Eine Ära endet beim 63. Landespresseball – doch zu seinem letzten Eröffnungswalzer kann Winfried Kretschmann am Freitagabend in der Liederhalle wegen Krankheit nicht antreten.
Von Uwe Bogen
Stuttgart - Es hätte ein ganz besonderer Moment für ihn und das gesamte Ballpublikum werden sollen: Zum letzten Mal wollte Winfried Kretschmann (Grüne) am gestrigen Freitag als Ministerpräsident den Landespresseball in der Stuttgarter Liederhalle mit einem Walzer eröffnen. Wie Regierungssprecher Matthias Gauger unserer Redaktion mitteilt, leidet der Regierungschef seit Dienstag jedoch an einem grippalen Infekt, dachte eigentlich er „berappele“ sich wieder, doch musste seine Teilnahme für seinen „Last Waltz“ als Schirmherr doch absagen.
Seit 2011, seit er zum ersten grünen Regierungschef Deutschlands gewählt wurde, gehörte ihm der erste Walzer beim gesellschaftlichen Topereignis von Baden-Württemberg. Kretschmann galt in den vergangenen Jahren als souveräner und charmanter Tänzer auf dem Parkett. Zehnmal eröffnete er den Ball – taktsicher, formvollendet und mit ein bisschen Augenzwinkern. 2018 zwang ihn eine Bronchitis zum Aussetzen. Während der Corona-Pandemie blieb der Ballsaal in den Jahren 2020, 2021 und 2022 leer. Nun, beim letzten Ball seiner Amtszeit, machte erneut die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte sich kurzfristig bereit, für den Chef einzuspringen und den Eröffnungswalzer zu tanzen – mit Journalistin Barbara Schlegel. Etwa 1500 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien hatten Karten für die Liederhalle gekauft. Auf der Vip-Liste standen unter anderem die Schauspielerin Astrid Fünderich, Juliane Rasheed, die Miss Baden-Württemberg, fast das gesamte Landeskabinett (samt Bayaz-Ehefrau Katharina Schulze, der Fraktionschefin der Grünen in Bayern), Musicalstar Kevin Tarte mit Ehemann Stefan Wolf, Stuttgarts OB Frank Nopper mit Ehefrau Gudrun Nopper sowie die frühere Biathletin Magdalena Neuner.
Auch Kretschmanns mögliche Nachfolger durften nicht fehlen: CDU-Fraktionschef Manuel Hagel und der frühere Minister Cem Özdemir von den Grünen. Özdemir kam trotz einer Handverletzung nach einem Handball-Unfall – zwei gebrochene Finger und eine Bandage hielten ihn davon ab.
Für Heiterkeit sorgte Regierungssprecher Matthias Gauger mit einer augenzwinkernden Idee, wie der Presseball nach Kretschmanns Absage bundesweit Aufmerksamkeit erregen könnte: Wie wäre es denn, scherzte er, wenn Manuel Hagel und Cem Özdemir gemeinsam den Eröffnungswalzer tanzen? Wenn das keine starkes Signal für Diversität und Fairness im Wahlkampf wäre!
Wer den Takt beim Walzer nicht findet, werde später auch in Koalitionsverhandlungen Probleme haben, sagte Rafael Binkowski, der Vorsitzende der Landespressekonferenz, in seiner Rede. Qualitätsjournalismus sei angesichts von zurückgehenden Auflagen, Agitationsportalen. Künstlicher Intelligenz und Fake News noch nie so unter Druck gestanden wie jetzt, fuhr er fort. Deshalb sei es um so wichtiger, dass Journalisten die Rolle als vierte Gewalt im Staate erfüllten: „Kritisch, unabhängig und mit der nötigen Zeit zu recherchieren“, so Binkowski.
Der Erlös der Ballnacht kommt traditionell Journalisten in Not sowie Projekten zur Förderung der Demokratie zugute. Dies findet der Sänger Kamrad (28) gut, der als jüngster Stargast in der Geschichte des Landespresseballs auftritt.