Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

Kulturkämpfer und Kulturarbeiter: Wolfram Weimer ist beides

Wolfram Weimer hat versprochen, die Kulturpolitik nicht nach rechts zu rücken – aber die Praxis zeigt ein zwiespältiges Bild.

Kulturkämpfer und Kulturarbeiter: Wolfram Weimer ist beides

Wolfram Weimer zwischen Gesetzgebung und Kulturkampf.

Von Norbert Wallet

Der Mann kann überraschen. Als Wolfram Weimer im Mai zum ersten Mal in seiner Funktion als Kulturstaatsminister im Bundestag spricht, trauen manche Parlamentarier ihren Ohren nicht. Er kritisiert „fast monopolitische Strukturen“ bei Online-Plattformen. Er ruft dazu auf, sich von der Abhängigkeiten von chinesischen und amerikanischen Anbietern zu emanzipieren. Höflich bedankt er sich bei seiner Vorgängerin, der Grünen Claudia Roth. Und er verspricht ausdrücklich, dass die Kulturpolitik unter einer Federführung „nicht nach rechts“ wandern würde.

Weimers Berufung wurde auch von Konservativen kritisiert

Sowohl Weimers Rede als auch die erstaunten Reaktionen lassen sich ohne die Vorgeschichte seiner Berufung nicht verstehen. Der Publizist und Medienunternehmer war bislang nicht durch besonderes kulturpolitisches Interesse aufgefallen. Wohl aber als meinungsstarker Konservativer, der die westliche Zivilisation als Projekt im Untergang begreift. „Während Generation um Generation in einer Jahrtausende währenden Selbstverständlichkeit die Fortdauer der eigenen Familie, der Sippe, der Nation, der Kultur, der Zivilisation als heiligen Moment des Lebens begriffen hat, so zerbricht dieses Bewusstsein plötzlich in Scherben.“ Sätze wie diese, vollgestopft von hohlem Pathos und durchzittert von Verlustangst und Bedrohung, aus seinem „Konservativen Manifest“, führten selbst die FAZ, eigentlich eine Art Zentralorgan salonkonservativer Bürgerlichkeit zur Einschätzung, Weimer sei der „falsche Mann am falschen Ort“.

Gemessen an den Erwartungen hatte Weimer also eine erstaunlich dialogorientierte erste Rede im Parlament gehalten. Welchen Weg ist Weimer seither gegangen? Es ist durchaus nicht so, dass er sich der Tagesarbeit verweigert. Das Problem ist nur: Dort gibt es so viele Fallstricke, dass es schon ein Erfolg ist, nicht gleich zu fallen. Die Beispiele für derlei Schwierigkeiten sind zahlreich.

Medienvielfalt als Ziel

Die Verteidigung und Sicherung der Medienvielfalt hat sich Weimer als eine Priorität seiner Amtszeit vorgenommen. Da war es nicht gerade glücklich, dass er gleich zum Start zur Übernahme von ProSieben/Sat1 durch die Berlusconi-Mediengruppe nicht mehr als gute Miene zum bösen Spiel machen konnte. Die Miene hellte sich auch nicht auf, als Wirtschaftsministerin Katherina Reiche seinen Plan für eine zehnprozentige Digitalsteuer für Internetkonzerne wie Amazon, Apple oder Google kühl abblockte: „Wir sollten nicht über mehr, sondern über weniger Handelshemmnisse sprechen.“

Oder das Thema Filmförderung. Da kann Weimer auf den ersten Blick einen großen Erfolg verbuchen. Der Etat dafür soll 2026 um 120 auf 250 Millionen Euro steigen. Allerdings geknüpft an die Einführung einer Investitionsverpflichtung für Streaming-Anbieter wie Netflix oder Disney in deutsche Produktionen. Darüber dürfte noch hart gerungen werden.

Man hat den Eindruck, dass Weimer nur zu gerne dem trüben Gemisch aus Kompetenzgerangel und Gesetzeshandwerk entflieht – ins Große, Symbolische, den Wortnebel, in dem spitze kleine Details nicht mehr pieksen. Der konservative Kulturkämpfer Weimer ist ja nicht verschwunden. Ohne Not und Anlass verdonnerte er seine Mitarbeiter, keine Gender-Zeichen in ihrer offiziellen Kommunikation zu verwenden, weil dies zur Spaltung der Gesellschaft beitrage. Der Erlass spaltet derweil das Kanzleramt; außerhalb des Weimer-Reiches sieht sich keiner zu ähnlichen Schritten veranlasst.

In einer abenteuerlichen Vereinfachung setzte er danach die Rechtsextremisten der AfD in ihrem Bedrohungspotenzial für die Demokratie mit der Linkspartei gleich und kündigt für den Herbst eine Grundsatz-Erklärung zum Thema Erinnerungspolitik an. Die soll sich mit der angemessenen Art des Erinnerns an den Holocaust auseinandersetzen, mit dem Wachhalten des in der DDR begangenen Unrechts. Die Schrecknisse deutscher Kolonialpolitik, so zeichnet sich ab, werden darin wohl keine Rolle spielen.

Weimer kann auch abenteuerlich vereinfachen

Wenn es argumentativ wieder mal eng wird, hat Weimer seinen rhetorischen Joker im Gepäck: die links-woke Cancel-Cultur, in der die „freiheitsfeindliche Übergriffigkeit der Linken ihr aggressives Gesicht“ zeige, gehört zu jedem Talkshow-Auftritt. Kulturarbeiter und Kulturkämpfer – noch ist Weimer beides.