Kommentar: An den Grenzen der Akzeptanz
Von Andreas Müller
Man muss sich das bildlich vorstellen: Zwei Schüler sitzen nebeneinander im Klassenzimmer. Beide haben drei Geschwister, doch der Vater des einen ist Beamter und der des anderen Angestellter. Die Folge: Zusätzlich zum Kindergeld bekommt die Beamtenfamilie in Baden-Württemberg fast 2000 Euro monatlich vom Staat – nämlich zweimal den Zuschlag von knapp 1000 Euro vom dritten Kind an. Über die Jahre kommt da ein sechsstelliger Betrag zusammen.
Ist es gerecht, wenn Beamtenkinder dem Staat derart viel mehr Geld wert sind? Die Frage beantwortet sich fast von selbst. „Kaum nachvollziehbar“ findet nicht nur der Steuerzahlerbund das Privileg. Auch der Beamtenbund nennt es „gesellschaftspolitisch schwer erklärbar“, weshalb man einst vor diesem Weg gewarnt habe. Besser wäre es aus seiner Sicht gewesen, als Konsequenz aus einem Karlsruher Urteil von 2020 die Grundbesoldung für alle zu erhöhen.
Bloß keine Neiddebatte, heißt es oft reflexartig. Doch wenn selbst Beamtenlobbyisten kaum mehr vermittelbare Privilegien einräumen, scheinen die Grenzen der gesellschaftlichen Akzeptanz erreicht zu sein. Zusätzlich verletzt wird das Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen durch die aktuelle Debatte, wie viel Sozialstaat sich Deutschland noch leisten kann. Während Leistungen für Schwächere zur Disposition gestellt werden, scheinen die Privilegien der Staatsdiener zementiert. Ob das auf Dauer so bleiben kann?