Das Mehrwegsystem ist ein uraltes Beispiel für erfolgreiche Kreislaufwirtschaft. Doch das niedrige Glaspfand führt zu Verschmutzung. Wie wahrscheinlich ist eine Reform?
Leere Bier- und Limonadenflaschen gehören in Deutschland zunehmend zum Stadtbild. (Archivbild)
Von Von Lukas Müller, dpa
Hamburg - Leere Bier- und Limonadenflaschen gehören in Deutschland zunehmend zum Stadtbild. Der Stadtwerkeverband VKU und mehrere städtische Entsorger beobachten, dass leere Mehrwegflaschen, die zumeist 8 bis 15 Cent Pfand kosten, vermehrt als Müll im öffentlichen Raum zurückbleiben. Das teilte der Berliner Verband, der rund 1.600 kommunale Mitglieder verschiedener Branchen vertritt, der Deutschen Presse-Agentur mit.
Dass die Glas-Mehrwegflaschen häufiger stehen bleiben, melden auf Anfrage auch die kommunalen Entsorgungsunternehmen in Hamburg, Köln, Frankfurt und Düsseldorf. "Wir können bestätigen, dass insbesondere Mehrweg-Glasflaschen mit einem geringen Pfandwert von acht Cent zunehmend im öffentlichen Raum zurückgelassen werden", heißt es etwa von der Stadtreinigung Hamburg. Vor allem nach Straßenfesten und Picknick-Wochenenden zeige sich das.
In München gebe es vor allem bei Veranstaltungen einen Trend zu mehr liegengebliebenen Flaschen, heißt es vom Baureferat. Die Stadtreinigung Berlin und die Abfallwirtschaft Stuttgart vermelden dagegen keine Zunahmen.
Flaschen landen in Müllverbrennungsanlagen
In vielen Städten wie in Hamburg werden die zurückgelassenen Flaschen verbrannt, wie die Entsorger mitteilten. Die Flaschen seien oft beschädigt oder verschmutzt. Auch sei es zeitlich kaum möglich, die Flaschen einzusammeln und zurückzubringen, heißt. Dass Flaschen zurückbleiben, liegt laut dem VKU daran, dass das Mehrwegpfand seit Jahrzehnten nicht angepasst wurde.
Entsorger: Rückgabe erscheint nicht lohnenswert
Das Mehrwegpfand für normale Glas-Bierflaschen liegt bei acht Cent. Die Höhe hatte sich bei der Euro-Umrechnung aus den alten 15 Pfennig ergeben. Im Gegensatz zum Einwegpfand (25 Cent) beruht das Pfand für Mehrweg nicht auf einer gesetzlichen Vorgabe. Stattdessen hat sich die Getränkewirtschaft auf das System und die Pfandhöhe verständigt. Darüber wird diskutiert.
Der Sprecher des Arbeitskreises Mehrweg, Tobias Bielenstein, sieht dazu in Deutschland keinen Anlass: Die Pfandhöhe sei seit Jahrzehnten stabil, weil keine Änderungen nötig gewesen seien. Die Rückgabequote liege etwa bei 98 bis 99 Prozent. Die wenigen Flaschen, die vor allem in Städten stehen blieben, seien kein Problem für das Mehrwegsystem. Der Arbeitskreis ist ein Zusammenschluss von Umweltorganisationen und der Getränkewirtschaft.
Der VKU weist dagegen darauf hin, dass der Wert des Pfands im Laufe der Zeit aufgrund der Inflation gesunken ist. "Für viele Verbraucher erscheint die Rückgabe von Mehrweg-Glasflaschen daher subjektiv nicht mehr lohnenswert", teilte der Verband mit. Auch Pfandsammler mieden die Flaschen wegen des geringeren Werts und des höheren Gewichts. Diese Beobachtung bestätigen Entsorger.
Forderung nach Reform - auch für Kästen
Der VKU fordert: Die Wirtschaft solle sich darauf verständigen, das Flaschen- und Kistenpfand zu erhöhen. Wenn das nicht gelinge, müsse die Politik eine Mindesthöhe festlegen. Ein Unternehmen, das sich seit Jahren für eine Pfanderhöhung einsetzt, ist Fritz-Kola aus Hamburg. Der Co-Gründer von Fritz-Kola, Mirco Wolf Wiegert, schlägt 20 bis 25 Cent Pfand je Flasche vor.
Auch der Verband Private Brauereien Deutschland, der kleine und mittelständische Firmen vertritt, will eine Pfanderhöhung. Die Brauereien verlören Flaschen und Kisten, sagte Bundesgeschäftsführer Roland Demleitner. Für Händler sei es günstiger, wenige Kisten einzuschmelzen, statt sie quer durchs Land zu Brauereien zurückzubringen. Die Umstellung könne es aber nur geben, wenn die Branche sich einige.
Brauer-Bund: 20 oder 25 Cent ist wenig durchdacht
Doch danach sieht es derzeit nicht aus: Wichtige Verbände der Getränkewirtschaft lehnen eine Reform ab. Die meisten Mitglieder des Deutschen Brauer-Bunds seien etwa gegen eine Pfanderhöhung, sagte Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Sein Verband vertritt auch die großen Brauereien, etwa die Gruppe Bitburger.
Eichele kritisierte: "Es ist wenig durchdacht, Pfandsätze für Mehrwegflaschen von künftig 20 oder 25 Cent zu fordern." Eine neue Flasche koste etwa 20 bis 21 Cent. Wäre eine neue Flasche günstiger als das Pfand, wäre es für Brauereien günstiger, neue Flaschen zu kaufen, statt die alten zu sammeln und zu reinigen. Eine Umstellung sei zudem kompliziert, müsse an einem Stichtag erfolgen und führe zu hohen Kosten, die kleine Brauereien überschulden könnten.
Der Verband Deutscher Mineralbrunnen mit rund 150 Mitgliedsunternehmen lehnt eine Umstellung ebenfalls ab. Auch der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels, der rund 450 Firmen vertritt, ist gegen eine Erhöhung.
Höheres Flaschenpfand in Österreich
Was in Deutschland kompliziert erscheint, ist in Österreich bereits geschehen: Zum 2. Februar ist das Pfand einer 0,5-Liter-Glasflasche von 9 auf 20 Cent gestiegen. Der Verband der Brauereien Österreichs hatte den Schritt auch damit begründet, dass rund sechs Prozent der umlaufenden Bierflaschen im Altglas, im Restmüll oder in der Landschaft gelandet seien.
Zu den Auswirkungen in Österreich sagte ein Verbandssprecher: "Nach unserer Beobachtung gehen Konsumentinnen und Konsumenten sorgsamer mit Getränkeverpackungsmaterial um." Zahlen liegen aber nicht vor.
Und wie wird die Debatte in Deutschland weitergehen? Bielenstein, der Sprecher vom Arbeitskreis Mehrweg, appelliert, diese europäisch und nicht national führen. Er spricht sich für grenzüberschreitende Regeln aus. Die neue EU-Verpackungsverordnung, die Mehrwegverpackungen stärkt, sei Anlass, darüber zu reden. "Das ist eine Diskussion, die beginnt jetzt."
In Köln liegen leere Pfandflaschen am Straßenrand. (Archivbild)
Der Co-Gründer von Fritz-Kola ist ein Verfechter höheren Mehrwegpfands. (Produktion)
Brauer-Bund-Hauptgeschäftsführer Eichele sieht eine Pfanderhöhung kritisch. (Archivbild)