Blick aufs Gelände mit Nachklärbecken (hinten links) und den Becken (hinten rechts), in denen die biologische Reinigung vorgenommen wird. Die Anlage muss in puncto Phosphatelimination auf Vordermann gebracht werden. Archivfoto: J. Fiedler
Von Christine Schick
Murrhardt. Eine stufenweise Sanierung in der Kläranlage ist über viele Jahre bis einschließlich 2018 erfolgt. Nun muss die Stadt allerdings wieder aktiv werden. Zum einen steht vor dem Hintergrund der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie die Erneuerung der Phosphatelimination an, zum anderen muss dabei auch der Hochwasserschutz für die Anlage stärker berücksichtigt werden. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass für die chemischen Prozesse, die mit der Ausfällung von Phosphor einhergehen, Stoffe (als wassergefährlich bezeichnet) verwendet werden, die nicht außerhalb solch eines Systems gelangen sollten.
Bürgermeister Armin Mößner machte bei seiner Vorstellung im Gemeinderat klar, dass das Projekt angepackt werden muss. Die Verwaltung schlägt vor, das Murrhardter Ingenieurbüro Riker und Rebmann mit der Planung der Arbeiten zu betrauen, das gemeinsam mit Kollegen von Klinger und Partner die zurückliegende Sanierung begleitet hatte und die Anlage insofern gut kennt, so die Überlegung Mößners.
Um künftig Phosphor aus dem Wasser auszufällen, das heißt ihn in einem chemischen Prozess der Flüssigkeit zu entziehen, sieht das Konzept eine Reihe von baulichen Maßnahmen vor, um entsprechende Sicherheit gewährleisten zu können. Umsetzen muss die Stadt die Nachrüstung bis Ende 2024. Sie kann dabei neben den regulären Fördermöglichkeiten auch eine finanzielle Unterstützung von rund 20 Prozent ersuchen und will den Zuwendungsantrag dafür Anfang Oktober auf den Weg bringen. Die Kosten haben sich deutlich erhöht. Ursprünglich ging die Verwaltung von etwa 175000 Euro aus, jetzt rechnet man mit einer Summe von 350000 Euro.
In der Beratung erkundigte sich Andreas Winkle (CDU/FWV), wie eine Vergabe ohne Ausschreibung dann vom Honorar her eingestuft beziehungsweise berechnet werde. Laut Mößner greift dabei die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, kurz HOAI, bei der es klare Vorgaben gebe und sich die Summe an den Gesamtkosten orientiere. Dies habe man auch bei der Errechnung zugrunde gelegt. „Wir haben die Direktvergabe auch ein bisschen diskutiert“, sagte Hartmann Widmaier (MDAL/Die Grünen). „Aber wenn das zulässig ist“, sei dies für das Projekt insofern die beste Lösung, da das Ingenieurbüro mit der Kläranlage durch die frühere Sanierung vertraut sei. Nicht gefallen habe der Fraktion, dass die Kosten so stark gestiegen sind. In dem Punkt hakte Mario Brenner (CDU/FWV) später noch mal nach, wobei Mößner erläuterte, dass die spätere Detailplanung erst eine realistische Schätzung ermöglicht habe. Widmaier erkundigte sich zudem, wie das Verfahren mit Blick auf den gesamten Kreislauf einzuschätzen sei. Früher habe man den Klärschlamm auf die Felder ausgebracht, mittlerweile würde er verbrannt aufgrund der enthaltenen Schwermetalle. Er wollte wissen, was es nun bedeute, sogenannte wassergefährliche Stoffe beim Verfahren einzusetzen und was dabei passiert. Gerd Rebmann vom Ingenieurbüro erläuterte, dass das Phosphor ausgefällt, sichtbar durch Flockenbildung, werde, nach dieser Reaktion der Prozess aber abgeschlossen sei, auch bei einer Verbrennung in dieser Hinsicht nichts mehr passiere. Klärmeister Philipp Nentwich geht davon aus, dass eine Phosphorrückgewinnung im Anschluss möglich ist und dieser Part dann Stuttgart zufalle – seit zwei Jahren ist der Entsorgungspartner die Stadtentwässerung der Landeshauptstadt Stuttgart, an die der Klärschlamm geht. Edgar Schäf (SPD) unterstrich die Wichtigkeit des Projekts, vor allem, weil die Kläranlage sich auf einer HQ-100-Fläche befindet. Man müsse die Anlage entsprechend aufrüsten, sonst gebe es bei Hochwasser eine Katastrophe. Auf die Nachfrage von Klaus-Peter Dörrscheidt (UL), ob die gesamte Anlage von einem 100-jährlichen Hochwasser betroffen sei, merkte Mößner an, es sei klar, dass bei einem starken Hochwasser schnell eine Schwachstelle entstehen könne. Mit einem einstimmigen Beschluss des Gemeinderats ist der Auftrag an das Büro Riker und Rebmann verbunden, die Erneuerung der Phosphatelimination zu planen – für rund 56850 Euro.
Phosphatelimination Bei der Abwasserreinigung der Kläranlagen gilt es, auch Phosphorverbindungen zu entfernen. Im Zuge der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sehen die Aufsichtsbehörden eine Verschärfung des Grenzwertes beim Parameter Phosphor vor. Die Richtlinie hat den guten ökologischen und chemischen Zustand der Gewässer zum Ziel, erläutert die Stadt in den Unterlagen.
Neuerungen der Anlage Zu den notwendigen Schritten und baulichen Maßnahmen für die Umsetzung der Phosphorelimination in der Kläranlage gehören unter anderem ein Lagertank mit einem Volumen von 30 Kubikmetern und der Bau einer eingehausten Dosieranlage, eines Tiefpunktschachts sowie des zugehörigen Leitungssystems. Ebenso bedarf es eines Automatisierungskonzepts und der Abstimmung mit dem Prozessleitsystem der Kläranlage. Zudem ist eine Fläche vorgesehen, auf der die Anlieferung der Fällmittellösung sicher vonstatten gehen kann, sowie ein spezielles Fugenabdichtungssystem.
Zeitplan Die Ausschreibung ist abhängig von der Bearbeitungszeit des Zuwendungsantrags frühestens im Winter dieses Jahres, spätestens im Frühjahr des kommenden Jahres vorgesehen. Die Arbeiten sollen im Sommer 2022, spätestens im Herbst 2022 erfolgen, so die Stadtverwaltung.