzahl an Aufgaben – zwischen Beruf, Familie und sozialen Netzwerken – nicht meistern könnte.
Wichtig ist ihr – und das versucht sie auf ihrem Instagram-Kanal deutlich zu machen –, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ohne ein unterstützendes Team kaum machbar ist. So kümmern sich Familienmitglieder, wie etwa die Schwiegermutter oder Babysitter während ihrer Geschäftstermine um ihre Kinder. Um so weit zu kommen und sich dieses Team aufzubauen, sei sie einen steinigen Weg gegangen und habe sich mit viel Ehrgeiz alles hart erarbeitet, sagt sie.
Heute wird von Müttern erwartet, alles gleichzeitig zu schaffen
Das Bild der „guten Mutter“ hat sich in den letzten Jahren zwar gewandelt, doch der Druck auf Mütter bleibt, erklärt Natalie Stanczak: „Früher galt die Vollzeit-Mutter als Ideal, heute wird von Müttern erwartet, dass sie alles gleichzeitig schaffen – Job, Kinder und Partnerschaft“. Dieser Wandel hat jedoch auch negative Auswirkungen, da viele Frauen nun eine Überlastung erleben, die zu einem immer stärkeren Druck führt: sowohl als Mutter als auch als berufstätige Frau in allen Bereichen perfekt zu sein.
Auch in der Gesellschaft gibt es trotz einiger Fortschritte bei der Gleichstellung nach wie vor klare Unterschiede, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. In Deutschland gibt es zwar Modelle wie Elternzeit und Elterngeld, doch im internationalen Vergleich hinkt das Land bei der Bereitstellung von Betreuungsplätzen und echten familienfreundlichen Strukturen hinterher.
Neubewertung der Erwartungen an Mütter und Väter nötig
Der Diskurs um „die Frau“ als politische Kategorie ist dabei eng verwoben mit einer Vergesellschaftung, die sich wahlweise als neoliberal oder kapitalistisch beschreiben lässt. „In beiden Fällen wurden gesellschaftlich Gewordenes und historisch Gewachsenes so stark verfestigt, dass es als scheinbar naturhafte und unveränderliche Realität erscheint“, so Natalie Stanczak.
Um diese verfestigten Strukturen zu überwinden, bedarf es einer Neubewertung der Erwartungen an Mütter und Väter. Erst dann wird es möglich sein, dass Eltern unabhängig vom Geschlecht ihre beruflichen und familiären Verpflichtungen ohne ständigen Druck und ohne gesellschaftliche Urteile miteinander vereinbaren können.
Anmerkung: Auf eine Anfrage bezüglich der Betreuung und Kommunikation der Bachelor-Kandidaten mit ihren Kindern während der Dreharbeiten sowie der Berücksichtigung ihrer familiären Situation in der Produktion hat RTL nicht reagiert. Auch eine zweite Anfrage blieb bisher unbeantwortet.